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Spannung im U.S. State Department vor Treffen von Kim und Trump.

Foto: AP / Wong Maye-E, Reuters / Kevin Lamarque (Foto-Kombo)

Bitte lächeln: US-Kriegsveteranen wollen auf ein Foto mit dem republikanischen Präsidentschaftskandidaten von 1996: Bob Dole (re.).

Foto: Prantner

Helfer schieben fußmarode Kriegsveteranen um die Wasserspiele am World-War-II-Memorial. Eine Highschool-Kapelle spielt schiefe Märsche. Es ist schwül und heiß in Washington, D.C. Etwas abseits, im Schatten, sitzt Bob Dole in seinem Rollstuhl. Geduldig lässt sich der alte Herr mit Veteranenkameraden fotografieren. Gelernt ist gelernt. Nicht umsonst saß der bald 95-Jährige jahrzehntelang im US-Kongress und war einmal – 1996 – Präsidentschaftskandidat der Republikaner.

Was er sich denn vom kommenden USA-Korea-Gipfel erwarte, fragt Der STANDARD. "Dort werden große Dinge geschehen", antwortet der greise Trump-Unterstützer. Einer der Koreakrieger, die sich um ein Selfie mit Dole anstellen, raunt: "Ich wäre mir da nicht so sicher."

Besser lässt sich die Stimmungslage im Vorfeld des Koreagipfels in Singapur nicht darstellen. Dort, im Luxushotel Capella auf der Insel Sentosa, sollen am Dienstag (MESZ) US-Präsident Donald Trump und der nordkoreanische Diktator Kim Jong-un aufeinandertreffen. Das bestätigte Trump am Donnerstagabend in Washington noch einmal: "Der Gipfel findet statt", sagte er bei einem Treffen mit Japans Premier Shinzo Abe. Der "maximale Druck" auf Pjöngjang aber bleibe aufrecht. Er sei bereit, die Gespräche, die er zwischenzeitlich bereits einmal abgesagt hatte, auch ohne Ergebnis wieder zu verlassen. Sollte aber etwas daraus werden, dann lade er Kim nach Washington ein.

Nuklear abrüsten

Unbeantwortet allerdings bleibt die Frage, was genau daraus werden soll. Außenamtssprecherin Heather Nauert betonte zuletzt, dass es den USA um eine "vollständige, verifizier- und kontrollierbare Denuklearisierung der koreanischen Halbinsel" gehe. Auch ihr Chef, US-Außenminister Mike Pompeo, verlangte das am Freitag noch einmal nachdrücklich. Und er fügte hinzu, dass Kim bereit für einen "mutigen Schritt" sei und ihm persönlich versichert habe, ebenfalls für eine atomare Abrüstung einzutreten.

Der Flurfunk im State Department geht allerdings davon aus, dass es genau das nicht geben könne – stattdessen besteht "bloß" die Möglichkeit auf eine Friedensvereinbarung für Nord- und Südkorea, die seit Kriegsende 1953 einen Waffenstillstand haben und sich technisch noch immer im Kriegszustand befinden.

Futter für die Midterms

Aus dem hochfliegenden Falken Trump mit seinen Maximalforderungen, heißt es, sei eine gurrende Friedenstaube geworden, die etwas Herzeigbares für den laufenden Midterms-Wahlkampf brauche.

Einige Indizien sprechen für die zweite Annahme: Verhandlungsführer der Amerikaner bisher ist Pompeo – und nicht etwa Trumps neuer Nationaler Sicherheitsberater John Bolton, der mit Kriegsrhetorik in Richtung Pjöngjang aufgefallen ist. Außerdem scheuen es die Amerikaner, den brutalen Potentaten Kim auf die Menschenrechtslage in seinem Land anzusprechen. Er soll nicht gereizt werden. Die Japaner befürchten überdies, dass sich Trump im schlimmsten Fall auf eine Art "nuclear freeze" einlassen könnte – der zwar die USA aus der Reichweite nuklear bestückbarer Raketen nehmen würde, aber die japanischen Inseln würden weiterhin in höchster Gefahr bleiben.

Aber selbst wenn beide Seiten das Gleiche unter "vollständiger und kontrollierbarer nuklearer Abrüstung in Korea" verstünden, ist die Zeit sehr kurz, eine solche seriös zu verhandeln. Über die technischen Gespräche, die amerikanische und koreanische Diplomaten an der Waffenstillstandslinie in Panmunjom seit Tagen intensiv führen, ist wenig bekannt. Pompeo weigerte sich zuletzt, Auskunft darüber zu geben, Kim sprach von einem phasenweisen Abgehen von der atomaren Bewaffnung auf der Halbinsel – auch der Rücknahme des atomaren Schirms der USA über Südkorea.

Harte Nüsse zu knacken

Es ist gut möglich, dass die harten Nüsse erst nach dem Gipfel geknackt werden müssen. Die Details, insbesondere was das Kontrollregime anbelangt, seien sehr komplex, heißt es in den liberalen Washingtoner Thinktanks. Dabei könne schlechterdings weniger herauskommen, als Trump unlängst im Atomabkommen mit dem Iran aufgekündigt habe.

Tritt das tatsächlich ein, dann hätte die Friedenstaube im Weißen Haus vielleicht ein paar Körner für den Wahlkampf gewonnen, aber gleichzeitig ein "selbstzugefügtes Pearl Harbour" erlitten, wie Diplomaten meinen. (Christoph Prantner aus Washington, 9.6.2018)