Die X-Large-Portion Popcorn wird in ausgewählten Kinos im Blechkübel mit Jurassic-World-Schriftzug kredenzt. Das muss auch praktische Gründe haben. Wenn nämlich die Schockmomente in hoher Frequenz über die 3D-Leinwand blitzen, zucken mitunter auch Zuschauerhände zusammen. Und schon ist das Knabberzeug überall, nur eben nicht im Mund.

Jurassic World: Das gefallene Königreich ist die Fortsetzung des Reboots der erfolgreichsten Dino-Saga der Filmgeschichte von 2015. Als immersiver Frontalangriff auf die Sinne liefert der Film aber auch so etwas wie die Existenzberechtigung des Kinos in Zeiten medialer Diversifizierung. Im Imax-Saal, ausgerüstet mit entsprechender Soundwall, kommen die Viecherl erst so zur Geltung, wie es von Hollywood angedacht ist. Wenn sie fauchen, soll es uns angenehm kitzeln.

Jurassic World 2 – Trailer
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Explosionen, Lavaströme, Tierpanik

Für jeden Regisseur, der neu an Bord steigt, gilt daher, das schon einmal Dagewesene noch ein wenig zu überbieten und zu beschleunigen. Diesmal ist der Spanier Juan Antonio Bayona an der Reihe, der sich mit stilbewussten Fantasy- oder Horrorfilmen wie A Monster Calls und The Orphanage anempfohlen hat.

Bayona, der schon früh vom oscargekrönten Genreliebhaber Guillermo del Toro gefördert wurde, zeigt sich angesichts der Budgetgröße von 170 Millionen Dollar kein bisschen eingeschüchtert. In einer fulminant exekutierten Sequenz trumpft er gleich einmal mit einer Cluster-Katastrophe auf. Ein Vulkanausbruch auf der Isla Nublar lässt alle Dinosaurier auf einmal die Flucht ergreifen, und dazwischen kämpft das zentrale Gespann aus Tieraktivistin Claire (Bryce Dallas Howard) und Raptoren-Trainer Owen (Chris Pratt) seinerseits ums Überleben. Bei allem Durcheinander aus Explosionen, Lavaströmen und Tierpanik bleibt die schiere Freude an der Überwältigung oberstes Gebot.

Wenn der Alp als Urzeitbewohner grüßt: Das Mädchen Maisie (Isabella Sermon) kann in "Jurassic World 2" nicht in Ruhe einschlafen.
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Dinos und Trump

Die erste Hälfte des Films hat damit allerdings schon ihren Höhepunkt gefunden. Nachdem sich die Politik geweigert hat, den von der neuerlichen Auslöschung bedrohten Dinosauriern zu Hilfe zu kommen, treten Claire und Owen die Rettung in Auftrag des greisen Milliardärs Benjamin Lockwood (James Cromwell) und seines aalglatten Assistenten Eli Mills (Rafe Spall) an.

Die Interessen sind freilich, wie sich bald herausstellt, keineswegs deckungsgleich. Das alte inhaltliche Credo des einst von Michael Crichton erfundenem Jurassic Park, eine Mahnung vor der Hybris am Eingriff in die Natur, wird dabei noch einmal fürs Trump-Zeitalter überholt. Fiese Männer mit zu viel Geld und zu wenig Empathie sind nicht nur der Dinos, sondern unser aller Verderben.

In "Jurassic World 2" erschließt Regisseur J. A. Bayona neue Gefahrenzonen.
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Wiedergeborene Ungeheuer

Dass solches Freund-Feind-Schema in Jurassic World 2 im überdeutlichen Bereich verharrt, damit muss man rechnen. Überraschender zeigt sich der Film dann aber in der Handhabe des Verhältnisses zwischen Tier und Mensch. Das hat vor allem mit dem Auftauchen des aufgeweckten kleinen Mädchens Maisie (Isabella Sermon) zu tun, das den zweiten Teil des Films mit seiner Intelligenz des Guten bestimmt. Hier erst fühlt sich Regisseur Bayona merkbar in seinem Element.

Der Film wechselt ins Innere des herrschaftlichen Wohnsitzes von Auftraggeber Lockwood, einem wahren Spukschloss, und kreuzt damit seine DNA mit jener des "gothic horror", dem Kino des Schauerlichen. Vom horizontalen Treiben in einer Landschaft verlagert sich das Geschehen ins Vertikale – Stiegengeländer, Lifte, sogar ein Speisenaufzug spielen nunmehr tragende Rollen.

In Verbindung mit ungewohnten Hausgästen eröffnet dies dem Franchise nicht nur neue Gefahrenzonen. Es stellt die durch Menschenhand wiedergeborenen Ungeheuer in mit Schatten und anderen hübschen Details spielenden Szenen auch in die Tradition jener Monster, die unser Unbewusstes bewohnen. (Dominik Kamalzadeh, 9.6.2018)