Die Drogenszene hat Wien laut Drogenkoordinator Ewald Lochner gut im Griff, das habe auch mit Maßnahmen wie der Wohnungsversorgung zu tun.

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Wien – Über das Alkoholverbot am Praterstern wollte er eigentlich nicht sprechen, weil alles gesagt sei. Unterhalten solle man sich laut Ewald Lochner lieber über psychische Erkrankungen: Er wünscht sich in den nächsten Jahren einen anderen gesellschaftlichen Umgang und will mit neuen und verbesserten Angeboten dazu beitragen.

STANDARD: In Wien gibt es etwa 70.000 Alkoholkranke. Am Praterstern saßen 60 bis 100 Leute mit problematischem Alkoholkonsum, jetzt gibt es ein Verbot. Ist das eine Maßnahme à la "aus den Augen, aus dem Sinn"?

Lochner: Wenn das Konsumverbot eine alleinige Maßnahme wäre, dann wäre das so. So wollen wir aber nicht mit Menschen umgehen, deswegen sind bereits begleitende Maßnahmen medizinischer und sozialarbeiterischer Natur für suchtkranke Menschen gesetzt worden. Sehr viele Bürger kommen am Praterstern vorbei, wenn da permanent rundum was passiert und das auch durch mediale Berichterstattung reproduziert wird, dann sinkt das subjektive Sicherheitsgefühl.

STANDARD: Das erinnert an die Diskussion um die Drogendealer an der U-Bahn-Linie sechs.

Lochner: An der U6 hat es eine Änderung der gesetzlichen Lage gegeben, die wirklich begrüßenswert war, weil Handel und Händler grundsätzlich zu bestrafen sind und Suchtkranke zu entkriminalisieren und zu behandeln sind. Ich halte den Begriff "subjektives Sicherheitsgefühl" grundsätzlich für einen guten. Natürlich bewegt man sich da in einem Spannungsfeld, und es soll nicht sein, dass das jedes Mal zu einer repressiven Maßnahme führt. Der öffentliche Raum muss für alle da sein.

STANDARD: Wann sind Verbote in der Suchtprävention sinnvoll?

Lochner: Es geht darum, sich anzuschauen, was die Fakten sind: Am Praterstern gab es – wenn wenig Polizei da war – wirklich Situationen, die für Passanten nicht gut waren. Deswegen das Maßnahmenbündel. Das Alkoholverbot ist da nur ein Teil davon.

STANDARD: Laut Spielsuchthilfe hat das Automatenverbot nicht zu weniger Spielsüchtigen geführt.

Lochner: Einen Teil des Problems hat das Verbot schon gelöst. Aber es ist hier ähnlich wie bei den Substanzenabhängigkeiten: Ein Verbot allein ist nie die Lösung. Der erhöhte Gang zum Onlineglücksspiel muss gesamteuropäisch gelöst werden.

STANDARD: Laut dem Global Drug Survey haben 48 Prozent im letzten Jahr Cannabis konsumiert, 61 Prozent bereits einmal im Leben. Sollte sich die Drogenpolitik ändern?

Lochner: Immer mehr Leute sagen, dass sie Cannabis konsumieren. Das heißt nicht, dass jetzt mehr Leute konsumieren, aber es zeigt einen gesellschaftlichen Wandel – es scheint okay, das zuzugeben. Interessant ist, dass es in anderen Bereichen nicht in diese Richtung geht. Wenn man sich zum Beispiel grundsätzlich die Arbeit der Bundesregierung ansieht. Da erkenne ich eher repressive Schritte.

STANDARD: Wie beurteilen Sie denn die Drogenpolitik der Regierung?

Lochner: Ich kann keine erkennen. Dass der Verkauf von Hanfsamen und Stecklingen verboten werden könnte, trägt aus unserer Sicht eher zur Kriminalisierung bei, das kann nicht sinnvoll sein. Ich sehe kaum eine Chance, dass sich mit der aktuellen Regierung bezüglich Cannabis etwas tut.

STANDARD: Was spricht für, was gegen eine Liberalisierung?

Lochner: Dafür spricht, dass eine Cannabis-Freigabe eine Angleichung an die Realität wäre. Was dagegen spricht: Es gibt jetzt ein Problem mit dem legalen Suchtmittel Alkohol. Hier würde sich der Staat ein weiteres Problem in der Gesellschaft aufmachen. Es kann aber nicht das Ziel einer wirkungsvollen Sucht- und Drogenpolitik sein, zu sagen, eine Substanz ist entsetzlich und Konsum führt schon zu weiß ich nicht was.

STANDARD: Wie sieht die Drogenszene in Wien aktuell aus?

Lochner: Es gibt in Europa kaum eine Metropole, wo so viele Menschen in Substitutionsbehandlung sind, das ist gut. Wien hatte ab den 80ern niederschwellige Angebote, eine gute Versorgung von Wohnungslosen. Das ist in anderen Städten nicht der Fall, weil es Geld kostet.

STANDARD: Warum ist nun auch die Psychiatrie Teil der Koordination?

Lochner: Sucht ist eine von zehn Diagnosen im Rahmen von psychiatrischen Erkrankungen. Dinge, die grundsätzlich zusammengehören, sollte man auch gesamt betrachten. Außerdem sind viele Menschen von psychischen Erkrankungen betroffen – in Wien gehen wir von 20 Prozent im Laufe eines Lebens aus. Im gesellschaftlichen Umgang merkt man das nicht. Wenn es gesellschaftliche Stigmatisierung gibt und diese lang andauert, dann wirkt sich die aber auf die Versorgungsstrukturen aus. Ich möchte das verändern. Speziell im Bereich von Kindern und Jugendlichen wissen wir, wenn wir früh ansetzen, können wir Lebensläufe verändern – und zwar zum Positiven. (Lara Hagen, 10.6.2018)