Sieben Gebetshäuser hat das Kultusamt am Freitag geschlossen.

Foto: heribert corn

Wien – Ungläubig schüttelt der junge Muslim den Kopf. 12.54 Uhr, viel Zeit hat er nicht mehr, weniger als sechs Minuten, dann beginnt das Freitagsgebet. Er rüttelt an der Klinke, weiß aber längst, dass die Tür nicht aufgehen wird. "Camii kapalidir" steht auf einem Zettel, der vor ein paar Stunden auf den Eingang geklebt wurde – geschlossen. "Jetzt wollen sie uns sogar das Beten verbieten", schreit der Türke, schwarze Hose, dunkles Shirt, eine Tätowierung am Arm. "Diese Moschee ist nicht politisch, hier ist jeder willkommen."

Beitrag aus der "ZiB" um 17 Uhr.
ORF

Wer am Freitag in Wien-Favoriten vor dem verriegelten Gebetshaus steht, will es ihm glauben. Ein Mann aus Pakistan versichert: Er komme fast täglich, und das seit 15 Jahren. Gerede über türkische Politik? Habe er noch nie wahrgenommen. Ein Student, der sich als "glücklicher Österreicher" bezeichnet, beteuert, er komme jeden Freitag, aber radikale Muslime seien ihm noch nie begegnet. Ein junger Türke in Converse stimmt ihm zu: "Aber ich spüre in Österreich schon, dass der Druck der Politik auf Muslime steigt."

Gespräche über Politik, "aber nichts Rechtsextremes"

Die Regierung hat Freitagvormittag verkündet, sieben Moscheen zu schließen. Eine davon ist jene des Vereins Nizam-i Alem im zehnten Bezirk. Die Begründung: Das Gebetshaus stehe unter dem Einfluss der als extremistisch und faschistisch eingestuften türkischen Grauen Wölfe. Darüber hinaus war es formal nie als Moschee registriert.

Die zwei Dutzend Männer – die meisten mittleren Alters, viele mit Schnauzer -, die dort beten wollten, können die Vorwürfe nicht nachvollziehen. Schulterzuckend erklären einige, dass sie nicht einmal wüssten, wer diese Wölfe seien. Andere runzeln die Stirn und erklären, es handle sich um eine Partei in der Türkei, die doch aber hier keine Rolle spiele. "Wie in einem Kaffeehaus wird manchmal über Politik gesprochen, aber nichts Rechtsextremes", sagt ein Elektriker mit türkischen Wurzeln. "Es ist viele Jahre her, dass ich hier das letzte Mal etwas von den Grauen Wölfen gehört habe."

Radikalisierung durch Ausgrenzung

Der Politikwissenschafter Thomas Schmiedinger erklärt: Der Moscheeverein Nizam-i Alem werde von einer "definitiv rechtsextremen Partei" betrieben, die sich von den Grauen Wölfen abgespalten habe. Der Experte ist allerdings skeptisch, ob eine Verbotspolitik die Haltung der Betroffenen ändern kann. Eher noch verstärke es den Eindruck, der Staat verfolge sie – was sie weiter radikalisieren könne.

"Die problematischsten Moscheen", das sagt auch Daniela Pisoiu, Extremismusforscherin am Österreichischen Institut für Internationale Politik, "sind die in den Hinterhöfen." Wolle man der Radikalisierung entgegentreten, reichten die Maßnahmen der Regierung "definitiv nicht". "Nur weil eine offizielle Moschee zu ist, heißt das nicht, dass nicht dieselbe Aktivität woanders stattfindet." Die Forscherin befürchtet nun eine weitere Radikalisierung durch gefühlte Ausgrenzung.

13.03 Uhr, für das Freitagsgebet sei es jetzt zu spät, er schaffe es nicht mehr zu einer anderen Moschee, sagt ein Türke in Favoriten. "Nächste Woche, da bete ich dann im Parlament." (Sebastian Fellner, Katharina Mittelstaedt, 8.6.2018)