Der Himmel verdunkelt sich, schwarze Wolken verdrängen die weißen. Selbst meteorologisch schlecht Bewanderte erahnen den bevorstehenden Regenguss. Schauplatz ist ein kleiner Seitenarm der Donau in Fischamend südöstlich von Wien. "Schöne blaue Donau" – so bezeichnete Johann Strauß Europas zweitlängsten Fluss, doch hier und jetzt zeigt er ein anderes Gesicht: Das Wasser ist unruhig, besagtes Blau musste einem Braunton weichen.

Die Frage, bei welchen Witterungen das Vermessungsteam der Viadonau nicht ausrücken müsse, stößt auf leichtes Unverständnis: "Wir fahren bei jedem Wetter raus, außer die Donau ist zugefroren, dann kommt man mit dem Boot schwer voran", sagt Vermessungsleiter Walter Held grinsend. Kurz darauf folgt der Wolkenbruch.

Die Vermessung und die Analyse der Schifffahrtsrinnen auf den heimischen 350 Kilometern der Donau zählen zu den wichtigsten Aufgaben der Viadonau, der Österreichischen Wasserstraßen-Gesellschaft, die privatisiert ist, aber zur Gänze dem Verkehrsministerium untersteht. Ohne permanent aktualisierte Karten könnte die modern Schifffahrt nicht in dieser Form bestehen.

Und plötzlich tauchte am Bildschirm etwas auf, das aussah wie ein Traktor. Sah nicht nur so aus.
Foto: Viadonau

Spektakuläre Funde

Im ersten Moment klingt die Vermessung eines Flusses für Laien wenig spannend, doch welche "Schätze" die Donau immer wieder freigibt, entpuppt sich als durchaus spektakulär. Da gab es zum Beispiel jenen Traktor, der "von Lausbuben im Fluss versenkt" wurde und in Ybbs an der Donau gerade im Wasser wieder auftauchte.

Auch habe niemand mit 20 scharfen Granaten gerechnet, als ein russischer Panzer aus der March gefischt wurde: "Plötzlich war die Stimmung angespannt", erzählt Held. Anders verhält es sich mit einem 50 Meter langen Kriegsschiff an der Grenze von Ober- zu Niederösterreich: "Es liegt in Ufernähe und stört weder Mensch noch Schiff."

20 scharfe Granaten in einem russischen Panzer sorgten für angespannte Stimmung.
Foto: Viadonau

Unerwartet große Bäume tauchen immer wieder auf. "Kürzlich ragte ein Ast aus dem Wasser, an dem schlussendlich eine fast 20 Meter lange Mooreiche hing." Diese müsse über Jahrzehnte dort "eingeschottert" worden sein. Wenig amüsant für die Crews der beiden Viadonau-Boote sind Leichenfunde. Die Suche danach gehört zwar nicht zum Aufgabenbereich, doch ab und zu schwimmen Tote vorbei. "In Linz habe ich einmal eine Leiche aus dem Wasser gefischt, das gehört leider dazu. Fast jeder im Team hatte bereits damit zu tun", sagt Werner Loibl, der an Bord die Daten auswertet. Außerdem setze so ein Fund der Psyche zu, man hält dann jedes Holzstück für eine Leiche.

"Ultraschall" im Wasser

Walter Held lässt zur Datenerstellung das sogenannte Fächerlot ins Wasser. Vergleichbar mit einem Ultraschallbild, zeigt das Sonarsystem an, was unter Wasser los ist. Farben auf einem Display geben Auskunft über die Tiefe eines Objekts, etwas zu erkennen sei Erfahrungssache. Ein riesiges Holzstück etwa, das der Autor dieses Artikels als solches zu erkennen meint, stellt sich als der Grund in Ufernähe heraus. Das Fächerlot analysiert 800 Punkte pro Quadratmeter und deckt rund 35 Meter ab, das Vorgängermodell Echolot schaffte nur 100 Punkte.

So knapp am Ufer sollte ansich weder ein Schiff noch eine Nussschale unterwegs sein. Die Viadonau muss aber auch diesen Bereich vermessen. "Diese Gegend ist immer eine Herausforderung. Man muss viele Dinge gleichzeitig im Aug behalten. Junge Menschen, die am Computer zocken tun sich da viel leichter. Kein Scherz", meint Loibl.

Mit diesen Fächerlot-Sensoren wird die Donau das ganze Jahr vermessen.
Foto: Viadonau

Die technische Weiterentwicklung und auch die Digitalisierung spielen im Wasserstraßenmanagement eine entscheidende Rolle. "Wir können viel schneller und flexibler reagieren. Früher wurden im Winter Daten ausgewertet und Karten erstellt, im Sommer wurde gemessen", erklärt Held. Jetzt passiert alles simultan. Alte Daten haben in der Schifffahrt nichts mehr verloren – vor allem nach Hochwassern. "Bei einem Hochwasser bleibt kein Stein auf dem anderen, alles muss neu vermessen werden, vor allem die Bereiche vor den Schleusen", berichtet Held. Üblicherweise werden Schifffahrtssperren erst dann wieder aufgehoben, wenn Baggerungen durchgeführt wurden und die Schifffahrtsrinne wieder die nötigen 2,5 Meter Tiefe erreicht hat.

Die Position der Viadonau ist laut eigenen Angaben nicht immer ganz einfach. Einerseits setzt sie sich dafür ein, die Donau als Wasserstraße für Transporte und Tourismus zu stärken, andererseits spielt sie eine entscheidende Rolle bei Renaturierungsmaßnahmen und Umweltschutz. Beispielsweise werden neue Seitenarme angelegt, um die lokale Flora und Fauna zu beleben. Mit dem Nationalpark Donauauen besteht dafür eine enge Kooperation.

Ein kleiner Ast ragte aus dem Wasser, daran hing eine knapp 20 Meter lange Mooreiche.
Foto: Viadonau

Schnelles Finden

Der technische Fortschritt lässt die Anzahl der Funde abnehmen. Als das Fächerlot erstmals zum Einsatz kam, fand die Viadonau im Bereich Freudenau südlich von Wien auf Anhieb elf Autos. Deshalb würden meist sie angefordert, wenn ein Auto ins Wasser stürzt. Das Fächerlot findet alles viel schneller als Taucher. Und aus demselben Grund gibt Held zu bedenken: "Besonders geeignet ist die Donau nicht mehr, wenn man etwas verschwinden lassen möchte – aber nach wie vor geeigneter als der Donaukanal oder der Neusiedler See", er grinst und steigt vom Schinakl. Sogar die Sonne hat sich mittlerweile wieder herausgetraut. (Andreas Danzer, 9.6.2018)