Falls es wieder zu einem "Sommer der Landungen" kommen sollte, dann werde er nicht tatenlos zusehen, hatte Italiens Innenminister Matteo Salvini bereits am Freitag angekündigt. Gesagt, getan: Am Sonntag forderte er die Behörden Maltas auf, das Rettungsschiff Aquarius der Hilfsorganisation SOS Mediterranée in Valletta anlegen und die Flüchtlinge an Land zu lassen. Ansonsten werde Italien alle seine Häfen für dieses Schiff schließen. Und auch das wurde schlussendlich Wirklichkeit. Seither sitzen an Bord der Aquarius 629 Flüchtlinge fest, darunter 123 unbegleitete Minderjährige, elf Kinder und sieben schwangere Frauen.

In dem Brief an Malta hielt der Lega-Politiker fest, dass es sich bei Valletta um den am nächsten gelegenen "sicheren Hafen" handle und es deshalb keinen Grund gebe, warum die Flüchtlinge einmal mehr nach Italien gebracht werden müssten. Die maltesischen Behörden wiederum wiesen darauf hin, dass die Rettungsaktionen der Aquarius vor der libyschen Küste von der Einsatzzentrale der italienischen Küstenwache in Rom koordiniert worden seien. Malta habe in diesem Fall keinerlei Autorität und deshalb auch keine Pflicht, die Flüchtlinge an Land zu lassen. Auf Twitter zeigte sich der maltesische Premier Joseph Muscat um die Sicherheit der Migranten besorgt und warf Italien vor, gegen internationale Regeln zu verstoßen.

Praxisänderung

Der Streit zwischen Rom und Valletta um das Rettungsschiff war am Sonntagabend noch voll im Gang. Es ist das erste Mal, dass Italien für Schiffe mit geretteten Flüchtlingen seine Häfen schließt – eine spektakuläre Praxisänderung der neuen Regierung aus der Protestbewegung Fünf Sterne und der rechtsextremen Lega. Die Hafenschließung ist in erster Linie als Zeichen an die europäischen Partner im Norden zu verstehen: Die neue Regierung ist nicht mehr gewillt, mit dem Ansturm der Bootsflüchtlinge aus Nordafrika alleine gelassen zu werden.

Die Zahl der Flüchtlinge hatte in den vergangenen Tagen markant zugenommen. Allein von Freitag bis Sonntag wurden vor der libyschen Küste von verschiedenen Schiffen über 1.200 Menschen gerettet. Am Samstag musste Salvini, der im Wahlkampf mit einer aggressiven Kampagne Stimmung gegen die Migranten machte, erstmals einem NGO-Schiff die Erlaubnis geben, mit über 200 Flüchtlingen den Hafen von Reggio Calabria anzulaufen. Die privaten Retter hat Salvini besonders im Visier: Er bezeichnet sie als "Taxis für Flüchtlinge", obwohl auch diese Schiffe nur in Koordination mit der italienischen Küstenwache tätig werden.

"Im Mittelmeer fahren Rettungsschiffe unter der Flagge Hollands, Spaniens, Gibraltars und Großbritanniens, es gibt deutsche und spanische NGOs, es gibt Malta, das niemanden aufnimmt, es gibt Frankreich, das die Flüchtlinge zurückweist, und es gibt Spanien, das seine Grenzen mit Waffengewalt verteidigt. Mit anderen Worten: Ganz Europa schaut nur für sich", twitterte Salvini am Sonntagabend. "Von heute an beginnt auch Italien, Nein zu sagen zum Geschäft der Schlepper und zum Geschäft der illegalen Immigration." Am Montag legte er noch nach: "Menschenleben zu retten ist eine Pflicht, doch Italien darf nicht zu einem riesigen Flüchtlingslager werden. Italien sagt jetzt nicht mehr Ja und folgt. Diesmal sagen wir Nein."

Das ist ganz Salvinis zynische, aber wahlwirksame Lesart: Für den Innenminister und Lega-Chef sind das epochale Phänomen der Migration und die Not der Kriegsflüchtlinge einfach nur ein Geschäft von einigen Kriminellen, denen das Handwerk gelegt werden muss. (Dominik Straub, 11.6.2018)