Bei den derzeit tropischen Temperaturen schwitzt jeder, aber nicht jeder riecht schlecht: Deos mit Aluminium funktionieren besser als jene ohne.

Foto: istockphoto

Aluminium ist das Multitalent unter den Metallen: leicht, stabil, hitze- und kältefest, korrosionsbeständig und billig. In Autos wird es ebenso verbaut wie in Flugzeugen, elektrischen Leitungen und Gebäudedächern. Auch in Kochtöpfen, Trinkflaschen und Lebensmittelverpackungen bewährt sich Alu seit Jahrzehnten und in Süßwaren, Kosmetika und Impfstoffen.

In jüngster Zeit aber ist Aluminium ins Gerede gekommen. Studien haben gezeigt, dass winzige Teilchen dieser Substanz, die in den Körper gelangen, gefährliche Krankheiten wie Brustkrebs oder Alzheimer fördern könnten. Manche Experten verlangen Warnhinweise oder gar Verbote. Muss man sich vor Alu im Alltag fürchten?

Die Diskussion befeuert hat ein Experiment aus dem Jahr 2016: Wissenschafter um Stefano Mandriota von der Clinique des Grangettes in Genf wiesen nach, dass sich gesunde Milchdrüsenzellen von Mäusen in Tumorzellen verwandeln, wenn man sie im Reagenzglas mit Aluminium in Kontakt bringt. Und als die Forscher auf diese Weise mutierte Zellen anschließend in 20 gesunde Mäuse spritzten, erkrankten diese an Krebs. Seither rät Mandriota zur Vorsicht. Bei seinen Warnungen vor Alu zieht er sogar den Vergleich zu Asbest. "Auch die verheerenden Auswirkungen dieses Werkstoffs wurden lange viel zu wenig beachtet", sagt er. Erst seit 1990 ist Asbest, das Lungenkrebs auslösen kann, in Österreich verboten.

Schweißstopper

Bei Aluminium könnte es ebenfalls zu gesetzlichen Einschränkungen kommen: Die Schweizer Regierung jedenfalls diskutiert bereits über ein Verbot aluminiumhaltiger Deos. Zumindest aber sollen auf solchen Produkten Hinweise auf mögliche Gesundheitsgefahren Pflicht werden.

Hersteller von Kosmetika dagegen betonen die Vorzüge: Deodorants ohne diese Substanz bekämpfen nämlich ausschließlich die Bakterien, die den frischen, geruchlosen Schweiß zersetzen und dadurch unangenehm riechen lassen. Deos mit Aluminiumsalzen aber bewirken, dass sich die Hautporen zusammenziehen und die Schweißkanäle vorübergehend blockiert werden. Dadurch tritt an den Achseln bis zu 50 Prozent weniger Schweiß aus. Ein Nebeneffekt solcher Deos: Durch die Haut gelangen winzige Aluteilchen in den Körper.

Doch ist das schlimm? Die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (Efsa) hält eine wöchentliche Aufnahme von bis zu einem Milligramm Aluminium pro Kilogramm Körpergewicht für unbedenklich. Diesen Grenzwert erreichen die meisten Menschen allerdings schon bei normaler Ernährung.

Auch im Wasser

Denn viele Lebensmittel wie auch das Trinkwasser enthalten eine Menge Alu. Schon daher scheint es Fachleuten sinnvoll, über die Haut möglichst wenig von dieser Substanz zusätzlich aufzunehmen. Karin Gromann, Leiterin der Abteilung Lebensmittelsicherheit und VerbraucherInnenschutz des Bundesministeriums für Gesundheit in Wien, hält Warnhinweise auf Aludeos denn auch für eine gute Idee. "Das wäre für die Hersteller ein Ansporn, nach Alternativen zu Aluminiumsalzen zu suchen", sagt die Expertin. Weitere Forschung sei dringend nötig. Einstweilen rät Gromann, möglichst auf Deos ohne Aluminium auszuweichen. "Bis mehr Klarheit besteht", sagt sie, "sollte man vorsichtig sein."

Die meisten Ärzte aber geben selbst in der Schweiz, wo Aludeos besonders umstritten sind, Entwarnung. Im Brustzentrum des Universitätsspitals Zürich rät man Patientinnen nicht vom Gebrauch solcher Produkte ab. "Es gibt Risikofaktoren wie Rauchen oder Übergewicht, die Brustkrebs nachweislich begünstigen", sagt Oberarzt Konstantin Dedes. "Aluminium dagegen erhöht das Risiko zumindest nach heutigem Wissensstand nicht." Die Ergebnisse der Mäusestudie aus Genf aus dem Jahr 2016 habe er mit Interesse zur Kenntnis genommen. "Aber Resultate solcher Tierversuche lassen sich nicht ohne Weiteres einfach auf den Menschen übertragen."

Auf keinen Fall Panik

Auch die Ergebnisse weiterer Studien beunruhigen Dedes nicht: Forscher aus Großbritannien stellten fest, dass das Brustdrüsengewebe von Patientinnen, die unter Brustkrebs leiden, deutlich höhere Aluminiumkonzentrationen enthält als das gesunder Frauen. "Die entscheidende Frage aber beantwortet das nicht", sagt Dedes. "Unklar bleibt, ob die hohen Aluwerte eine Ursache oder eine Folge der Krankheit sind." In Experimenten mit Ratten jedenfalls sammelte sich, wenn Forscher ihnen krebserregende Substanzen (ohne Aluminium) ins Futter taten, bald automatisch Alu im Brustgewebe an – was dagegen spricht, dass die Krebsgefahr von diesem Metall ausgeht.

Saures und Salziges sollte man nicht Alufolie verpacken.
Foto: istockphoto

Dennoch bleibt ein Verdacht: Forscher der Medizinischen Universität Innsbruck befragten im vergangenen Jahr mehr als 200 Brustkrebspatientinnen und ebenso viele gesunde Frauen zu ihrem Gebrauch von Deodorants. Die Auswertung zeigte: Diejenigen Frauen, die angaben, in jungen Jahren mehrmals täglich aluminiumhaltige Deos benutzt zu haben, erkrankten später mit höherer Wahrscheinlichkeit an Brustkrebs. Dedes beeindruckt auch das wenig. "Erinnerungsfehler könnten das Ergebnis dieser Studie verzerrt haben", sagt er. Und sein Kollege Hans Drexler von der Universität Erlangen-Nürnberg, der hunderte wissenschaftliche Studien zu "Aluminium und Gesundheit" gesichtet hat, schätzt die Lage ähnlich ein. "Die Mehrzahl der Untersuchungen weltweit" , sagt er, "kam zum Schluss, dass es keinen Zusammenhang zwischen der Nutzung von Aludeos und dem Risiko für Brustkrebs gibt."

Dosis und Gift

Manche Wissenschafter bringen Aluminium allerdings auch mit der Entstehung von Alzheimer in Verbindung. Forscher der Universität Sydney publizierten 2014 Resultate eines Experiments mit Ratten: Bei denjenigen Tieren, die über die Nahrung erhöhte Dosen von Alu verabreicht bekommen hatten, traten gehäuft alzheimerähnliche Gedächtnisstörungen auf. Andere Forscher wiesen in den Gehirnzellen von menschlichen Alzheimer-Patienten höhere Mengen von Alu nach als bei gesunden Menschen der gleichen Altersgruppe. Es bleibt aber unklar, ob die Ablagerungen die Krankheit mit ausgelöst haben, oder ob sie nur eine Begleiterscheinung von Alzheimer sind. Und Medizinprofessor Hans Drexler liest aus allen bisherigen wissenschaftlichen Studien zu diesem Thema aber "nur sehr unsichere Hinweise" auf einen möglichen Zusammenhang zwischen erhöhter Aluminiumaufnahme und Alzheimer-Risiko heraus.

Eine gewisse Vorsicht scheint dennoch sinnvoll. Auch wenn die Gefahren wohl nur gering sind, empfehlen Fachleute wie Karin Gromann vom Bundesministerium für Gesundheit, Alu im Alltag überall da besser zu reduzieren oder zu meiden, wo das ohne große Umstände möglich ist. Denn bei der Frage, ob etwas schädlich für die Gesundheit ist – oder eben nicht -, kommt es, wie Paracelsus bereits vor einem halben Jahrtausend gewusst hat, halt immer stark auf die Dosis an. (Till Hein, 12.6.2018)