Führungswechsel im ÖGB: Wolfgang Katzian (links) übernimmt von Erich Foglar

Foto: APA/Pfarrhofer

Wien – Die Wahl von Wolfgang Katzian zum ÖGB-Präsidenten ist zwar erst für Donnerstag angesetzt, die Tonalität des 19. ÖGB-Bundeskongresses wird aber schon am Dienstag geprägt, bevor der eigentliche Kongress beginnt.

Am Vormittag treten nämlich die Fraktionstage zusammen – und Katzian, Vorsitzender der Mehrheitsfraktion FSG, hat Exbundeskanzler und SPÖ-Chef Christian Kern eingeladen, den sozialdemokratischen Delegierten mit einem Referat kräftig einzuheizen.

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Kritik an der Regierung

Kern hat darin schon Routine, auch auf dem Gewerkschaftstag der Produktionsgewerkschaft (Pro-Ge) in der Vorwoche bekam er viel Applaus für seine Regierungskritik: "Das Reformgerede der Regierung ist Sozialabbau pur." In dieselbe Kerbe hatte Katzian selbst bei einer Betriebsrätekonferenz seiner Privatangestelltengewerkschaft (GPA-djp) geschlagen: "Bestehende Errungenschaften der Arbeiterbewegung sollen abgebaut werden. Der Sozialstaat und das Sozialversicherungssystem werden rückgebaut und entdemokratisiert." Dies sei "ein Angriff auf die gesamte Gewerkschafts- und Arbeitnehmerbewegung in Österreich, der eine entsprechende Antwort erhalten wird".

Erinnerungen an Streik 2003

Katzian lässt Informationsveranstaltungen in den Betrieben vorbereiten – was in der Praxis zeitweise Arbeitsniederlegungen bedeutet – und stellt auch weitere "gewerkschaftliche Kampfmaßnahmen" in den Raum. Das könnte bis hin zu einem Generalstreik gehen, wie ihn die Gewerkschaft für den 3. Juni 2003 zur Abwehr der Pensionsreform durch die schwarz-blaue Regierung Schüssel II ausgerufen hat. Dieser "Abwehrstreik" war insofern erfolgreich, als die damalige schwarz-blaue Parlamentsmehrheit die geplanten Reformen durch flankierende Maßnahmen abgefedert hat.

Ob der Widerstand gegen die Zusammenlegung der Krankenkassen, bei der viele regionale Arbeitnehmervertreter ihre (ehrenamtlichen) Funktionen verlieren werden, ein ähnliches Mobilisierungspotenzial wie vor 15 Jahren entwickeln wird, muss sich erst weisen – sicher ist jedoch, dass der Gewerkschaftskongress eine geschlossene Front gegen die Regierungspläne bilden wird.

Auf dem Fraktionstag der christlichsozialen Minderheitsfraktion FCG wird zwar Kanzleramtsminister Gernot Blümel (ÖVP) als Ehrengast erwartet – die Ablehnung einer Einschränkung der Selbstverwaltung wird aber auch er zu hören bekommen. Dies umso mehr, als die Mitgestaltungsmöglichkeiten der kleineren Gewerkschaftsfraktionen noch geringer werden, wenn es weniger Funktionen zu besetzen gibt.

Sozialministerin diskutiert mit

Nach den fraktionellen Sitzungen beginnt der eigentliche Kongress – mit den traditionellen Eröffnungsreden des ÖGB-Präsidenten Erich Foglar und von Bundespräsident Alexander Van der Bellen. Am Mittwoch stellt sich dann Sozialministerin Beate Hartinger-Klein (FPÖ) einer Diskussion zum Thema Faire Arbeit 4.0 – anschließend wird der Leitantrag diskutiert. In diesem wird unter anderem ein kollektivvertraglicher Mindestlohn von 1700 Euro und eine Umverteilung großer Vermögen als "Beteiligung am gesellschaftlichen Vorankommen" gefordert.

Am Donnerstag schließlich steht die Wahl der Gewerkschaftsspitze auf dem Programm. Es gilt als sicher, dass Katzian dem nicht mehr antretenden Präsidenten Foglar folgen wird. Es ist das erste Mal, dass ein Privatangestellter an die ÖGB-Spitze kommt, bisher standen da die Baugewerkschafter Johann Böhm (1945-1959) und Franz Olah (1959-1963), die Metaller Anton Benya (1963-1987), Fritz Verzetnitsch (1987-2006) und Erich Foglar (2008-2018) sowie der nach den Turbulenzen um ÖGB-Finanzen und die damalige Gewerkschaftsbank Bawag als Krisenmanager geholte Gemeindebedienstete Rudolf Hundstorfer (2006-2008). (Conrad Seidl, 12.6.2018)