Neunkirchen hat mit starkem Regen zu kämpfen.

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Ein aktuelles Foto aus Sankt Johann im Pongau. Die Hagelversicherung spricht von Katastrophenalarm in der Landwirtschaft.

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Aufräumarbeiten nach den schweren Unwettern im Raum Warth im Bezirk Neunkirchen in Niederösterreich.

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Unwetterschäden aufgenommen am Mittwoch im Raum Enzenreith im Bezirk Neunkirchen in Niederösterreich.

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Vertreter der Feuerwehr Steinberg-Rohrbach (Bezirk Graz-Umgebung) im Unwettereinsatz.

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Ein Lastwagen ist am Dienstagabend während des schweren Gewitters von einer Brücke in Dobersberg (Bezirk Waidhofen an der Thaya) in die Thaya gestürzt.

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Neunkirchen/Graz – In den von Unwettern heimgesuchten Landesteilen im südlichen Niederösterreich, im Burgenland, der Steiermark und Kärnten sind umfangreiche Aufräumarbeiten angelaufen. Hunderte Helfer waren am Mittwoch im Einsatz. Die Regierungsspitze kündigte an, rasch Hilfe aus dem Katastrophenfonds prüfen zu lassen. Den Schaden für die Landwirtschaft bezifferte die Hagelversicherung mit 1,7 Millionen Euro.

Die Gewitter verursachten Hagel- und Sturmschäden, Vermurungen und Überschwemmungen, Straßen waren unpassierbar, Hausdächer abgedeckt, Autos und Elektroleitungen wurden beschädigt. Teilweise fielen binnen weniger Stunden lokale Rekordregenmengen, in Puchberg am Schneeberg im Bezirk Neunkirchen beispielsweise in wenigen Stunden 116 Millimeter, berichtete die Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik. An der Wetterstation der ZAMG auf der Rax wurden am Dienstag 102 Millimeter Regen gemessen, der zweithöchste dort bisher gemessene Wert. Die Gewitter brachten zudem Sturmböen mit mehr als 100 km/h, in Graz etwa bis zu 111 km/h.

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Katastrophengebiete

Der Steirische Landeshauptmann-Stellvertreter Michael Schickhofer (SPÖ) hat am Mittwoch die weststeirische Ortschaft Piberegg in der Gemeinde Bärnbach (Bezirk Voitsberg) zum Katastrophengebiet erklärt. Der Freisingbach sei total mit Verklausungen belegt, die sofort entfernt werden müssen, da neuerliche Gewitter drohen. Zudem sei ein Gehöft nach dem Unwetter vom Dienstag noch immer nicht erreichbar.

Der Bezirk Neunkirchen war noch am Dienstagnachmittag zum Katastrophengebiet erklärt worden. Mittwochfrüh machten sich rund 200 Feuerwehrleute erneut an die Arbeit, berichtete Franz Resperger vom Landeskommando. Das Aufräumen werde sicher den ganzen Tag und vermutlich auch am Donnerstag andauern. Landesrat Stephan Pernkopf (ÖVP) wollte sich ein Bild von der Lage im Süden machen. Es gebe "keine Entwarnung in den kommenden Tagen". Seitens des Landes Niederösterreich wurde eine rasche Schadensabwicklung zugesichert.

120 Keller und Häuser waren teilweise bis zu einen Meter hoch überflutet. Nachdem eine ersten Gewitterzelle am Nachmittag bereits enormen Schaden im Bezirk Neunkirchen angerichtet hatte, zog gegen 20 Uhr eine zweite Front über die Region und sorgte wiederum für weiträumige Überflutungen, wobei auch mehrere Bäche und Flüsse über die Ufer traten.

Vermehrte Unwettereinsätze gab es im Laufe des Nachmittags auch im Bezirk Wiener Neustadt. Mehre Orte seien nur über Umwege erreichbar, teilte das Rote Kreuz mit. Manche Ortschaften seien teilweise auch ganz abgeschnitten.

Frau mit Kindern aus Auto gerettet

Im niederösterreichischen Otterthal im Bezirk Neunkirchen hat das Rote Kreuz am Dienstagabend eine Frau mit zwei Kindern im Alter von zwölf und sechs Jahren aus den Fluten gerettet. Die drei Personen seien in einem Auto von den Wassermassen überrascht worden und hätten weder vor noch zurück gekonnt, teilte das Rote Kreuz in der Nacht auf Mittwoch in einer Aussendung mit.

Zwei Rotkreuz-Mitarbeiter hätten die Frau mit den Kindern bei einer Erkundungsfahrt durch die überfluteten Straßen Otterthals entdeckt. Die drei seien befreit und dann mit dem Rettungswagen in ihren Heimatort Kirchberg gebracht worden.

In Graz wurden mehrere Bäume entwurzelt. So wie hier im Bezirk Gries.
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Ein Toter in Graz

Im Grazer Stadtpark ist am Dienstagabend ein Mensch ums Leben gekommen. Laut Heimo Krajnz von der Berufsfeuerwehr Graz fiel ein Baum auf einen Passanten. Die Sturmböen ließen auch Bäume und Äste auf Oberleitungen von Straßenbahnen stürzen. Der Stadtpark bleibt wegen der schweren Schäden noch bis mindestens Sonntag gesperrt.

Am Mittwochnachmittag wird die Schloßbergbahn wieder in Betrieb gehen. Sie bleibt aber vorerst der einzige Weg auf den Schloßberg, da der Lift, die Stiege und die Fußwege vorerst gesperrt bleiben. Geöffnet werden damit die Kasematten, das Plateau sowie die Querung über die Liesl. Im Stadtpark wurde eine Lagerfläche für Schnittgut und zum Häckseln eingerichtet. Neben der Beseitigung der offensichtlichen Schäden müssen nun alle Bäume visuell begutachtet werden, um Gefahrenherde rechtzeitig zu entfernen, hieß es seitens der Stadt.

Das Dach eines Sanitärgeschäfts am Schönaugürtel landete teilweise im Vorgarten eines Wohnhauses. Die Feuerwehr warnte vor weiteren herabbrechenden Ästen und Teilen von Bauwerken. Im öffentlichen Verkehr kam es zu massiven Verspätungen. Im Bezirk Jakomini fegte der Sturm mehrere Bäume um, die Beleuchtungsleitungen mit sich rissen.

Die Straßenbahnlinien 4 und 5 waren wegen umgefallener Bäume um bis zu 30 Minuten verspätet, hieß es seitens der Holding Graz. Die Äste hatten Oberleitungen getroffen. Der öffentliche Verkehr kam vorübergehend fast zum Erliegen.

150 Notrufe binnen eineinhalb Stunden

Die Gewitterfront zog schnell auf, war aber nach wenigen Minuten wieder vorbei. Bei der Grazer Berufsfeuerwehr gingen binnen eineinhalb Stunden rund 150 Notrufe ein. Wehren aus dem Bezirk Graz-Umgebung kamen den Kollegen in der Landeshauptstadt zu Hilfe.

In Altenberg an der Rax in der Gemeinde Neuberg an der Mürz im Bezirk Bruck-Mürzzuschlag haben anhaltende Niederschläge zu Hochwasser geführt. Im Ortszentrum sorgte eine Verklausung für eine Überschwemmung. Laut Feuerwehr haben Unternehmer mit Baggern die Situation rasch entschärft und mit den Aufräumarbeiten begonnen.

Mittwochfrüh waren vor allem in der Oststeiermark noch immer rund 1.000 Haushalte ohne Strom. Besonders im Raum Fischbacher Alpen seien viele Zufahrtswege noch von Bäumen versperrt, erklärte Urs Harnik-Lauris von der Energie Steiermark.

Zahlreiche Einsätze im Burgenland

Im Burgenland hat es am Dienstagabend knapp 50 unwetterbedingte Einsätze gegeben. Nach einem Gewitter samt Hagel am Nachmittag im Mittelburgenland war nach 19 Uhr vor allem der Landessüden betroffen. "Rudersdorf und Deutsch Kaltenbrunn im Bezirk Jennersdorf waren mit 15 Feuerwehreinsätzen dieses Mal der Hotspot", teilte ein Sprecher der Landessicherheitszentrale (LSZ) am Mittwoch mit.

"Zahlreiche Keller waren überflutet, viele Bäume sind aufgrund des starken Windes umgestürzt und haben zum Teil auch Straßen blockiert", schilderte der Sprecher. In Zemendorf im Bezirk Mattersburg setzte ein Blitzschlag einen Zählerkasten in Brand. In Heiligenbrunn im Bezirk Güssing kappte ein Baum eine Stromleitung. Zahlreiche Haushalte waren laut LSZ für etwa eine Stunde ohne Strom. In Oberkohlstätten im Bezirk Oberwart musste auch die Rettung ausrücken. Eine Frau wurde durch ein zuschlagendes Gartentor leicht verletzt und wurde ins Spital gebracht.

"Für Mittwochnachmittag sind erneut gewittrige Schauer und Starkregen prognostiziert. Der Schwerpunkt wurde für die erste Nachmittagshälfte angekündigt", sagte der Sprecher der LSZ.

Lkw von Brücke gestürzt

Ein Lastwagen ist am Dienstagabend während des schweren Gewitters von einer Brücke in Dobersberg (im ezirk Waidhofen an der Thaya in die Thaya gestürzt. Zugfahrzeug und Anhänger seien in der Flussmitte zum Stehen gekommen, der Fahrer sei in der Kabine eingeschlossen worden, berichtete das Bezirksfeuerwehrkommando in der Nacht auf Mittwoch. Wegen Dieselaustritts seien Ölsperren errichtet worden.

Weil sich der Gesundheitszustand des 39-jährigen Fahrers verschlechterte, konnte er von den Feuerwehren nicht gleich geborgen werden. Ein Feuerwehrmann musste zunächst die Notärztin durch den Fluss zum Lkw tragen, damit diese die Erstversorgung vornehmen konnte. Danach sei der Mann aus dem Fahrzeug gerettet und ins Spital gebracht worden.

Der Mann war mit einem unbeladenen Holztransporter von Merkengersch in Richtung Dobersberg unterwegs. In einer Linkskurve sei er ins Schleudern gekommen, der Anhänger sei zunächst in den rechten Straßengraben geschlittert. Danach habe das gesamte Gespann auf der Schellingsbrücke das Geländer durchbrochen und sei in den Fluss gestürzt. Durch den Absturz sei der Treibstofftank aufgerissen worden, es trat Diesel aus. Um diesen wieder aufzufangen, seien zwei Ölsperren flussabwärts errichtet worden.

20 Millionen Euro Schäden

Die Auswirkungen auf die Landwirtschaft haben sich besonders im Weinbaugebiet "Blaufränkischland" im Mittelburgenland gezeigt, sagt Mario Winkler, Sprecher der Hagelversicherung, im Gespräch mit dem STANDARD. Aber auch In Niederösterreich, der Steiermark und Salzburg meldeten Landwirte erhebliche Schäden durch Hagel und Überschwemmungen.

Insgesamt sind in der heimischen Landwirtschaft heuer bereits Schäden in der Höhe von 20 Millionen Euro entstanden – sowohl durch Wettextreme, aber auch durch den Rübenrüsselkäfer. "Noch ist der Höhepunkt der Hagelsaison nicht erreicht", sagt Winkler. Er geht davon aus, dass die Schadsumme im Juli und August noch deutlich steigen wird – wie auch in den vergangenen Jahren.

Klimawandel und Tourismus

2017 etwa beklagten Landwirte in Österreich einen Schaden in der Höhe von 250 Millionen Euro, im Jahr zuvor waren es 270 Millionen Euro. Ein langjähriger Trend ist in den Schadsummen nicht zu erkennen, meint Winkler. Sorgten 2016 beispielsweise vor allem Spätfroste für hohe Mehrkosten in der Landwirtschaft, verursachte die Trockenheit im Jahr zu vor die größten Schäden.

Neben der Land- und Forstwirtschaft bekommt vor allem auch der Tourismus die Folgen des Klimawandels zu spüren. Der Klima- und Energiefonds geht davon aus, dass bis zum Jahr 2050 Schäden in der Höhe von bis zu 8,8 Milliarden Euro durch den Klimawandel in Österreich entstehen werden. Um Schäden in dieser Dimension vorzubeugen, wurde in 20 Modellregionen ein Förderprogramm entwickelt, um besonders stark betroffenen Gemeinden unter die Arme zu greifen. Die Klimawandel-Anpassungsmodellregionen – kurz "KLAR" – sollen sich dadurch individuell auf die Auswirkungen des Klimawandels vorbereiten können. Für die Projekte, die 2020 evaluiert werden, stehen den Regionen bis zu 120.000 Euro zur Verfügung.

52-Jähriger in Bayern gestorben

Auch in Deutschland sorgten die Unwetter teils für Chaos, ein Mann kam dabei ums Leben. Der 52-Jährige wurde im bayerischen Garmisch-Partenkirchen vom Fluss Partnach mitgerissen, wie ein Polizeisprecher sagte. Rettungskräfte hatten zuvor mehrere Stunden im wegen Starkregens angeschwollenen Fluss nach dem Mann gesucht. (APA, 13.6.2018)