In den Diskussionen über das NGO-Schiff Aquarius, das nach der von Italiens Innenminister Matteo Salvini ausgesprochenen Landeverweigerung in den Häfen seines Landes nun in Richtung Valencia in Spanien schippert, kommt ein Aspekt erschreckend zu kurz: der humanitäre. Die Frage, was angesichts des harten italienischen Vorgehens künftig mit Menschen geschehen soll, die sich trotz der Flüchtlingsverhinderungsabkommen mit Libyen auf den gefährlichen Seeweg machen, blieb bisher unbeantwortet.

Stattdessen dominierten Wortmeldungen wie jene, ob Italien recht hat, wenn es sich als Staat mit EU-Außengrenzen vom europäischen Flüchtlingsfiasko hauptbetroffen sieht (Antwort: Es hat!). Das ist wenig hilfreich, denn jetzt kommt der Sommer, und auch wenn heuer auf dem Mittelmeer weniger Flüchtlinge als in den Vorjahren unterwegs sind, wird deren Zahl bald zunehmen.

Sollte Italien also bei seiner neuen, dem internationalen Seerecht widersprechenden Linie bleiben, drohen NGO-Schiffe, die Männern, Frauen und Kindern das Leben retten – zum Glück, aber wer weiß, wie lange sie das dann noch leisten können! –, vor Europas Gestaden künftig zu fliegenden Holländern zu verkommen. Und jedes Schiff ist dann für weitere Machtspiele zwischen rechtslastigen und anderen Regierungen im EU-Süden gut. Ohne Zweifel: Ein neuer Tiefpunkt im Umgang Europas mit der Flüchtlings- und Migrantenfrage steht knapp bevor. (Irene Brickner, 12.6.2018)