Frohnleiten – In der Steiermark könnte sich eine Umweltproblematik größeren Ausmaßes zusammenbrauen. Auf der Deponie in Frohnleiten nördlich von Graz dürfte jahrelang und tonnenweise Asbest – die Verwendung ist seit 2003 europaweit verboten – unsachgemäß und teilweise ungesichert gelagert worden sein. Frohnleiten hat grundsätzlich eine Genehmigung zur Lagerung von Asbest, jedoch nur unter strengen Anordnungen (abgegrenztes Lagerareal, lückenlose Abdeckung mit Erdmaterial etc.).
Als kürzlich ein diesbezügliches, anonymes Schreiben mit Details und Hinweisen auf die extreme Gesundheitsgefährdung für Anrainer und die auf der Deponie Arbeitenden aufgetaucht ist, brauchte die Landesregierung in Graz drei Tage, um ein Inspektionsteam in die 29 Kilometer entfernte Stadt zu schicken. Die vor Ort erhebende Amtssachverständige des Landes für Abfall- und Deponietechnik war auf der Deponie keine Unbekannte: Vor dem Wechsel in den Landesdienst war sie selbst Betriebsleiterin der Gemeindedeponie.
Kontaminiertes Material umgelagert
Die Deponieleitung soll jedenfalls nach der anonymen Anzeige, die an die Behörde, an Landeshauptmann Hermann Schützenhöfer (ÖVP) und den zuständigen Landesrat Anton Lang (SPÖ) ging, den Großteil des kontaminierten Materials mithilfe einer Entsorgungsfirma auf dem Gelände "umgelagert" haben. Deponie-Geschäftsführer Michael Überbacher stellt im Gespräch mit dem Standard alles in Abrede: "Es gibt keinen Umweltskandal. Es hat nie irgendeine Gefahr für die Anrainer oder die Arbeiter bestanden. Die Fotos mit den Asbestsäcken sind nur Momentaufnahmen. Wir arbeiten völlig gesetzeskonform."
Das betont auch Martin Eisenberger, Anwalt des Deponiebetreibers: "Es wird alles getan, um eine Freisetzung von Asbest zu verhindern. Es wird jeden Abend abgedeckt. Nichts passiert gesetzeswidrig." Es sei vor drei Monaten bei einem Arbeiter ein Lungenröntgen gemacht worden, alles sei in Ordnung gewesen. Dennoch hat die Umweltabteilung wegen einiger "Funde" ein Verwaltungsstrafverfahren eingeleitet. "Die Behörde hatte nur Zweifel, sonst nichts", sagt Eisenberger.
Nach den dem STANDARD vorliegenden Unterlagen und internen E-Mails dürfte sich die Sachlage allerdings einigermaßen dramatischer darstellen. Von einer "Momentaufnahme" kann kaum die Rede sein. Schon vor einem Jahr, im Juni 2017, wurde die Betriebsleitung in einem E-Mail "dringlichst" ersucht, "die seitens des Arbeitnehmerschutzes vorgeschriebenen Auflagen bezüglich der Lagerung von Asbestzement einzuhalten". Die Lagerung erfolge nämlich "offen, nicht abgedeckt". Den Arbeitern auf der Deponie wurde geraten, dass sie bei weiterer Belastungen durch Asbest "keine Arbeiten mehr verrichten und die Deponie sofort verlassen sollen, bis das Asbest vorschriftsmäßig gelagert wird".
"Große Vertuschungsaktion"
In einem anonymen Schreiben an den STANDARD beklagen Betroffene, dass "eine große Vertuschungsaktion gestartet" worden sei. "So wurde eine Baufirma beauftragt, die aufgebrochen Säcke wegzuschaffen und offensichtlich verschwinden zu lassen. Daraufhin wurde das Material vergraben, um eine saubere ordnungsgemäße Lagerung und Deponierung vorzugaukeln", heißt es. Das wahre Ausmaß des Umweltskandals sei noch gar nicht bekannt. Im Grunde müsste nun das gesamte Areal penibelst untersucht werden.
"Wir haben eh rasch reagiert", sagt die Umwelt-Abteilungsleiterin des Landes, Birgit Konecny. Sie habe die Alarmmeldung aber erst zwei Tage später auf den Tisch bekommen: "Dann sind wir schnell rauf." Dass ausgerechnet die ehemalige Deponie-Betriebsleiterin die Untersuchung führte, sei natürlich "suboptimal" gewesen, es sei an diesem Tag aber "keine andere Fachkraft greifbar gewesen". Aber: Es sei nun ohnehin ein Verwaltungsverfahren wegen einiger Funde eingeleitet worden. (Walter Müller, 13.6.2018)