Wien – Beeinflusst der Mensch das Klima – oder doch nicht? Die wissenschaftliche Erkenntnis zu der Frage ist klar, doch in der Öffentlichkeit ist das noch nicht so ganz angekommen, sagt der deutsche Klimaforscher Mojib Latif vom Geomar-Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung in Kiel, der am Montag an der Uni Wien einen Vortrag zum Thema "Herausforderung Klimawandel" hielt.

Zu kaum einem Thema kursieren so viele Halb-, und Unwahrheiten wie zum Klimawandel. Grund genug für die Universität Wien, im vergangenen Semester die Frage "Wie retten wir unser Kima?" zu stellen. Die "Semesterfrage", die die Uni Wien in Kooperation mit dem STANDARD seit 2016 zu einem gesellschaftlich bewegenden Thema formuliert, wendet sich an Wissenschafter, die dazu Beiträge aus verschiedenen Perspektiven veröffentlichen – und an die User, welche sie auf derStandard.at diskutieren.

"Die Alarmglocken sollten schrillen, aber wir haben keinen Sinn, der CO2 wahrnehmen kann", sagte Latif bei der Abschlussveranstaltung zur Semesterfrage. Dass wir Kohlenstoffemissionen nicht direkt spüren können, sei einer der Hauptgründe, warum das Klimaproblem so stiefmütterlich behandelt werde. Das Problem sei für viele Menschen zu abstrakt.

Video: Mojib Latif – Herausforderung Klimawandel.
Universität Wien

Wetterkapriolen

Dazu komme, dass Wetterkapriolen und die chaotische Entwicklung des Klimas weiter für Verwirrung sorgen. Zwar steigt die Erdtemperatur gemeinsam mit dem CO2-Gehalt, jedoch nicht gleichmäßig, sagte Latif. "Sie glauben gar nicht, wie viele E-Mails ich bekomme, wenn mal Schnee fällt." Zugleich werde es durch die Flut an Informationen und Falschinformationen im Internet für die Wissenschaft immer schwieriger, ihre Erkenntnisse der Öffentlichkeit zu vermitteln.

Dabei lebt die Menschheit ein großangelegtes geophysikalisches Experiment, zitierte Latif den Klimaforscher Roger Revelle – die Worte stammen aus dem Jahr 1957. Damals wie heute gilt: Niemand weiß, wie es ausgeht. Sicher ist jedoch: Der CO2-Gehalt in der Luft wird weiter steigen.

Zu spät für die Rettung

Die exakten Konsequenzen könne die Wissenschaft nicht mit hundertprozentiger Sicherheit vorhersagen, sagte Latif: "Aber so lange es ernstzunehmende Argumente dafür gibt, dass wir uns auf einem schlechten Weg befinden, muss das reichen." Denn irgendwann sei es zu spät und Katastrophen unabwendbar. Trotz umfassenden Erkenntnisstands und detaillierter Prognosen zeige sich die Welt bislang unfähig, etwas zu tun. Eine kohärente internationale Klimapolitik müsse her.

Lösungen gebe es zuhauf. Einen wichtigen Start sieht Latif etwa darin, Subventionen für konventionelle Energien zu stoppen. Schon allein das könne erneuerbaren Ressourcen zum Durchbruch verhelfen und die Energiewende einläuten. Deutschlands Erneuerbare-Energien-Gesetz von 2017 könne als Vorbild dienen. Jedoch brauche es für eine wirkliche Veränderung eine Bewegung aus der Gesellschaft heraus. Latif zeigt sich diesbezüglich optimistisch: "Irgendwann wird man einmal sagen: Es war doch eigentlich gar nicht so schwer." (Alicia Prager, 13.6.2018)