Bei Blasenschwäche wird zwischen Belastungsinkontinenz und Dranginkontinenz unterschieden.

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"Ich traue mich gar nicht mehr raus vor die Tür, weil ich Angst habe, dass Urin bis in meine Schuhe rinnt" – Sätze wie diesen hört Michaela Lechner, Oberärztin am Krankenhaus Göttlicher Heiland, oft von ihren Patienten. Rund 850.000 Österreicher sind von Inkontinenz betroffen, und zwar in nahezu jedem Alter.

Die zwei häufigsten Formen der Blasenschwäche sind Belastungsinkontinenz und Dranginkontinenz. Bei Ersterer ist der Schließmuskel der Blase bzw. des Beckenbodens verletzt oder geschwächt – die Betroffenen verlieren bei körperlichen Vorgängen wie Husten, Niesen oder auch Lachen Urin. Die Dranginkontinenz hingegen ist durch besonders häufigen, plötzlich auftretenden Harndrang gekennzeichnet – er kann so stark sein, dass Harn verloren wird, bevor die Betroffenen es auf die Toilette schaffen.

Ursachen der Inkontinenz sind unterschiedlich und geschlechtsabhängig. Die Belastungsinkontinenz tritt deutlich häufiger bei Frauen auf und hängt von Faktoren wie Alter, Geburten, Übergewicht etc. ab. "Vier von zehn Schwangeren haben mit Inkontinenz zu tun, aber auch nach der Schwangerschaft kämpfen noch 20 Prozent der Frauen damit", sagt der Gynäkologe Lothar Fuith. Ebenso sind Menopause, hormonelle Probleme oder auch eine Schwäche des Beckenbodens Faktoren. Bei Männern hingegen kommt diese Form der Blasenschwäche nur nach Prostata-Operationen und Verletzungen vor.

In der Nacht ein Problem

Von einer Dranginkontinenz sind Frauen jüngeren Alters öfter betroffen als Männer, während im zunehmenden Alter die Männer "aufholen" und das Problem gleich häufig bei beiden Geschlechtern auftritt. Die männliche Blase fasst im Durchschnitt 400 bis 600 Milliliter, bei Dranginkontinenz zwingt die Blase bereits schon mit 100 bis 200 Millilitern oder weniger auf die Toilette. Besonders für ältere Menschen ist das ein Problem: In der Nacht verdoppelt sich das Sturzrisiko und die Zahlen von Schenkelhalsfrakturen steigen dadurch dramatisch an, sagt Michael Rutkowski, Vorstandsmitglied der Medizinischen Kontingenzgesellschaft Österreich (MKÖ).

Präventiv können Menschen durch Gymnastik, vor allem durch Training der Beckenbodenmuskulatur, gegen das Leiden der Blasenschwäche angehen, so Lechner. Auch "ein ordentlicher Lebensstil bringt mehr als Präparate", sagte der Präsident der österreichischen Gesellschaft für Allgemein- und Familienmedizin (ÖGAM), Christoph Dachs.

Folgen der Tabuisierung

Am wichtigsten ist jedoch das Reden darüber: Inkontinenz ist immer noch ein Tabuthema. Der unkontrollierte Verlust an Urin- und Darminhalt ist Betroffenen besonders peinlich, so dass es oft Jahre dauert, bis sie sich Hilfe holen. Schwerwiegende Folgen der Tabuisierung sind Beziehungsprobleme, soziale Isolation und das Fernbleiben vom Job. Vor allem bei jungen Leuten, besonders Männern, treten diese Probleme vermehrt auf. Die Sexualität bleibe ebenso auf der Strecke.

Diese Konsequenzen vermindern die Lebensqualität, sagten die Mitglieder der MKÖ. Daher ist das Ziel, Betroffene aufzuklären und gegebenenfalls zu operieren, damit die Lebensqualität wieder steigt. Notwendig dafür sei vor allem gesellschaftliche Akzeptanz und das Reden über Inkontinenz. (APA, 14.6.2018)