Von den neuen Regelungen profitieren Arbeitgeber und Arbeitnehmer. Nach den Ankündigungen der Regierungsparteien ist der Zwölfstundentag nur auf freiwilliger Basis zulässig.

Foto: https://www.istockphoto.com/at/portfolio/anastasiia_new

Die Regierungsparteien ÖVP und FPÖ haben sich vor einigen Tagen auf eine weitere Flexibilisierung der Arbeitszeit geeinigt. Durch punktuelle Änderungen im Arbeitszeitgesetz soll der Zwölfstundentag ermöglicht werden. Auch wenn der Aufschrei bei SPÖ oder Gewerkschaft groß ist, so sind die geplanten Änderungen doch als harmlos zu bezeichnen. Von den neuen Regeln werden sowohl Arbeitgeber als auch Arbeitnehmer profitieren.

Normalarbeitszeit bleibt

Zunächst ist ein wesentlicher Punkt voranzustellen: Weder werden in Zukunft alle Arbeitnehmer jeden Tag zwölf Stunden arbeiten müssen, noch wird vom Achtstundentag als gesetzlicher Normalarbeitszeit abgerückt. Es wird auch keine Entgeltkürzungen geben. Gegenteilige Wortmeldungen sind schlichtweg falsch und beruhen auf einer verkürzten Darstellung der geplanten Neuregelung. Wie bisher darf grundsätzlich auch in Zukunft die tägliche Normalarbeitszeit acht Stunden und die wöchentliche Normalarbeitszeit 40 Stunden nicht überschreiten. An den kollektivvertraglichen Regelungen der Normalarbeitszeit, die nicht selten eine Verkürzung auf 38,5 oder sogar nur 38 Stunden wöchentlich vorsehen, wird ebenfalls nicht gerüttelt.

Nach diesem relativ starren Grundkonzept des Arbeitszeitgesetzes stellt jede über die Normalarbeitszeit hinausgehende Arbeitsleistung Überstundenarbeit dar. Überstunden sind mit Zuschlägen von 50 Prozent oder bei entsprechender Regelung im Kollektivvertrag von 100 Prozent abzugelten, und zwar entweder in Geld oder durch Zeitausgleich. Daran ändert sich nichts.

Entkriminalisierung

Die Regelungen im Arbeitszeitgesetz enthalten schon jetzt verschiedene Möglichkeiten, flexiblere Arbeitszeitmodelle zu vereinbaren. Dazu zählen etwa Durchrechnungsmodelle, Gleitzeitvereinbarungen oder die Viertagewoche, bei denen auch längere tägliche Arbeitszeiten von bis zu zehn Stunden zulässig sind, sofern im Durchschnitt die wöchentliche Normalarbeitszeit nicht überschritten wird. Arbeiten von mehr als zehn Stunden täglich sind derzeit jedoch nur in absoluten Ausnahmefällen oder Notsituationen zulässig, was Arbeitgeber nicht selten in schwierige Situationen bringt. Im Falle einer unzulässigen Überschreitung der täglichen oder wöchentlichen Arbeitszeithöchstgrenzen riskiert der Arbeitgeber nämlich Schwierigkeiten mit dem Arbeitsinspektorat und empfindliche Verwaltungsstrafen. Jedenfalls aber haben Arbeitnehmer selbst bei unzulässiger Überstundenarbeit Anspruch auf die entsprechenden Überstundenzuschläge.

Daran wird sich auch in Zukunft nichts ändern, jedoch erfolgt eine Entkriminalisierung durch Anhebung der zulässigen Höchstgrenzen der Arbeitszeit auf täglich zwölf und wöchentlich 60 Stunden. Das bedeutet zunächst lediglich, dass Arbeitgeber keine Verwaltungsstrafen mehr riskieren, sollte längeres Arbeiten notwendig sein. Wöchentlich dürfen jedoch nicht mehr als 20 Überstunden geleistet werden; außerdem ist selbst bei Vorliegen eines erhöhten Arbeitsbedarfs die durchschnittliche Wochenarbeitszeit auf 48 Stunden begrenzt.

Kein Zwang

Die neuen Regeln bedeuten aber nicht, dass Arbeitnehmer in jedem Fall gezwungen sind, auf Anweisung des Arbeitgebers bis zu zwölf Stunden zu arbeiten. Nach den Ankündigungen der Regierungsparteien ist der Zwölfstundentag nur auf freiwilliger Basis zulässig. Arbeitnehmer können Überstunden aus überwiegenden persönlichen Interessen ablehnen, wenn die Tagesarbeitszeit zehn Stunden oder die Wochenarbeitszeit 50 Stunden übersteigt. Überwiegende persönliche Interessen liegen zum Beispiel vor, wenn die Leistung von Überstunden wegen der Kinderbetreuung oder aus anderen familiären Gründen nicht möglich ist.

Eine sowohl für Arbeitnehmer als auch für Arbeitgeber positive Flexibilisierung bringt auch die Anhebung der täglichen Arbeitszeitgrenze bei Gleitzeitmodellen von bislang zehn auf zwölf Stunden an maximal fünf Tagen pro Woche. Gleitzeit bedeutet, dass Arbeitnehmer innerhalb bestimmter Grenzen Beginn und Ende ihrer täglichen Arbeitszeit selbst bestimmen können. Aufgrund dieser Zeitsouveränität können sie also an einzelnen Tagen länger, dafür an anderen Tagen kürzer arbeiten. Innerhalb des Durchrechnungszeitraums (der Gleitzeitperiode) darf freilich die wöchentliche Normalarbeitszeit (von zumeist ohnedies nur 38,5 Stunden) – wie schon bisher – im Durchschnitt nicht überschritten werden. Das bedeutet somit insbesondere für solche Arbeitnehmer, die flexibel arbeiten und sich ihre Arbeitszeit weitgehend selbst einteilen wollen, dass sie den sprichwörtlichen Bleistift nicht mit Ablauf der zehnten Stunden fallen lassen müssen, selbst wenn sie zum Beispiel an einem dringenden Projekt arbeiten. Als Ausgleich für den (freiwilligen) längeren Arbeitstag können sie an anderen Tagen kürzer arbeiten, um dadurch etwa ihr Wochenende zu verlängern.

Modernes Arbeitsleben

Auch wenn aus Sicht der Arbeitgeber weitere Flexibilisierungsmöglichkeiten wünschenswert gewesen wären, sind die neuen Regelungen zumindest ein erster wichtiger Schritt in Richtung der längst überfälligen Anpassung des starren Arbeitszeitregimes an das moderne Arbeitsleben.

Von einem "Raubzug gegen die Gesundheit und die Geldbörsen" – wie es ÖGB-Chef Wolfgang Katzian formuliert – kann vor allem im Hinblick auf unveränderte Normalarbeitszeiten und Überstundenzuschläge keine Rede sein. Die von der Gewerkschaft geforderte sechste Urlaubswoche für alle wäre ein viel gravierender "Raubzug" gegen die zahlreichen Klein- und Familienbetriebe, die hunderttausende Arbeitsplätze sichern und unsere Wirtschaft stützen. (Oliver Walther, 15.6.2018)