Bukarest – In Rumänien soll es schon kommende Woche zu einem Amtsenthebungsverfahren der regierenden Sozialisten (PSD) und ihres linksliberalen Koalitionspartners (ALDE) gegen Staatspräsident Klaus Johannis kommen. Die beiden wichtigsten Oppositionsparteien sind alarmiert und werfen der Regierung vor, zum Zwecke des Machterhalts sogar soziale Unruhen in Kauf zu nehmen.

Der Chef der oppositionellen Liberalen (PNL), Ludovic Orban, sagte am Donnerstagabend in einer Pressekonferenz, man habe von Kollegen der Parlamentsmehrheit erfahren, dass "mit sehr großer Wahrscheinlichkeit" schon kommende Woche das wiederholt angedrohte Amtsenthebungsverfahren gegen Johannis eingeleitet werde. Nach Johannis' Suspendierung und der kommissarischen Amtsübernahme durch Senats- und ALDE-Chef Calin Popescu Tariceanu sollen Staatsanwaltschaften und Geheimdienste durch die Absetzung ihrer gegenwärtigen Chefs "gefügig" gemacht werden, so Orban. Tariceanu werde dann die hochumstrittene Justiz- und Strafrechtsnovelle unterzeichnen, deren Inkrafftreten Johannis bisher durch Verfassungsbeschwerden hinausgezögert hatte, so der Liberalenchef.

"Gewissen prüfen"

Der vorbestrafte Chef der Regierungspartei PSD, Liviu Dragnea, sei angesichts des nahenden Urteils in seinem zweiten Korruptionsverfahren offenkundig derart verzweifelt, dass er gewillt sei, erhebliche "soziale Unruhen" in Kauf zu nehmen, um so indirekt auch den Druck auf die Gerichtsinstanz zu erhöhen. Der "Dragnea-Clan" sei bereit, "das ganze Land in Brand zu stecken", zeigte sich Orban empört. Er appelliere daher an alle PSD-Abgeordneten, ihr "Gewissen zu prüfen" und ihrem Parteichef diesmal den Gehorsam zum Wohle des Landes zu verweigern.

Der Chef der bürgerlichen USR, Dan Barna, sagte seinerseits, dass seine Partei alles in ihrer Macht Stehende tun werde, um "Dragneas Putschversuch" zu vereiteln. Man werde mit allen Parlamentsfraktionen verhandeln, einschließlich der PSD und ALDE, um sie von der "Sinnlosigkeit dieses undemokratischen und verfassungswidrigen Vorhabens" zu überzeugen, dass Rumänien "ausschließlich Chaos und Spaltung bescheren kann".

Laut rumänischen Medien könnte das Amtsenthebungsverfahren gegen Präsident Johannis Mittwoch (20. Juni) anlässlich einer bereits anberaumten Plenarsitzung der Legislative losgetreten werden. Das bereits zweimal vertagte Urteil in Dragneas Prozess wird tags darauf, am 21. Juni, erwartet.

Was genau Johannis vorgeworfen werden könnte, ist zurzeit völlig unklar. Der Presse zufolge dürfte die aus PSD-Sicht nicht schnell genug erfolgte Umsetzung des Urteils des Verfassungsgerichts (VG) bezüglich der zwingenden Absetzung der obersten Korruptionsjägerin Laura Kövesi Grund genug dafür sein, obwohl das Gericht dem Staatsoberhaupt diesbezüglich keine Frist gesetzt hatte. Es wäre bereits das dritte Amtsenthebungsverfahren, das die PSD binnen kaum elf Jahren gegen ein Staatsoberhaupt lostritt. Ihre ersten beiden Vorstöße scheiterten kläglich. (APA, 15.6.2018)