STANDARD: Wir hatten den heißesten Mai seit Menschengedenken. Was bedeutet der Klimawandel für die Tourismusministerin, was für die Landwirtschaftsministerin?
Köstinger: Für den Tourismus war der Mai gut und auch der Winter heuer extrem positiv, weil es sehr früh geschneit hat, und somit war die Saison um einiges länger als in der Vergangenheit. Aber wir sehen, speziell in der Landwirtschaft, dass die Auswirkungen extrem negativ sind. Wir haben heuer durch dieses heiße Frühjahr einen massiven Schädlingsdruck. Der Rüsselkäfer hat uns zehntausend Hektar Zuckerrüben vernichtet, und der Borkenkäfer vernichtet uns gerade Millionen Festmeter Holz.
STANDARD: Kann man mit dem Klimawandel zu leben lernen?
Köstinger: Auf der einen Seite werden wir es müssen – wir haben ja Regionen, die versuchen, die Saisonen zu verlagern. Die schauen, dass sie beispielsweise stärker auf Mountainbiketourismus setzen, also Aktivtourismus. Andererseits haben wir mit der Klima- und Energiestrategie festgelegt, dass wir in Österreich sehr ehrgeizig vorgehen, um den CO2-Ausstoß zu reduzieren.
Biergärten profitieren vom Klimawandel
STANDARD: Wie spüren die Wirte den Klimawandel? Mit Ihrem Lokal in der Linzer Innenstadt sind Sie doch quasi einer der Profiteure dieses Klimawandels.
Hager: Du kannst es ja nicht ändern – und für den Biergarten ist das sensationell: Wir haben seit Ostern Biergartenwetter. Das Wetter ist jetzt beständiger als früher – auch wenn es mehr Gewitter gibt. Was bisher viele Touristen abgehalten hat, nach Österreich zu fahren, war die Wetterunbeständigkeit. Das ist besser geworden. Ich habe Gott sei Dank einen Biergarten in der Stadt. Wer keinen Schanigarten hat, ist in der Gastronomie ganz arm dran.
STANDARD: Aber die längere Saison ist ein rarer Lichtblick für die Gastronomie?
Hager: Was macht den österreichischen Tourismus aus? Das ist österreichische Gastronomie. Also heimische Gastronomie. Wenn ich nicht mehr zum Heurigen gehen kann, nicht mehr in die Almhütte, das Wirtshaus, die Skihütten, dann gibt es als Alternative fast nur Systeme – da sind fast alle Systeme weltweit gleich. Landwirtschaft und österreichische Gastronomie sind aufeinander angewiesen. Es gibt aber nur knapp 10.000 klassische österreichische Wirtshäuser. Und die hat man generalstabsmäßig in die Zange genommen. Zuerst mit dem Argument, man braucht Steuern, dann eine noch nie dagewesene Finanzhetze. Jetzt haben sie zehntausende Wirtshäuser ruiniert, immer mit dem Vorwand, sie hätten schwarz verdient. Wenn der Wirt nicht mehr überleben kann, weil er keine Gewinne machen kann, dann macht er halt etwas schwarz.
Kriminalisieren von Gastronomen
STANDARD: Aber Schwarzgeschäfte kann man nicht gutheißen, oder?
Köstinger: Nein, aber das generelle, pauschalisierte Kriminalisieren auch nicht.
Hager: Wir hören es ja dauernd: "Die Wirte sind alle Ausbeuter, böse Unternehmer, bla, bla, bla."
Köstinger: Das ist wieder etwas anderes. Das ist ein Versuch eines Wiederauflebens eines Klassenkampfs, den wir eigentlich in den Siebzigerjahren schon überwunden hatten. Ich glaube, dass kein Unternehmer heute mehr gegen seine Mitarbeiter irgendwie ein Geschäft machen kann. Was in den letzten Jahren passiert ist: Man hat versucht, auf Kosten der Wirte viel mehr einzutreiben als im System drinnen war. Und das hat zu berechtigter Verärgerung geführt. Das war im Steuerbereich, also speziell die Anhebung der Umsatzsteuer. Das war die Registrierkasse, es war die Diskussion permanent ums Rauchen. Der Sektor hat nie eine Möglichkeit gehabt, sich jetzt wirklich mal darauf zu verlassen, das etwas, das gesagt wird, länger hält.
Hager: Wann fangt ihr an, die Bürokratie abzubauen? Dass wir aufschreiben müssen, wie lange Zeit der Lehrling im Raucherbereich arbeitet – das will die Gewerkschaft.
Bürokratieabbau zentral für die Regierung
Köstinger: Das ist die Gewerkschaftsforderung, das kann man nicht der Regierung umhängen. Das Bürokratiethema ist absolut wichtig, und da gibt es ja auch speziell von Josef Moser, der dafür in der Regierung verantwortlich ist, jetzt schon einiges dazu, wo wirklich geschaut wird, wo kann da massiv ausgemistet werden und wo kann da auch sehr oft ein sinnloses Regelwerk einfach wieder abgeschafft werden. Was ich jetzt sehr oft von den Wirten höre, ist die Zeiterfassung, die man machen muss. Und wie schnell das abgestraft wird, weil oft auch der Mitarbeiter selbst vergisst, das einzutragen, wann er auf Mittagspause geht. Da braucht es wirklich ein System der Verhältnismäßigkeit.
STANDARD: Wobei die Arbeitnehmerseite natürlich fürchtet, dass Überstunden geleistet werden, die nicht aufgeschrieben werden und die nicht gezahlt werden oder nicht gezahlt werden können.
Köstinger: Dass es korrekt sein muss, das steht eh außer Frage. Was ja vor allem den Gastronomen sauer aufstößt, ist diese Unverhältnismäßigkeit. Auch der Strafen und des gesamten Systems, wie es aufgebaut ist. Aber wie das zum Teil von der Arbeitnehmervertretung dargestellt wird, entspricht nicht der Wahrheit. Wenn Unternehmer auf Kosten ihrer Mitarbeiter agieren, dann muss das natürlich sanktioniert werden. Auch das Thema der Allergene ist ja in Österreich sehr überbordend umgesetzt worden. Die europäische Verordnung hat das bei weitem nicht ausgesagt, was in Österreich dann in der Umsetzung war. Die haben sich noch abgefeiert dafür, dass sie so weit über das Ziel hinausgeschossen sind. Ich glaube, dass es sehr wichtig sein wird, dass man diese Individualität, die der Herr Hager auch angesprochen hat, wirklich zulässt. Das hat auch mit der Landwirtschaft zu tun. Denn ein weiterer Schwerpunkt, den wir auch in unserem Masterplan Tourismus haben, ist die verstärkte Vernetzung zwischen Gastronomie, Kulinarik und der Landwirtschaft.
Spitzengastronomie nützt Landwirtschaft
STANDARD: Wie schauen wir damit auf dem Weltmarkt aus?
Köstinger: Da heben wir uns ja ab. Das sehen wir auch in der Landwirtschaft. Am schwierigsten haben es die Betriebe, die in der Masse produzieren, weil die sind davon abhängig, dass ein Großer den Preis und die Menge und die Qualität diktiert. Wir haben beste Erfolge im Bereich der direkten Vermarktung in Österreich. Und die haben sich natürlich auch von den Marktpreisen entkoppelt. Dort, wo beispielsweise der Bregenzerwälder Bergkäse produziert wird, dort kriegen die Bauern natürlich auch einen besseren Preis dafür gezahlt. So gesehen heben die sich von der globalen Abwärtsspirale im Preistrend massiv ab. Nur müssen natürlich auch der Wirt, der Gastronom und der Tourismusbetrieb genügend Gewinn erzielen können, damit sie sich das auch leisten können.
Hager: Vielleicht haben wir noch eine Chance, dass wir vier oder fünf Prozent Gewinn haben können. Dann würde sich Gastronomie wieder rechnen. Da hoffe ich auf euch.
Köstinger: Was unser oberstes Ziel ist, ist die Entlastung. Herr Hager hat das jetzt zu Recht angesprochen, die Abgabenlast in Österreich ist einfach zu hoch. Und da wird im Hinblick auf die Steuerreform 2020 schon sehr intensiv gearbeitet. Die Umsatzsteuersenkung für Beherbergungsbetriebe war ein erstes, wirklich ein klares Signal, dass es uns ernst ist. (INTERVIEW: Conrad Seidl, 16.6.2018)