"Für Fußball hatte ich Talent und habe mir den Rest antrainiert", sagt Hans Krankl. "Als Sänger bin ich, wie ich bin."

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21. Juni 1978: Pezzey, Krieger, Hickersberger und Strasser jubeln mit Krankl.

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Standard: Achtung, Scherz: Wissen Sie noch, was Sie am 21. Juni 1978 gemacht haben?

Krankl: Ja, ich glaube, wir haben in Córdoba gespielt. Da gerade ein Match zwischen Österreich und Deutschland war, werde ich daran oft erinnert. Außerdem haben wir am 21. Juni 2018 im Wiener Metropol ein Córdoba-Konzert, daher ist mir das bekannt.

Standard: Können Sie das Wort Córdoba überhaupt noch hören?

Krankl: Jetzt umso mehr. Weil es viele neidige Menschen gibt, die das abtun wollen. Okay, zwischendurch hat es auch mich genervt. Aber Córdoba ist ein Stück österreichische Fußballgeschichte, nicht mehr, nicht weniger. Das wird immer so sein. Ein 2:1 in Klagenfurt ändert nichts daran.

Standard: Ist der Mythos für Sie nachvollziehbar?

Krankl: Ich kann ihn nachvollziehen, weil es außergewöhnlich war. So wie der Olympiasieg von Franz Klammer 1976, so wie der erste WM-Titel von Niki Lauda. Es war etwas Großes, bei einer WM die Deutschen zu schlagen. Das kommt selten vor, eigentlich nie.

Standard: War es für Sie persönlich ein Segen oder auch ein Fluch?

Krankl: Es war niemals ein Fluch. Über Córdoba kann man nur gut reden, weil es etwas Wunderschönes war. Manchmal sind Wunder möglich, es war die klassische David-und-Goliath-Geschichte.

Standard: Was wäre aus Ihnen ohne Córdoba geworden?

Krankl: Dasselbe. Ich habe zwei wunderschöne Tore geschossen. Zwei, nicht eines. Das war's. Ich bilde mir nichts ein. Ich bin stolz, Teil dieser tollen Mannschaft gewesen zu sein. Lauter Ausnahmespieler. Jede Generation soll von sich glauben, sie ist die beste, das ist okay, ich sage es auch.

Standard: Angeblich war das Team frustriert und zerstritten. 0:1 gegen Italien, 1:5 gegen die Niederlande, insofern ging es gegen Deutschland maximal um die Ehre.

Krankl: Unsinn, wir waren nicht frustriert. Wir haben Spanien und Schweden geschlagen, gewannen die Gruppe vor Brasilien, Spanien und Schweden. Ich wiederhole: vor Brasilien, Spanien und Schweden. Das muss man einem jungen Menschen erst einmal sagen. Spanien und Schweden sind heimgefahren.

Standard: Sie waren nach dem 3:2 der Hansi-Burli, ein Volksheld, hatten sich die Latte selbst hoch gelegt. Hatten Sie Angst, am Hansi-Burli zu scheitern?

Krankl: Nie. Ich hatte immer genug Selbstvertrauen, wusste, was ich kann. Habe ich bei Rapid oder Barcelona einmal keine Tore geschossen, dann war ich nichts. Habe ich dann dreimal getroffen, war ich der Beste. Mein Vater hat als Erster mein Talent erkannt, alle meine Trainer und ich selbst haben immer viel getan, damit ich besser werde. Für mein Spezialtraining als Mittelstürmer habe ich alles gegeben, da war ich gnadenlos. Vom Talent allein kannst du dir nichts kaufen, das war mir bewusst. Ich wollte immer Tore schießen, ich war fokussiert, ich war narrisch darauf.

Standard: Zur Gegenwart: Neymar kostete 222 Millionen Euro, Sie wechselten 1978 um 13 Millionen Schilling von Rapid zu Barcelona. Der Vergleich hinkt leicht, aber die Entwicklung ist schon aberwitzig, oder?

Krankl: Die Fußballwelt ist ein bisserl krank geworden, die Summen sind ein Wahnsinn. Aber das ist der Lauf der Zeit, das ist auch nicht zu stoppen. Es gibt Messi, Ronaldo oder Neymar, die aus der Reihe tanzen. Der Fußball hat sich zur finanziellen Cashcow entwickelt. Geld sollte nicht das Wichtigste sein, aber wenn ich die drei sehe, ist es mir wurscht, ob das Multimillionäre oder Multimilliardäre sind. Ich sehe ihr Können, die Freude, die Technik, mit der sie den Ball behandeln, da geht mir das Herz auf. Ich bin nicht neidig.

Standard: Als Trainer konnten Sie nicht an die Erfolge anknüpfen.

Krankl: Das ist richtig.

Standard: Warum?

Krankl: Weil die Leute immer Wunderdinge erwartet haben, die ich nicht erfüllen konnte. Wo ich hingekommen bin, wollten sie Meister werden, nicht absteigen oder was weiß ich. Man hat Vertrauen in mich gesetzt, das hat mich geehrt. Aber der Trainer ist immer nur so gut wie seine Mannschaft. Mit manchen kleinen Vereinen sind mir ganz gute Dinge gelungen, mehr war es nicht, ich wurde meinen eigenen Ansprüchen nicht gerecht. Ich wollte wirklich in Europa bei einem guten Klub Trainer sein, aber ich bin gescheitert. Dort, wo ich hinwollte, bin ich nie hingekommen. Das ist mein Eigenverschulden, ich habe mich schlecht präsentiert. Das nehme ich zur Kenntnis. Vor zehn Jahren habe ich einen Schlussstrich gezogen, es hat eh lange gedauert. Ich habe eingesehen, dass man nicht auf mich wartet. Das ist okay.

Standard: Sie treten als Sänger auf. Ist die Musik ein Ersatz für den Fußball?

Krankl: Wahrscheinlich ja.

Standard: Was sind die wesentlichen Unterschiede zwischen einer Konzertbühne und einem Fußballstadion? Ist der Sänger Johann K. aufgeregter, als es der Kicker Hans Krankl war?

Krankl: Natürlich. Ich habe als junger Bursch in Bands gesungen. Jetzt trete ich mit meinen Freunden von Monti Beton auf, die kenne ich seit mehr als 20 Jahren. Die Konzertbühne ist total gleich und auch ganz anders. Du präsentierst dich dem Publikum, musst dein Bestes geben, damit die Leute eine Freude haben. Das habe ich in mir drinnen, das kommt vom Fußballspielen, das ist ein Vorteil. Der Nachteil ist, dass ich für Fußball Talent hatte und mir den Rest antrainieren konnte. Als Sänger bin ich so, wie ich bin. Da bin ich aufgeregter, nervöser, es ist eine extreme Herausforderung. Ich bin näher am Publikum und verwundbarer. Fußball war mein Leben, Musik ist mein Hobby, meine Liebe. Ich gehe bei Livekonzerten ans Limit. Was mir hilft, ist die Gabe des Schmähführens.

Standard: Angst vor 2028, wenn 50 Jahre Córdoba gefeiert wird?

Krankl: Nein, im Gegenteil, ich freue mich schon sehr darauf. Dann bin ich 75, eigentlich schrecklich. (Christian Hackl, 16.2018)