Von zwei Tests gegen EM-Gruppengegner Ungarn ging eine knapp verloren, die andere konnte gewonnen werden.

Foto: Ungarischer Rugbyverband/Gabriella Kraus

Österreichs Nationalteam und Coach Eva Gerstl (rechts hinten) wollen auch weiterhin in der Erfolgsspur bleiben.

Foto: Laura Wunsch

Wien – Dass sich der Erfolg so früh einstellte, war nicht zu erwarten. Vor etwa einem Jahr belegte Österreichs Rugbynationalteam der Frauen bei der Europameisterschaft Platz zwei und stieg in die 7s-Trophy auf. Das ist, man lese und staune, das kontinentalweit zweithöchste Level. Eine Stufe darüber werken nur noch absolute Rugby-Schwergewichte wie England, Frankreich oder Irland.

Obwohl als Ziel eigentlich ein Endrang unter den besten fünf ausgegeben worden war, herrschte im Lager der Österreicherinnen angesichts der Übererfüllung des Plans natürlich keinerlei Enttäuschung. Nach der Freude aber kam die Herausforderung. "Es war klar, dass wir heuer zwei Turnier-Wochenenden ausfinanzieren müssen, also das doppelte im Vergleich zum letzten Jahr brauchen werden", sagte Teamchefin Eva Gerstl dem STANDARD. Der etwas befremdliche Modus sieht nämlich vor, dass die EM auf Trophy-Niveau in zwei Etappen ausgespielt wird. Die erste findet am 23. und 24. Juni im ukrainischen Dnipro statt, die zweite danach im ungarischen Szeged (30. Juni, 1. Juli). Aus den Resultaten beider Turniere, bei denen zwölf Teams gegeneinander antreten, wird dann die schlussendliche Platzierung ermittelt.

Crowdfunding soll helfen

Das Problem: die Höhe der Zuwendung aus dem Topf der kürzlich neu geregelten Bundessportförderung, von der der kleine österreichische Rugbyverband vollständig abhängt, blieb dieselbe. Somit, da ist das Milchmädchen unerbittlich, blieb für die EM-Vorbereitung des Nationalteams nichts mehr übrig. Eine Crowdfunding-Kampagne wurde gestartet, damit die Teamspielerinnen die entstehenden Kosten nicht vollständig aus eigener Tasche tragen müssen. Von Fantastilliarden ist übrigens nicht die Rede. Die Zielsumme beträgt 6.600 Euro, bewegt sich also in Bereichen, die für diverse Stars des modernen Sportbusiness einen Sekundenlohn darstellen. Bisher konnte etwas mehr als die Hälfte davon aufgebracht werden.

Irritieren ließen sich die Sportlerinnen, allesamt Amateure, von den Nebengeräuschen ohnehin nicht. Sie seien, sagt Gerstl, bereit, sehr viel dafür zu geben, um langfristig vielleicht sogar ganz oben anzuklopfen. Neben den Trainingscamps im Rugby-Leistungszentrum Atzgersdorf, waren Testmatches ein wichtiger Faktor im Anlauf zur EM. "Rugby ist eine Sportart, die du spielen musst. Das ist extrem wichtig, um weiterzukommen.", sagt Gerstl. Dafür wurden Auslandsreisen nötig, was auch wieder ins Geld ging. Besonders ein Einladungsturnier in Bonn erwies sich als aufschlussreich, da auch die EM-Gruppengegner Schweden und Finnland daran teilnahmen. Bis dahin fehlten dem Team solche Standortbestimmungen. Ein Vergleich mit Ungarns Auswahl ging sich ebenfalls aus, womit frau sich auch an die dritte Hürde von Dnipro herantasten konnte. Dort wartet, glaubt man der Papierform, die größte Herausforderung mit den topgesetzten Schwedinnen wohl bereits im Auftaktspiel.

Eine Generation wie keine andere

Teamchefin Gerstl ist überzeugt, ein stärkeres und fitteres Ensemble denn je zur Verfügung zu haben: Es sei dies eine Generation von Spielerinnen, die so viel in ihren Sport investieren, wie noch keine davor. "Wir sind eine eingeschworene Gruppe, die schon die dritte Saison zusammen bestreitet, sich gegenseitig pusht und unterstützt." Österreich wird eine also gut eingespielte Startformation aufbieten können, auch die Bank ist gut besetzt. Ein wichtiger Entwicklungsschritt war es in diesem Zusammenhang, dass sich neben Wien auch Graz und Innsbruck als stabile Standorte des Frauenrugby etabliert haben. Da sich auch die Datenlage hinsichtlich der Gegnerinnenschaft diesmal solide darstellt, sollte sich die Anzahl potenzieller Überraschungsmomente in Grenzen halten.

Wie dem auch sei: Der letzte Feinschliff wurde gegeben, nach einer Regenerationsphase steht dem Turnierstart am Wochenende nichts mehr im Weg. Bei der Anreise in die Ukraine wurde ein Puffertag eingeplant, um mit Beschwernissen (ein Direktflug nach Dnipro ist nicht leistbar) und Zeitumstellung möglichst klar zu kommen. Die Zimmer in einem der vom ukrainischen Verband zur Verfügung gestellten Hotels sind gebucht, es kommt dabei das Prinzip zur Anwendung: Wer zuerst kommt, mahlt zuerst. Details der Verhältnisse stellen sich erst vor Ort heraus, das gilt auch für Art und Zustand des Spielfeldes. Ein gerüttelt Maß an Abenteuerlust, Flexibilität und Gelassenheit gehört also auch zum Anforderungsprofil einer Rugby-Nationalspielerin. "Wir gehen ins Turnier wie immer, denken von Spiel zu Spiel und schauen, was dabei herauskommt", sagt Gerstl. Sollte es der Klassenerhalt sein, wird Zufriedenheit herrschen. (Michael Robausch, 18.6.2018)