Bild nicht mehr verfügbar.

Horst Seehofer (CSU) und Angela Merkel (CDU) müssen sich zusammenraufen. Gelingt dies nicht, könnte der Innenminister allein die Zurückweisung von Flüchtlingen an der Grenze anordnen.

Foto: Reuters/Michele Tantussi

Berlin/Brüssel – Liest man die Aussagen von Innenminister und CSU-Chef Horst Seehofer in der "Bild am Sonntag" (BamS), dann ist die Lage gar nicht so schlimm. "Niemand in der CSU hat Interesse, die Kanzlerin zu stürzen, die CDU/CSU-Fraktionsgemeinschaft aufzulösen oder die Koalition zu sprengen", sagt er.

Doch eine Lösung im Streit, der die beiden Schwesterparteien seit Tagen blockiert, war am Wochenende noch nicht in Sicht. Die CSU beharrt darauf, Flüchtlinge, die bereits in einem anderen EU-Staat registriert wurden, künftig schon an der Grenze zurückzuweisen.

Die deutsche Kanzlerin Angela Merkel hingegen will eine europäische Lösung finden. Das betonte sie am Wochenende auch noch einmal in ihrem Podcast, als sie zum Thema Migration sagte: "Das ist eine europäische Herausforderung, die auch eine europäische Antwort braucht."

"Kann mit der Frau nicht mehr arbeiten"

Im CSU-Führungskreis allerdings soll sich Seehofer sehr skeptisch über eine weitere Zusammenarbeit mit Merkel geäußert haben. "Ich kann mit der Frau nicht mehr arbeiten", soll er nach einem Bericht der "Welt am Sonntag" zweimal gesagt haben. Doch es gibt – hinter den Kulissen – offenbar heftige Bestrebungen, die Kuh doch noch vom Eis zu bekommen und die Situation nicht völlig eskalieren zu lassen. So bemüht sich Merkel noch vor dem regulären EU-Gipfel am 28. und 29. Juni um ein Sondertreffen mit einigen ausgewählten Teilnehmern, die von der Problematik besonders betroffen sind.

Im Blick hat Merkel dabei Österreich, Griechenland und Italien. Der neue italienische Premier Giuseppe Conte kommt am Montag um Antrittsbesuch zu ihr nach Berlin. Dabei wird es auch um die Frage von Rücknahmeabkommen gehen. Denn viele der in Deutschland ankommenden Flüchtlinge sind etwa in Italien registriert, sodass ihr Asylverfahren nach den sogenannten Dublin-Regeln eigentlich dort stattfinden müsste.

Treffen mit Macron

Am Dienstag findet im brandenburgischen Schloss Meseberg ein lange geplanter deutsch-französischer Ministerrat statt, Präsident Emmanuel Macron ist auch dabei. Bei der Gelegenheit wollte Merkel ursprünglich über die Reform der Eurozone beraten. Laut dem französischen Finanzminister Bruno Le Maire ist man nahe an einer Einigung, es gehe nur noch um zwei, drei Punkte. Allerdings wird das Thema Flüchtlinge in Meseberg auch eine große Rolle spielen.

Nicht nur in Berlin, auch in den anderen Hauptstädten wie Brüssel, Wien und Budapest laufen die Vorbereitungen zu einem Minimigrationsgipfel einer Gruppe "williger EU-Staaten" am kommenden Wochenende inzwischen auf Hochtouren. "Es geht darum, die EU-Grenzschutzbehörde Frontex zu stärken, sie mit einem erweiterten Mandat auszustatten", erklärte ein mit den Vorgängen vertrauter Mitarbeiter. Die "Frage der Abweisung von Asylwerbern, die bereits in einem anderen EU-Land um Asyl angesucht haben", stehe an, also die Problematik von "Grenzkontrollen an der EU-Außengrenze wie innerhalb der Union".

"Gipfel" in Wien möglich

Auch Kanzler Sebastian Kurz drängt auf eine rasche Lösung. Er wird Mitte der Woche nach Budapest reisen, um mit den vier Visegrád-Staaten – Ungarn, Tschechien, Slowakei und Polen – auszuloten, inwieweit diese mitziehen können. Am Freitag wird der ständige EU-Ratspräsident Donald Tusk in Wien erwartet. Ob der eigene Migrationsgipfel in Berlin oder möglicherweise in Wien stattfindet, ist derzeit offen.

Vorbild könnte ein Format sein, das Ex-Kanzler Christian Kern im September erfolgreich über die Bühne gebracht hatte, als Merkel und der ungarische Premier Viktor Orbán nach Wien kamen, um mit den Balkanstaaten die Möglichkeiten für eine verstärkte Zusammenarbeit in Sachen Migration und Asyl auszuloten. (Birgit Baumann, Thomas Mayer, 17.6.2018)