Ein typischer Spielstein, wie sie im 6. Jahrhundert massenhaft aus Walknochen hergestellt wurden. Gefunden wurde er im schwedischen Gnistahögen, also weit von der Atlantikküse entfernt.
Foto: Bengt Backlund/Rudolf Gustavsson

Uppsala – Der Walfang, seit Jahrtausenden in verschiedenen Regionen der Welt betrieben, nahm im 19. Jahrhundert eine Wende ins ökologisch Katastrophale, als in zunehmender Zahl Fangschiffe aufbrachen, um Wale auch auf hoher See zu töten. Davor waren Walfänger nur in Küstennähe in Booten unterwegs gewesen. Die Auswirkungen dieses Walfangs im kleinen Stil auf die Bestände sind nur schwer zu rekonstruieren – zumal meist nicht bekannt ist, wie oft solche Waljagden stattfanden.

Nun melden Forscher der schwedischen Universität Uppsala, dass man den Beginn des systematischen Walfangs im großen Stil wohl um einiges zurückdatieren werde müsse. Im Norden Skandinaviens sei ein entsprechender Wirtschaftszweig bereits im 6. Jahrhundert aufgeblüht.

Spiele sind gefährlich

Als Indiz dafür werten sie, dass im Frühmittelalter aus Walknochen Spielsteine für Brettspiele angefertigt wurden. Schwedische Museen haben tausende solcher Spielsteine in ihrem Fundus: Sie wurden damals offenbar in großer Zahl und in standardisierter Form hergestellt. Die meisten davon bestehen aus Walknochen, wie Analysen ergaben. Und die Hersteller hätten sich wohl nicht mit dem Ergebnis zufällig stattgefundener Jagden begnügt, sondern auf einen regelmäßigen Nachschub an Rohmaterial geachtet, glauben die Forscher um Andreas Hennius.

Die Struktur des Knochengewebes zeigt, dass der Spielstein auf einen Atlantischen Nordkaper zurückgeht. Darunter zum Vergleich Knochenmaterial eines Minkewals.
Foto: Bengt Backlund/Rudolf Gustavsson

Massenspektrometrische Untersuchungen zeigten zudem, dass sie in erster Linie vom Atlantischen Nordkaper (Eubalaena glacialis) stammen. Der hatte die für Jäger angenehmen Eigenschaften, nahe an der Küste zu schwimmen und nach seinem Tod wegen seines extrem hohen Fettgehalts an der Oberfläche zu treiben. Und mit einem Gewicht von bis zu 100 Tonnen ist ein Nordkaper wesentlich ergiebiger als die heute noch in Norwegen gejagten Minkewale.

Die neuen Erkenntnisse würden sich laut den Forschern nicht nur mit frühmittelalterlichen Aufzeichnungen decken, deren Angaben bisher angezweifelt wurden. In dieser frühen Phase großangelegten Walfangs sei auch die Infrastruktur an den Küsten Nordskandinaviens – etwa Bootshäuser oder Verarbeitungsstätten für Walfett – stark angewachsen. Noch bevor dort richtige Städte entstanden, sei die Region damit Ausgangspunkt eines Handelsnetzes geworden, das sich weit nach Süden erstreckte und Produkte aus dem Meer wie die Spielsteine in Umlauf brachte. (red, 24. 6. 2018)