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Den ORF weniger beschränken: Das wünscht sich Andrea Grisold, Vorsitzende des Public-Value-Beirats.

Foto: Reuters / Bader

Wien – Der ORF soll mehr und nicht weniger aktiv auf den Sozialen Medien sein – das fordert der Public-Value-Beirat in einer Stellungnahme zur Neudefinition des ORF-Gesetzes. "Der ORF ist vom Gesetz her sehr beschränkt, was er in den neuen digitalen Medien darf", sagt Andrea Grisold, Vorsitzende des Beirats im STANDARD-Interview. "Das sehen wir vom Public-Value-Beirat als große Schwäche, weil er das junge Publikum nicht mehr adäquat ansprechen kann."

Ganz konkret gehe es um eigene Social-Media-Formate, die das ORF-Gesetz momentan verbietet. Das führt dazu, dass die die im Hochformat produzierte ZIB 100 zuerst auf ORF 3 ausgestrahlt werden muss, bevor sie die Smartphones erreicht.

"Wenn der ORF aus Gründen, die eher mit Marktmacht zu tun haben, entscheidet, Facebook weniger zu nutzen, dann ist das die Unternehmensentscheidung des ORF", meint Grisold im Hinblick auf die Entscheidung von Onlinechef Thomas Prantner, die Facebook-Auftritte des ORF um 80 Prozent einzudampfen. Eine gesetzliche Beschränkung hält sie hingegen für nicht sinnvoll.

ORF-Apps sollen erlaubt sein

Fallen soll auch das Verbot "eigens für mobile Endgeräte gestaltete Angebote" zu produzieren. Apps seien laut Bericht eine "zeitgemäße Ausspielungsform journalistischer Inhalte". Momentan müssen alle App-Inhalte auch auf ORF.at gespiegelt werden, Experimente mit der Auslegung des Gesetzes brachten dem ORF schon saftige Geldstrafen ein.

Der auf der Medienenquete diskutierten Idee eines "österreichischen Youtube" kann Grisold grundsätzlich etwas abgewinnen: "Das ist eine Möglichkeit, wie man versuchen kann – würde es das ORF-Gesetz zulassen – Synergien zu nutzen." Nicht nur mit Privatsendern, auch mit anderen öffentlich-rechtlichen Anbietern könne man kooperieren, "um ein stärkeres Gewicht zu haben."

Bis es diese Plattform gibt, sollen aber schon jetzt ORF-Inhalte "möglichst lang auf unterschiedlichen Kanälen verfügbar" sein. Sprich: Ohne 7-Tage-Regel. Es komme einer "betriebs- und volkwirtschaftlichen Verschwendung gleich, Inhalte, die etwa für Schulen, aber auch für interessierte BürgerInnen wertvolles Bildungs- und Informationsmaterial darstellen, zwangsweise nach einer Woche zu löschen."

Privatsender, die Public Value schaffen, mit ORF-Geldern zu fördern, kann sich Grisold nicht vorstellen. "Ich verstehe nicht, warum man einen großen Konzern wie ProSiebenSat.1 mit Gebühren finanzieren muss", sagt die Ökonomin. Schon jetzt gebe es spezielle Förderungen für Privatsender, die hochwertige Inhalte herstellen.

"Demografische Realitäten" im TV abbilden

Im TV wünscht sich der Beirat mehr Geld und Personal für ORF 3, der Sender solle als "Versuchslabor" dienen, um "unterbehandelte Themenfelder jenseits des Mainstreams" zu besetzen. Innovativer sollen auch die Landesstudios werden, ansonsten verwässere "sich die von Seiten der Zusehenden geforderte Regionalität zu einer statistischen Brauchtumspflege."

Einen besonderen Schwerpunkt habe man bei Empfehlungen auf Barrierefreiheit und Diversität gelegt. "Man soll die demografischen Realitäten, die man in einer Nation vorfindet, auch in einem öffentlich-rechtlichen Rundfunk abbilden", sagt Grisold. Einerseits soll das über "Rolemodels" geschehen, etwa indem mehr Moderatoren mit Migrationshintergrund zu sehen sind. Andererseits über "Angebote, die für Bevölkerungsgruppen mit Migrationshintergrund eine stärkere Relevanz haben". An zusätzliche fremdsprachige Angebote denkt sie dabei nicht explizit.

Auch bei der Barrierefreiheit sieht der Public-Value-Beirat Handlungsbedarf: Es sei zwar begrüßenswert, dass zwischen 2006 und 2012 die Untertitelungsquote stark angestiegen ist, in den letzten Jahren sei aber zu wenig geschehen. 80 Prozent aller Sendungen sollen künftig untertitelt werden. Auch mehr Inhalte mit Audiodeskription wünscht sich das Gremium. Das Wording bei der Berichterstattung über Behinderte ist für den Beirat "verbesserungswürdig": So seien Menschen mit Behinderung nicht an den Rollstuhl gefesselt, die meisten Betroffenen leiden auch nicht an ihrer Behinderung. Hier fordert das Gremium mehr Sensibilität. "Echte Inklusion" würde auch bedeuten, mehr Journalisten und Moderatoren mit Behinderung zu engagieren.

Der Public-Value-Beirat bei der RTR prüft, ob neue Angebote des ORF "aus publizistischer Sicht zur wirksamen Erbringung des öffentlich-rechtlichen Kernauftrags zweckmäßig" sind und Gebührengeld verdienen. Dem Beirat gehören fünf Mitglieder an, die von der Bundesregierung für die Dauer von fünf Jahren bestellt werden. Die Ökonomin Andrea Grisold ist seit Mitte 2014 Vorsitzende des Beirats. (pp, 25.6.2018)