Linz – Weil er im Juni 2017 ein Ehepaar getötet und in dessen Haus Feuer gelegt haben soll, ist am Montag ein 55-jähriger Tunesier in Linz von einem Geschworenengericht zu einer lebenslangen Haftstrafe verurteilt worden. Zudem wurde er in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher eingewiesen. Das Urteil ist nicht rechtskräftig.

Der Angeklagte wurde wegen Mordes in zwei Fällen und versuchter Brandstiftung einstimmig und zudem wegen einer gefährlichen Drohung gegen einen Justizwachebeamten (7:1) für schuldig befunden. Vom Vorwurf der Mitgliedschaft in einer terroristischen und kriminellen Organisation – dem IS – wurde er freigesprochen. Das Urteil ist nicht rechtskräftig. Beide Seiten gaben keine Erklärung ab.

Der Prozess startete unter großen Sicherheitsvorkehrungen. Der Angeklagte wurde von vier Justizwachebeamten in Sturmhaube und kugelsicherer Weste begleitet, Besucher wurden mehrfach kontrolliert, Handys und Laptops waren verboten.

Zahlreiche Facebook-Einträge

Der Angeklagte, der seit mehr als 25 Jahren in Österreich lebt, hatte die späteren Opfer regelmäßig mit Lebensmitteln aus dem Bio-Laden seiner Lebensgefährtin beliefert, so auch am 30. Juni 2017. An diesem Tag soll er – nach sorgfältiger Planung und Vorbereitung der Tat – zuerst die 85-jährige Frau mit einem Spanngurt stranguliert und ihr anschließend ein langes Fleischermesser in den Brustkorb gerammt haben. Dann soll er ihren 87-jährigen Mann mit einem Holzstiel, an dessen Ende eine Metallmuffe befestigt war, auf den Kopf geschlagen und ihm ebenfalls einen Messerstich in die Brust versetzt haben. Anschließend habe er laut Anklage rund vier Liter Benzin im Esszimmer sowie in der Küche verschüttet und angezündet.

Zudem soll der Mann auf Facebook zahlreiche Einträge verfasst haben, in denen er die IS-Ideologie verherrlicht, Terrorangriffe gutgeheißen, Durchhalteparolen an IS-Kämpfer ausgegeben und schließlich kurz vor der Bluttat IS-Anführer Abu Bakr al-Baghdadi die Treue geschworen habe, so die Anklage. Sie legte ihm Mord, Brandstiftung, Mitgliedschaft in einer terroristischen bzw. kriminellen Vereinigung und – wegen eines Vorfalls in der Justizanstalt – gefährliche Drohung zur Last.

Der Tunesier, der sich kurz nach der Tat selbst stellte, gab bei der Polizei als Motiv an, er habe ein Exempel an der Gesellschaft und der FPÖ, durch die er sich als Ausländer und Muslim diskriminiert fühlte, statuieren wollen. Ein Sohn des getöteten Paares arbeitet in einer von einem blauen Politiker geführten Abteilung des Landes, allerdings hat die Familie kein Naheverhältnis zu den Freiheitlichen. Zudem sollen die Pensionisten den Angeklagten sogar unterstützt haben.

Weitgehend geständig

Der Angeklagte war weitgehend geständig und verteidigte sich großteils selbst, seinem Pflichtverteidiger hatte er verboten, Anträge zu stellen. Der Tunesier spricht gut Deutsch, seine Ausführungen schweiften aber oft vom Thema ab. Bei den Angehörigen der Getöteten entschuldigte sich der 55-Jährige kurz, dann verbiss er sich aber übergangslos in Details aus der Anklageschrift und ortete Intrigen. "Allahu Akbar", sagte er dreimal laut und einen arabischen Satz, die gesamte Äußerung wurde mit "Gott ist groß und bleibt lange" übersetzt.

Auslöser für die Tat war laut Anklage ein Zwischenfall im Rahmen eines jahrelangen Nachbarschaftsstreits: Nachbarn hatten ihn 2010 wegen eines gekippten Fensters angezeigt, in dem sich eine Katze verfangen hatte. Er bekam eine Geldstrafe, gegen die er – weitgehend erfolglos – alle Hebel in Bewegung setzte. 2014 trat er in der Sache schließlich eine Ersatzfreiheitsstrafe an. Als im Mai 2017 per Exekution 107 Euro Verfahrenskosten aus der Katzen-Geschichte von ihm gefordert wurden, soll dies der Auslöser für die nun angeklagten Taten gewesen sein. Am Vortag habe er seinen Rucksack mit Spanngurten und Fleischermesser gepackt, am Tattag noch den Benzinkanister angefüllt.

Die psychiatrische Sachverständige Adelheid Kastner attestierte dem Mann eine querulatorische Persönlichkeitsstruktur, er vermute hinter jeder negativen Erfahrung eine Intrige gegen ihn. Sie gestand ihm eine eingeschränkte Dispositionsfähigkeit zu, er sei aber zurechnungsfähig, gefährlich und es sei zu erwarten, dass er "wieder schwere Straftaten bis hin zu Tötungsdelikten begeht", stellte sie unmissverständlich klar.

Eher entlastend für den Angeklagten waren ihre Aussagen zu seiner mutmaßlichen IS-Mitgliedschaft: Diese sei für sie "nicht denkbar". Er sei nicht "teamfähig" sondern ein "Monolith an Egozentrik", denn er könne sich an keine Vorgaben halten oder Anordnungen entgegennehmen. "Er wäre für jeden Verein, egal ob eine Terror-Organisation oder ein Fußballverein, eine Kalamität", so ihre abschließende Beurteilung. Der Angeklagte selbst hatte im Vorverfahren gesagt, dass er kein IS-Sympathisant sei, im Prozess aber den IS und dessen Anführer gelobt: Der IS, meinte er, das sei "der richtige Weg, die richtige Politik", "die tun niemand Unschuldigem etwas". Anführer Abu Bakr al-Baghdadi, dem er die Treue geschworen haben soll, sei "der richtige Politiker". (APA, 18.6.2018)