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Iranische Frauen in Russland.

Foto: AP/Lovetsky

Auch in jenen Ecken und Enden der globalisierten Welt, die auf ihre kulturellen und (angeblich) religiösen Eigenheiten pochen, gibt es Menschen, die einfach nur ganz normal leben wollen: Und, ob man das nun mag oder nicht, dazu gehört eben auch die Freiheit, in ein Stadion zu gehen, um mit kurzen Hosen bekleideten Männern (jaja, Frauen auch, aber nicht jetzt) zuzuschauen, wie sie einem Ball hinterherlaufen. Frauen im Iran dürfen das nicht. Iranische Frauen tun es, außerhalb des Iran. Soeben bei der Fußballweltmeisterschaft in Russland.

Man mag es für banal halten, wenn das auf der Freiheitswunschliste ganz oben steht. Die allermeisten der weiblichen Fußballfans, die ihrer Leidenschaft, ohnehin nur passiv, auch auf Fußballplätzen nachgehen wollen, sind keine politischen Aktivistinnen. Sie tragen die Farben der Islamischen Republik. Die Revolution haben ihre Eltern und Großeltern gemacht, selbst schuld. Jetzt ist eine Generation dran, die die Welt zumindest virtuell kennt und gar nicht einsieht, dass ihr tägliches Leben anderen Regeln und Vorschriften unterliegen soll als anderswo.

Am System kratzen

Dass das Ganze dennoch hochpolitisch ist, ist klar. Wer an den sichtbaren Symbolen eines Systems kratzt, kratzt am System selbst. Und die Frauen im Iran haben das Pech, dass sie sozusagen optisch die Systemträger sind. Erst sie machen das Straßenbild so richtig schön islamisch. Darum ist es für die Hüter der Revolution – die nächstes Jahr vierzig wird – ganz wichtig, dass alles so bleibt, wie es ist: das Kopftuch und die frauenfreien Zonen, etwa im Fußballstadion.

Iranische Frauen haben natürlich schon in der Vergangenheit im Ausland Fußballspiele besucht. Neu ist der Aktionismus. Der Geduldsfaden wird dünner: Präsident Hassan Rohani, den viele Frauen als potenziellen gesellschaftlichen Liberalisierer gewählt haben, soll endlich liefern.

Sogar im stockkonservativen Saudi-Arabien, wo Frauen traditionell noch viel weniger dürfen als im Iran, tut sich etwas. Frauen sind im Iran in fast allen Bereichen tätig, im akademischen Bereich lassen sie die Männer hinter sich. Auch die Idee, dass Frauen selbst Sport betreiben können – und sollen! -, ist keineswegs neu. Iranische Athletinnen sind hoch erfolgreich. Und wie in anderen Sektoren ermutigte gerade die vorgeschriebene Geschlechtertrennung konservative Frauen zum Mitmachen. Aber das interessiert die iranische Jugend von heute nicht mehr, völlig zu Recht. (Gudrun Harrer, 19.6.2018)