Ende Mai tötete ein Mann seine Ex-Lebensgefährtin. Ein Waffenverbot und ein Betretungsverbot, Letzteres war allerdings zur Tatzeit bereits ausgelaufen, konnten die Tat nicht verhindern.

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Rosa Logar von der Interventionsstelle gegen Gewalt in Familien möchte Sicherheitslücken analysieren.

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Schon 2017 waren die Zahlen von Tötungsdelikten innerhalb von Beziehungen hoch. Im letzten Jahr wurden 24 Frauen von Männern ermordet, mit denen sie irgendeine Art von Beziehung verband – Partner, Ex-Ehemänner, Verwandte. In den Jahren davor lag diese Zahl meistens darunter. Seit 2012 kamen insgesamt 122 Frauen und sieben Männer durch Gewalt in Beziehungen ums Leben. Rosa Logar, Leiterin der Interventionsstelle gegen Gewalt in der Familie, fordert daher Verbesserungen im Gewaltschutz, etwa durch eine Fachkommission, die sich genau mit solchen Fällen befasst.

STANDARD: Der letzte Fall liegt wenige Wochen zurück. Ein Mann ermordete in Wien seine Ex-Partnerin, nachdem er sie schon einmal mit dem Umbringen bedroht hat. Davor gab es auch schon ein Betretungsverbot. Täuscht der Eindruck, dass derzeit sehr viele Frauenmorde passieren?

Logar: Nein, die Polizei hat selbst davon gesprochen, dass es heuer schon 15 Morde an Frauen und/oder Mädchen gab – im Jahr 2017 waren es insgesamt 24. Im Jahr 2014 waren es überhaupt – laut Polizei – "nur" neun Morde im sozialen Nahraum, in der Nachbarschaft oder eben in der Familie.

STANDARD: Sie fordern nun eine Fachkommission. Was kann die bringen?

Logar: Bei dem Mord am Brunnenmarkt gab es zum Beispiel eine Untersuchungskommission. Wir fordern das auch für andere Fälle. Die Hintergründe der Tat müssen untersucht werden, was genau passiert ist, ob es schon Anzeigen geben hat, und wir müssen uns fragen, was wir daraus lernen können. Als Gewaltschutzeinrichtung müssen wir die Schwachstellen kennen – manchmal kennen wir diese Schwachstellen –, und eine solche Fachkommission könnte helfen, diese Sicherheitslücken zu schließen.

STANDARD: Was ist derzeit so eine Schwachstelle?

Logar: Dass man manchmal mit einem Betretungsverbot das Auslangen finden, obwohl es Hochrisikofälle sind. Zum Beispiel wenn mit dem Umbringen gedroht wurde oder es schon vorher massive Gewalt gab – in solchen Fällen ist ein Betretungsverbot ein zu sanftes Mittel. Wir müssen uns unangenehme Fragen stellen, wie etwa im konkreten Fall, den Sie vorhin angesprochen haben: Was wurde getan, um die Gefahr zu bannen. Und wenn Fehler passiert sind, müssen wir aus diesen Fehlern lernen. Wir brauchen hier einen schnelleren Austausch mit der Polizei, der Justiz, dem Jugendamt, der Bewährungshilfe und anderen Einrichtungen. Wenn dieser Austausch zur schwerfällig ist, was derzeit der Fall ist, können wir nicht ausreichend Schutz bieten.

STANDARD: Der Austausch mit der Polizei war schon besser?

Logar: Wir hatten bis letzten Herbst monatliche Fallkonferenzen, in die wir Fälle einbringen und gemeinsam besprechen konnten. Warum die Polizei daran nicht mehr teilnehmen will, wissen wir leider nicht genau. Es hieß aber, es wäre nicht das richtige Instrument – allerdings gibt es auch keine Alternative. Wenn ein Opfer zur Polizei geht, muss es auch geschützt werden. Es geht ja sehr oft um wiederholte Gewalt, und es ist einem Opfer nicht zuzumuten, dass es immer wieder Anzeige erstatten muss, so eine Anzeige ist ja eine ziemliche Prozedur. Einfach nur gesagt zu bekommen "Zeigen Sie halt wieder an, wenn es nochmal passiert", ist zu wenig.

STANDARD: Sie meinten, ein Betretungsverbot reiche oft nicht. Was wäre denn nötig, etwa wenn jemand eine Frau mit dem Umbringen bedroht?

Logar: Wenn es schon eine gewalttätige Vorgeschichte gibt, wäre eine U-Haft durchaus angebracht. Es muss auch ganz klar signalisiert werden, dass eine Morddrohung eine strafbare Handlung ist und auch mit einem Haftgrund belegt ist. Wenn so jemand nicht in Haft genommen wird, ist das für die Opfer wie russisches Roulette. Wir kennen ja die Gefährdungsfaktoren, man könnte dann mit einer Fachkommission besprechen, wie viele dieser Faktoren etwa für eine U-Haft vorliegen müssen.

STANDARD: Warum gib in Österreich keine genaue Erhebung dazu, in welcher Beziehung Täter und Opfer standen? Ist das in anderen Ländern Europas anders?

Logar: Viele Länder haben Probleme mit guten Gewaltstatistiken. Spanien hat aber etwa sehr gute Statistiken. Die Zahlen zu Tötungsdelikten werden dort monatlich erhoben und veröffentlicht. Spanien hat eine eigene Institution dafür eingerichtet, dort laufen die verschiedenen Daten zusammen. In der Österreichischen Kriminalstatistik ist aber auch – zumindest grob – ausgewiesen, ob es Fremdtäter waren oder nicht. Eine laufend tagende Fachkommission zur Verhinderung von Morden und Mordversuchen, wie wir sie fordern, könnte auch zu einer verbesserten Datenlage beitragen, wie sie auch von der Instanbul-Konvention des Europarates verlangt wird. (Beate Hausbichler, 21.6.2018)