Le Castellet von hoch oben.

Foto: APA/AFP/Cnes 2017, Distribution

Le Castellet/Wien – Nach zehn Jahren kehrt die Formel 1 nach Frankreich zurück, damals wurde allerdings in Magny-Cours gefahren. Das bisher letzte der 14 Rennen auf dem Circuit Paul Ricard liegt schon fast 28 Jahre zurück. Seither diente die Strecke in Le Castellet, einer 4.000-Einwohner-Gemeinde nahe der Cote d'Azur, viele Jahre für Testzwecke.

Der keine Autostunde östlich von Marseille liegende Kurs, der im Besitz des ehemaligen Formel-1-Chefs Bernie Ecclestone ist, gilt als Vorbild in Sachen Sicherheit. Namensgeber der Strecke ist der frühere Getränke-Unternehmer Paul Ricard, der 1970 den Bau der Piste initiierte.

Hochgeschwindigkeitskurs

Der Circuit Paul Ricard ist eine der längeren Strecken im diesjährigen Kalender. Mit drei Geraden und 15 teils schnellen Kurven erwartet die Fahrer ein Hochgeschwindigkeitskurs. Kurve zehn wird mit bis zu 300 Stundenkilometern durchfahren und ist damit eine der schnellsten dieser Saison. Der neue Asphalt dürfte die Reifen enorm fordern. Der wechselhafte Charakter der Strecke macht die aerodynamische Abstimmung der Autos schwer.

"Es ist immer etwas Besonderes, zu einem neuen Grand Prix zu kommen. Das ist eine schöne Abwechslung, weil man nicht weiß, was man erwarten kann", sagte der Mexikaner Sergio Perez. Fernando Alonso meinte: "Unseres Wissens nach wird es ein hartes Rennen für Autos und Fahrer, eine knifflige technische Herausforderung."

Der Circuit Paul Ricard ist 5,842 Kilometer lang, gefahren werden 53 Runden. Der erste Grand Prix hier hat 1971 stattgefunden, Rekordsieger ist mit vier Erfolgen der Franzose Alain Prost (1983, 1988 bis 1990). Rekordsieger des Großen Preises von Frankreich ist allerdings nicht Prost, sondern Rekordweltmeister Michael Schumacher, der acht Mal in Magny-Cours triumphiert hat.

Drei Rennen in drei Wochen

Die Rückkehr der Formel 1 nach Frankreich ist der Auftakt zu den wohl anstrengendsten Grand-Prix-Wochen des Jahres. Mit Le Castellet, Spielberg und Silverstone stehen drei Rennen innerhalb von drei Sonntagen in Folge auf dem Programm. Für Weltmeister Lewis Hamilton und Mercedes kommt die jüngste Formkrise deshalb sehr unpassend.

Den Zweifel am Erfolg seiner Titelverteidigung will der Formel-1-Weltmeister aber nicht in seinen Kopf lassen. "Das wäre das erste Zeichen von Schwäche, und mein Wille ist nicht schwach", versicherte der 33-Jährige vor dem ersten der drei Rennen innerhalb von nur 14 Tagen. Aber ausgerechnet jetzt suchen Hamilton und Mercedes die Titelform der vergangenen Jahre.

Ein Pünktchen

Die jüngsten Niederlagen in Monaco und Montreal, als Hamilton in seinem Silberpfeil ohne Siegchance war, haben den Briten in der WM wieder auf Platz zwei hinter Ferrari-Star Sebastian Vettel zurückfallen lassen. Zwar beträgt der Rückstand auf den Deutschen nur einen Punkt, doch der Trend macht dem wankenden Branchenführer Sorgen. "Ein Weckruf" sei die Kanada-Pleite gewesen, sagte Mercedes-Teamchef Toto Wolff und forderte "die richtigen Schlüsse" von seiner titelverwöhnten Crew.

Im fünften Jahr der Ära der Hybridmotoren scheint Mercedes seinen Vorteil gegenüber den Konkurrenten Ferrari und Red Bull endgültig verloren zu haben. "Ferrari hat zuletzt den besseren Job gemacht und liegt ein bisschen vor uns. Wir müssen mehr tun und uns anstrengen", sagte Hamilton. Ganz tief greift der viermalige Champion in diesen Tagen in seine Kiste mit Motivationssprüchen. "Ich habe komplettes Vertrauen in meine Jungs und lenke diese Energie in ihre Richtung", beteuerte Hamilton.

207 zu 84 Führungsrunden

WM-Spitzenreiter Vettel gibt sich dennoch demonstrativ gelassen. "Wir haben ein sehr effizientes Auto. Das Wichtigste ist, dass das Auto überall funktioniert, wo wir hinkommen", sagte der 30-Jährige. Tatsächlich hat Vettel in diesem Jahr bereits 207 Führungsrunden gesammelt, Hamilton brachte es bisher nur auf 84. "Es ist hart, wenn du glaubst, du hast alles richtig gemacht hast, und dann stimmt das Ergebnis nicht", bekannte der Brite.

Teamchef Wolff indes sieht seine Mannschaft für die Bewältigung der Krise gerüstet. "Das Team hat in der Vergangenheit gezeigt, dass es dazu in der Lage ist, Hindernisse zu überwinden, und wir arbeiten hart daran, es auch diesmal zu schaffen", betonte der 46-jährige Wiener. Der bevorstehende Grand-Prix-Dreierpack biete auch die Chance auf die nächste WM-Wende. "Jede Menge Punkte einzufahren, genau das haben wir uns vorgenommen."

Zumindest kann sich Hamilton auf einen "schärferen" Motor freuen, wenn es erstmals seit zehn Jahren wieder in Frankreich zur Sache geht. In Frankreich hat er aber noch nie gewonnen. Schafft er es diesmal, löst er Michael Schumacher als Pilot mit den meisten Siegen bei verschiedenen GP-Rennen ab. Derzeit halten beide bei 22, Hamilton hat aber schon auf 25 verschiedenen Strecken gesiegt, zumal der Austragungsort des GP von Europa wechselte. (APA, 20.6.2018)