Frage: Die Regierung verkündet, sieben Moscheen geschlossen zu haben, der STANDARD schreibt nicht einmal zwei Wochen später, dass alle wieder offen sind. Wie kann das sein?

Antwort: Am 8. Juni, einem Freitag, traten Kanzler, Vizekanzler und zwei Minister vor die Presse, um zu verlautbaren, dass sieben Moscheen geschlossen wurden und zahlreiche Imame ausgewiesen werden sollen – im "Kampf gegen den politischen Islam". Am selben Morgen wurde ein Gebetshaus in Wien-Favoriten tatsächlich gesperrt. Zur Mittagszeit standen dort zahlreiche verdutzte Muslime, die im Ramadan, dem muslimischen Fastenmonat, zum Freitagsgebet kommen wollten. Die Regierung stellte zwar in den Raum, dass diese Moschee von türkischen Rechtsextremen, den Grauen Wölfen, betrieben werde, faktisch geschlossen wurde sie aus formalen Gründen: Die Betreiber hatten noch keine Moscheegemeinde angemeldet, was laut Islamgesetz notwendig ist, um ein solches Gebetshaus zu führen. Exakt eine Woche später war die Moschee wieder offen. Die Islamische Glaubensgemeinschaft (IGGÖ) hat sich der Sache angenommen und ist nun ganz legal der offizielle Betreiber der Gebetsräumlichkeiten.

Kann beten verboten sein? In einer per Bescheid geschlossenen Moschee sind "Kultushandlungen" grundsätzlich untersagt.
Foto: elmar gubisch

Frage: Und die sechs anderen Gebetshäuser?

Antwort: Von den weiteren Moscheen wusste man zunächst nicht, um welche es sich handelt. Die Regierung hatte bloß verkündet, die Arabische Kultusgemeinde aufgelöst zu haben, wodurch deren sechs Moscheen geschlossen werden müssten. Wie der STANDARD erfahren hat, ist das aber nie geschehen. "Unsere Moscheen sind offen, es finden dort auch weiterhin Freitagsgebete statt", sagt der Vorsitzende der Arabischen Kultusgemeinde, Zikry Gabal. Somit sind aktuell alle geschlossenen Moscheen in Betrieb.

Frage: Die Moscheen der Arabischen Kultusgemeinde werden derzeit also illegal betrieben?

Antwort: Die Kultusgemeinde hat durch die Pressekonferenz von der eigenen Auflösung erfahren. Erst ein paar Tage später wurde der entsprechende Bescheid zugestellt. Diese Vorgangsweise der türkis-blauen Regierung bezeichnet der Verwaltungsrechtler Richard Potz von der Universität Wien im Gespräch mit dem STANDARD als "formal wohl zulässig, aber aus rechtsstaatlicher Sicht extrem unschön".

Gegen den Bescheid geht die Arabische Kultusgemeinde nun vor. Am Donnerstag wurde die durch einen Anwalt ausgearbeitete Bescheidbeschwerde an den Verwaltungsgerichtshof übermittelt. Sämtliche Dokumente liegen dem STANDARD vor. Fakt ist: Durch den Bescheid wurde die Kultusgemeinde ab sofort aufgelöst, sie dürfte die Moscheen derzeit eigentlich nicht offen halten.

Allerdings kritisiert der Anwalt der Kultusgemeinde in der Bescheidbeschwerde, dass das Kultusamt die "aufschiebende Wirkung" ausgeschlossen hat – und nur deshalb müssten die Moscheen sofort schließen. Das Kultusamt begründe das – vereinfacht gesprochen – damit, dass die Islamische Glaubensgemeinschaft davor geschützt werden muss, dass Mitglieder der Arabischen Kultusgemeinde in den Gremien der Glaubensgemeinschaft sitzen. Potz hält das für eine "seltsame bis fragwürdige Argumentation" und eine Einmischung in innere Angelegenheiten der Glaubensgemeinschaft. Hinzu kommt: Am 30. Juni soll im Schurarat der IGGÖ über Neuwahlen abgestimmt werden. IGGÖ-Präsident Ibrahim Olgun wird quasi die Vertrauensfrage gestellt. Geht es nach dem Bescheid, dürfen die vier Mitglieder der Arabischen Kultusgemeinde dort nun nicht mitstimmen – sie sind offene Gegner Olguns. Er hatte die formalen Fehler der Kultusgemeinde – das geht aus dem Bescheid hervor – beim Kultusamt gemeldet.

Die Moschee der Arabischen Kultusgemeinde in Wien-Mariahilf ist aktuell offen.
Foto: APA/HELMUT FOHRINGER

Frage: Was hat es für Konsequenzen, wenn man eine per Bescheid geschlossene Moscheen betreibt?

Antwort: Aus dem Büro von Kanzleramtsminister Gernot Blümel (ÖVP) wird ausgerichtet, dass man die Situation derzeit "genau prüfe" und dann Konsequenzen ziehe. Verwaltungsjurist Potz erklärt, dass es faktisch nur eine Möglichkeit gebe: Man könne Polizisten vor den Moscheen platzieren, die Gläubige davon abhalten, einzutreten. "Ein derartiger Eingriff in die religiöse Betätigung von Menschen wäre aber eine heikle Sache. Ich denke nicht, dass das in Relation stünde. Vor allem, da durch die Beschwerde die Causa noch nicht abgeschlossen ist."

Frage: Was wird der Arabischen Kultusgemeinde denn überhaupt konkret vorgeworfen?

Antwort: Unter anderem geht es auch hier um Formalia: Die Glaubensgemeinschaft gibt vor, dass eine Kultusgemeinde mindestens zehn Moscheen betreiben muss. Die Arabische Kultusgemeinde sagt, dass sie aktuell sieben Gebetsräume habe. Wobei Gabal erklärt, das Problem inzwischen gelöst zu haben. Mehrere Moscheen hätten sich bereit erklärt, sich der Kultusgemeinde anzuschließen. Außerdem wird dem Verein vorgeworfen, der IGGÖ nicht – wie vorgeschrieben – ihre Finanzunterlagen übermittelt zu haben.

Darüber hinaus wurden im Internet aber auch Tonaufnahmen eines Imams verbreitet, der in einer Moschee der Arabischen Kultusgemeinde tätig ist. Seine Äußerungen werden von der Behörde als "wortwörtliche Auslegung der Glaubensquellen" und "salafistisch" eingestuft. Der Wiener FPÖ-Gemeinderat Leo Kohlbauer hat diesen Imam schon vor einigen Wochen der Staatsanwaltschaft gemeldet. "Der Verfassungsschutz ermittelt", sagt Kohlbauer. Gabal behauptet, die Aufnahmen seien vor mehr als zwanzig Jahren in einer Moschee in Jordanien aufgezeichnet worden, der Geistliche habe sich geändert.

Frage: Und wie kam es zu den Verstimmungen mit der Türkei?

Antwort: Nachdem die Moscheeschließungen verkündet wurden, meldete sich der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan zu Wort: Wien müsse "zu Verstand zu kommen". Olgun, der an den Schließungen mitgewirkt hat, ist übrigens Teil des Atib-Lagers, das als verlängerter Arm der AKP-Partei Erdogans gilt. Sebastian Kurz (ÖVP) hat eine harte Haltung gegenüber der Türkei angekündigt. (Katharina Mittelstaedt, 22.6.2018)