Staffelübergabe: Beate Meinl-Reisinger übernimmt von Matthias Strolz.

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Zum Umarmen oder Ernten bekam Matthias Strolz ein kleines Bäumchen.

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Ehefrau Irene begleitet Matthias Strolz zur Mitgliederversammlung.

Foto: APA/GEORG HOCHMUTH

Matthias Strolz gratuliert zur Wahl.

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Blumen statt ein Bäumchen gabs für die Neue.

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Wien – Ein klares Votum: 94,7 Prozent der Delegierten wählten Beate Meinl-Reisinger am Samstag zu ihrer neuen Chefin. Die Wienerin hatte mit dem 66-jährigen Vorarlberger Kaspar Erath nur einen – weitgehend unbekannten – Gegenkandidaten, der 18 der 549 abgegebenen Stimmen erhielt.

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Die Vierzigjährige zeigte sich gerührt: In ihrer Antrittsrede sprach sie von ihrem Antrieb, warum sie in die Politik gehen wollte. Sie habe von ihren Eltern gelernt, Verantwortung zu übernehmen. "Jeder kann einen Beitrag leisten, wenn er dafür brennt", sagte die neue pinke Frontfrau. Sie habe Mut zum Konflikt – das sei ein tief liberaler Grundwert.

Keine Toleranz gegenüber Intoleranz

Bestimmte Grundwerte seien nicht verhandelbar, dazu zählen Meinungsfreiheit oder Menschenrechte : "Da frage ich mich: Seid ihr alle wahnsinnig: Es gibt einen Grund, warum die Genfer Menschenrechtskonvention nach 1945 nicht in staatliche Souveränität gelegt wurde", erklärte Meinl-Reisinger. Sie warnte vor einer schrittweisen Aufweichung: "Man wacht nicht plötzlich in einem autoritären Staat auf."

Überall würden Feinde der offenen Gesellschaft lauern, die diese Rechte einzuschränken versuchten. Und die neue Parteichefin betont auch: "Wir Liberale dürfen nicht in unserer Toleranz blind gegenüber Intoleranz sein."

Kritik an "Parteienstaat"

Auch ihre Kritik am Parteienstaat kam nicht zu kurz: "Anscheinend ist 2018 die Nähe zur Jungen ÖVP oder die Mitgliedschaft in einer Burschenschaft das einzige Qualifikationskriterium für einen Job", das sei falsch. Parteien hätten in Wirtschaft und Medien nichts zu suchen. "Ich will eine freie Bürgergesellschaft, in der zählt, wer was kann und nicht, wer wen kennt".

Als Herzensthema sieht Meinl-Reisinger das "geeinte Europa". "Der Raum des Friedens, der Einheit und der Chancen muss gewahrt bleiben", sagte sie. Es brauche ein Europa, das sich um die wesentlichen Fragen kümmert: Freihandel, Klimaschutz, Frieden.

Auch Bildung soll weiterhin oberste Priorität haben, es brauche eine ernsthafte Debatte darüber, was an Schulen benötigt werde. "Wir wollen Lehrer an Brennpunktschulen nicht alleine lassen", so Meinl-Reisinger.

Außerdem würden die Menschen eine "permante Polarisierung" nicht mehr ertragen. "Sie wollen Lösungen. Dieser Mitte will ich eine Stimme geben. Das sind die Macher und die Leister", so Meinl-Reisinger. "Ich werde nicht nach links und nicht nach rechts, sondern nach vorne gehen."

Emotionaler Abschied

Zuvor wurde der Abschied von Matthias Strolz zelebriert: Für ihn gab es Standing Ovations, Jubel und langen Applaus. Der Neos-Gründer begann seine Abschiedsrede gleich mit einer Entschuldigung bei Irmgard Griss. Das Best-Of-Video seiner Reden brachte ihn in Erklärungsnot, hatte er doch seiner Allianzpartnerin vor einem Jahr versprochen, keine Schimpfworte mehr zu verwenden: "Dazwischen waren wohlgewählte Worte", versicherte er Griss, die – obwohl kein Mitglied – auch bei der Mitgliederversammlung teilnahm.

Doch bei seinem Dank an Griss, konnte er sich wieder nicht halten: "Danke, dass du dich für uns entschieden hast, du tust uns saugut."

Dank für Mitstreiter

Auch für seine Mitstreiterin Angelika Mlinar, die für die Neos im EU-Parlament sitzt und mit der es zuletzt Schwierigkeiten gab, fand er lobende Worte: "Sie ist eine Säule der Bewegung, ohne sie wären wir heute nicht da" – auch für sie gab es Standing Ovations, obwohl sie erst kürzlich via STANDARD-Interview verkündet hatte, wegen mangelnder Unterstützung aus den eigenen Reihen nicht mehr für die Neos als Spitzenkandidatin für die EU-Wahl 2019 zur Verfügung zu stehen.

Strolz machte eine kleine Tour durch die Geschichte der Parteigründung: "Der Mut hat erst reifen müssen", erzählte er von Abenden mit Mitgründer Veit Dengler mit Weinbegleitung. Bis sie dann wirklich die Neos ins Leben riefen. Strolz betonte, die Neos seien wichtiger denn je: In Europa gebe es eine "große Abbruchbirne Richtung Demokratie". So eine Situation sei in den letzten Jahren noch undenkbar gewesen. "Es ist der Kampf unserer Generation für die liberale Demokatie und wir sind bereit diesen Kampf zu führen."

"Müssen Trump und Putin hinterfragen"

Beim Thema Europa kam Strolz wieder in Fahrt und griff auf altbekannte Emotionen zurück: "Wir wissen nicht, ob unsere EU noch in zehn Jahren Bestand hat. Wir müssen Putin, Trump hinterfragen. Wir suchen nicht nach der einfachen Antwort, nach dem starken Mann, wir suchen Lösungen."

Dennoch zog sich nun von der Parteispitze zurück: "Ich mache einen Schritt zur Seite, bleibe aber den Neos verbunden. Gemeinsam entschlossen vorwärts" schloss er seine rund 45 Minuten dauernde Rede. Erneut Standing Ovations zu Queens "It's a kind of Magic", viele Umarmungen kamen dann doch ein paar Emotionen. Von seinen Mitstreitern bekam Strolz einen Obstbaum und ein Abschiedsvideo von Kurt Razelli, in dem Griss Strolz als "ihr großes Kind" bezeichnet. Der Künstler Razelli hatte in der Vergangenheit Strolz' Parlamentsreden häufig zu Songs verarbeitet.

NEOS - Das Neue Österreich

Die Laudatio auf Strolz hielt Medienmanager und Neos-Mitbegründer Veit Dengler. Er zeigte sich überzeugt, dass Strolz die Politik nicht für immer verlässt und in irgendeiner Form wieder zurückkommen werde.

Ebenfalls neu gewählt werden die weiteren Mitglieder des Parteivorstands. Als Stellvertreter Meinl-Reisingers wurden Sepp Schellhorn (93,3 Prozent) und Nikolaus Scherak (88, 13 Prozent) gewählt. Auch um diesen Posten bewarb sich Erath, er erhielt 5,75 Prozent. Als stellvertretende Finanzreferentin wurde Stephanie Mittelbach-Hörmanseder gewählt. Am Sonntag sind noch Diskussionen mit Schwesterparteien aus anderen Ländern sowie die Wahl des erweiterten Vorstand geplant. (mte, 23.6.2018)