Sebastian Kurz hat sich im Streit der deutschen Unionsparteien demonstrativ auf eine Seite gestellt, was äußerst unüblich ist als Kanzler eines Nachbarstaates. Normalerweise mischt man sich jedenfalls nicht so ostentativ in die inneren Angelegenheiten eines anderes Landes, aber auch nicht in den Fraktionskampf einer Schwesterpartei ein.

Will er also Angela Merkel stürzen? Was will Kurz, aber auch: Was wollen seine deutschen Mitstreiter, also etwa die Boygroup aus Jens Spahn, Markus Söder und anderen? Darauf gibt es komischerweise bisher nicht nur keine Antwort, es gibt nicht einmal besonders tragfähige Spekulationen.

Wollen sie Merkel stürzen und durch einen anderen Kanzler der Mitte ersetzen, etwa durch Armin Laschet, dem Ministerpräsidenten Nordrhein-Westfalens? Dann könnte die gegenwärtige Koalition aufrecht erhalten werden. Oder träumen sie gar davon, Jens Spahn, Deutschlands Kurz-Wannabe, an die Regierungsspitze zu hieven – das ginge dann wohl nur in einer Koalition aus CDU/CSU/FDP und AfD. Die Chancen, dass die CDU da aber mitginge, liegen nahe Null.

Oder würden sie sogar den Sturz der Kanzlerin, den Bruch der Koalition und Neuwahlen riskieren? Dann würde Deutschland im Chaos versinken, vor allem aber wäre dann die dominierende Rolle der CDU dahin. Und die Frage, wer die Union als Kanzlerkandidat in diese Wahlen führen würde, müsste ja erst recht geklärt werden. Und es gibt dafür keinen logischen Kandidaten oder keine logische Kandidatin.

Wie man es dreht und wendet – man sieht zwar eine dramatische Zuspitzung, aber man hat Schwierigkeiten, einen wirklichen Plan der handelnden Aktivisten zu erkennen. (Robert Misik, 24.6.2018)