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Tayyip Erdoğan sonnt sich in der Menge. Nach der Wahl tritt in der Türkei ein neues System in Kraft, das bei einem Referendum 2017 gebilligt wurde.

Foto: Reuters / Alkia Kostantidinis

Der türkische Staat hat nach der Wahl vom Sonntag eine Palastanlage mehr zur Verfügung: Premier Binali Yıldırım und sein Amt im alten Regierungsviertel Çankaya in Ankara sind weg, der Wechsel von einem parlamentarischen zu einem präsidentiellen System ist mit der Wahl abgeschlossen. In der Türkei hat künftig nun auch offiziell allein der Präsident das Sagen. Die Verfassungsänderungen in Stichpunkten:

  • Der Chef: Allein der Präsident hat die exekutive Gewalt im Staat (Artikel 8 der Verfassung), die ausführende Gewalt gehört dem Präsidenten. Er ist – wie schon zuvor – Oberbefehlshaber der Armee, legt nun aber auch die Außen- und Innenpolitik des Staates fest, und er ernennt und führt seine Regierung selbst. Der Präsident kann mit Dekreten regieren sowie den Ausnahmezustand verhängen und erlässt Gesetze.
  • Die Minister können nicht länger aus dem Parlament kommen (Artikel 82), haben also keine zusätzliche politische Legitimierung durch eine Wahl als Abgeordneter. Das Parlament kann die Minister nicht mehr im Plenum zur Rede stellen; nur noch schriftliche Anfragen sind zugelassen. Das Parlament kann der Regierung auch keine Aufträge mehr erteilen (Artikel 98).
  • Gesetze: Das Parlament und einzelne Abgeordnete können aber weiterhin Gesetze einbringen, beraten und annehmen. Das Parlament kann den Präsidenten auch überstimmen und mit absoluter Mehrheit ein Gesetz annehmen, das der Präsident zur neuerlichen Beratung an das Parlament zurückgeschickt hat (Artikel 89). Die Annullierung von Gesetzen kann von den zwei größten Parlamentsfraktionen beim Höchstgericht beantragt werden, wenn sie mindestens ein Fünftel der Abgeordneten stellen. Ein angenommenes Gesetz schließlich sticht im Streitfall ein präsidiales Dekret in derselben Angelegenheit aus.
  • Haushalt: Auch den Staatshaushalt stellt künftig der Präsident in Eigenregie auf. Das Parlament debattiert das Budget und stimmt darüber ab, darf es aber nicht verändern (Artikel 161). Der Präsident kann Rabatte, Freibeträge und Verringerungen von Steuern und Abgaben beschließen (Artikel 73).
  • Strafrechtliche Verfolgung: Die absolute Mehrheit im Parlament ist für die Debatte über eine Untersuchung des Präsidenten nötig, drei Fünftel sind für die Eröffnung eines Untersuchungsverfahrens, anschließend zwei Drittel für die Überweisung an das Verfassungsgericht nötig.
  • Höchstgericht: Der Präsident ernennt zwölf der 15 Richter direkt, zwei mittelbar. (Markus Bernath, 24.6.2018)