Der industriell wohl wichtigste Fermentationsprozess mithilfe von Pilzen ist die alkoholische Gärung, wenn Zucker (Glucose) durch die Bäcker- oder Bierhefe Saccharomyces cerevisiae in Alkohol und Kohlendioxid umgewandelt wird. Eigentlich ist dieser Prozess für die Hefe nur ein Notweg, um Energie zu gewinnen, wenn kein Sauerstoff vorhanden ist. Das Wort Alkohol stammt aus dem Arabischen (الكحل al kuhl) und bedeutete ursprünglich Antimonpulver, das man zum Schwärzen der Augenlider verwendete. Im 16. Jahrhundert wurde vom Arzt und Alchemisten Paracelsus der Begriff alcohol vini für die Essenz des Weines, den Weingeist (lat. spiritus vini) geprägt und erst im 19. Jahrhundert erweiterte sich die Bedeutung auch auf andere berauschende Getränke.

Wein und Bier, das rat ich dir

Alkohol als Genuss- beziehungsweise Rauschmittel ist sicher schon seit der Vorzeit bekannt, ursprünglich wurden wahrscheinlich vergorene Früchte gegessen. Beschreibungen der Bierherstellung gibt es aus dem vierten vorchristlichen Jahrtausend von den Sumerern und aus dem dritten vorchristlichen Jahrtausend von den Ägyptern. Trinkgelage sind in Homers Odyssee überliefert und der Weinbau ist in der Bibel beschrieben:

Noah aber fing an und ward ein Ackermann und pflanzte Weinberge. Und da er von dem Wein trank, ward er trunken und lag in der Hütte aufgedeckt. (1. Buch Mose, Kapitel 9, 20)

Weinbau und Weinproduktion (Den Haag, Königliche Bibliothek).
Foto: Public Domain

Eine Besonderheit unter den Weinen stellt der Edelschimmelwein oder Botrytiswein dar. Botrytis cinerea befällt unter bestimmten Bedingungen reife Weintrauben und bildet den sogenannten Edelschimmel. Weine mit den Bezeichnungen "Auslese", "Beerenauslese" und "Trockenbeerenauslese" stammen – so gut wie immer – aus Trauben, die mit diesem Edelschimmel befallen sind. Dieser Pilz entzieht den Beeren Wasser, sie schrumpfen rosinenartig ein, wobei Zucker, Säure und Aromastoffe konzentriert werden.

Zu den wichtigsten Produktionsgebieten zählen die Gegend um Sauternes in Südwestfrankreich, Tokaj in Ostungarn und der burgenländische Seewinkel. Ein Charakteristikum für den Tokaji Aszú (Ausbruch), den König Ludwig XIV. als "le roi des vins, le vin des rois" ("der König der Weine, der Wein der Könige") bezeichnet hat, ist die Angabe der Puttonyok (Butten) zu je 25 Kilo von Edelschimmeltrauben auf ein Fass mit 136,5 Litern Inhalt. Je mehr Puttonyok, desto gehaltvoller und süßer der Wein: Drei Puttony bedeutet 60 bis 90 Gramm pro Liter Restzucker, fünf Puttony 120 bis 150 Gramm pro Liter und so weiter.

Über die Entstehung des Tokajers rankt sich folgende Legende:

Als im 16. Jahrhundert die Türken in Ungarn einfielen, blieb die Gegend um Tokaj vorerst verschont. In Erwartung eines Angriffes verschob man die längst fällige Weinlese immer weiter nach hinten und entdeckte so die Edelfäule.

Tatsächlich gibt es Urkunden, die den Tokaji Aszú bereits 1571 erwähnen. Unter anderem hat der hohe Zuckergehalt auch zu einer längeren Haltbarkeit und dadurch zu einer besseren Transportfähigkeit geführt. Selbst im Himnusz, der ungarischen Nationalhymne, wird der Tokajer besungen: "Tokaj szőlővesszein / Nektárt csepegtettél" ("Von den Tokajer Hängen / Lässt du Nektar tropfen").

Eine Flasche Tokaji Aszú.
Foto: Walter Buzina

Kombucha, Kefir und Tee

Pu-Erh-Tee ist ein post-fermentierter Tee und stammt aus Yunnan im Südwesten von China. Er war bereits in der Dang-Dynastie (618-907 n. Chr.) bekannt. Neuerdings wird er auch bei uns geschätzt, da er fett- und cholesterinsenkende Eigenschaften haben soll. In der Vergangenheit wurden große Mengen von Pu-Erh-Tee monatelang in Karawanen bis nach Tibet transportiert. Der Tee konnte während der Reise durch Einwirkung von Sonne, Wind, Regen, Feuchtigkeit und Frost reifen.

Heute wird der meiste Pu-Erh-Tee durch künstliche Reifung hergestellt, die auch als "Aspergillus post-fermentation" bezeichnet wird, da sie erst auf das fertig aufbereitete Ausgangsprodukt angewandt wird. Die Teeblätter von der Teepflanze Camellia sinensis werden gepflückt, anschließend geröstet, getrocknet und durch Zugabe von Sporen von Aspergillus niger fermentiert. Auch der Fu-Zhuan-Brick-Tea ist ein postfermentierter Tee, bei dem die gelben Sporenträger von Aspergillus cristatus zu seiner typischen Farbe führen, den sogenannten Golden Flowers.

Pu-Erh-Tee aus Yunnan in verschiedenen Formen.
Foto: Walter Buzina

Kombucha (japanisch Kombu, Alge und Cha, Tee) ist ein Getränk, das durch Fermentation von (gesüßtem) Tee mit dem sogenannten Teepilz oder Kombuchapilz hergestellt wird. Es handelt sich bei diesem Kombuchapilz allerdings nicht um einen einzelnen Pilz, sondern um eine Symbiose verschiedener Hefepilze und Milchsäurebakterien. Hauptsächlich werden die im Tee vorhandenen Zucker in Alkohol vergoren, daneben werden noch Essig- und Milchsäure produziert. Die dem Kombucha nachgesagten vielfältigen positiven gesundheitlichen Wirkungen sind allerdings nicht wissenschaftlich nachweisbar.

Ebenfalls durch einen Gärungsprozess durch typischerweise Milchsäurebakterien und Hefepilze entsteht Kefir (türkisch köpürmek, schäumen), ein kohlensäure- und leicht alkoholisches Milchgetränk, das ursprünglich aus der Nordkaukasusregion in Russland stammt. Die so oft beworbenen gesundheitlichen Wirkungen sind auch hier nicht belegt, wohl aber ist Kefir leichter verdaulich und haltbarer als Rohmilch. Wird statt Kuh-, Schaf- oder Ziegenmilch Stutenmilch vergoren, spricht man von Kumys (Russland, Kasachstan) beziehungsweise Airag (Mongolei).

Schoko und der Schimmel

Selbst der charakteristische Geschmack von Kakao und Schokolade (aztekisch Xocolatl; xoco, bitter, atl, Wasser) wird durch Fermentation aus den Kakaobohnen gewonnen. Hefepilze wandeln den Zucker des Fruchtfleisches in Alkohol und Kohlendioxid um, Bakterien oxidieren den so gewonnenen Alkohol zu Milchsäure und Essigsäure. Bei der Fermentation entstehen die Aromavorstufen oder Aromen, die an einer guten Schokolade so hoch geschätzt werden.

Fisch, Fleisch und Fleischprodukte

Bei der Reifung von einigen Fleischprodukten und Wurstsorten werden auch Schimmelpilze (Penicillium expansum, Penicillium nalgiovense und andere) eingesetzt. Luftgetrocknete Rohwürste, vor allem in Süd- und Osteuropa (Salami, Salchichon, Sredna Gora, Südtiroler Speck, Bündner Fleisch) werden durch Eintauchen oder Besprühen mit einer Schimmelpilzsuspension hergestellt, um bestimmte positive Eigenschaften hervorzurufen: Die Enzyme bewirken eine größere Zartheit, Geruch und Geschmack werden beeinflusst, ein zu rasches Austrocknen wird verhindert, Sauerstoff an der Oberfläche wird vermindert und Peroxide werden reduziert, was eine Oxidation des Fettes (das Ranzigwerden) verhindert, und nicht zuletzt bewirkt das unter der Wursthaut wachsende Pilz-Myzel eine bessere Schälbarkeit.

Während Salami mit dem typischen weißen Schimmelbelag in den Handel gelangt, wird bei Südtiroler Bauernspeck oder dem schweizerischen Bündnerfleisch die Edelschimmelschicht vor dem Verkauf abgewaschen. In alten Zeiten wurde der Schimmel aber nicht weggeworfen: "Früher kratzte man ihn ab und verwendete ihn als Grippemittel – ist ja eine Art Penicillin." (S. Bingemer).

Für den Südtiroler Speck g.g.A. (geschützte geografische Angabe) werden die Hammen (Schinkenschlegel in Südtirol, vergleiche englisch Ham) mit Salz und einer speziellen Gewürzmischung eingerieben, drei Wochen lang in kühlen Räumen gepökelt und danach abwechselnd im leichten Rauch aus harzarmem Holz und der frischen Luft der Südtiroler Bergtäler getrocknet. Danach haben die Schinken 22 Wochen lang Zeit zu reifen. Während dieser Reifezeit bildet sich die aromabildende Schimmelschicht, die den charakteristischen Geschmack des Südtiroler Specks abrundet.

Mit Edelschimmel bewachsenes Fleisch bei der Reifung.
Foto: Luma

Auch zur Reifung von Frischfleisch werden Schimmelpilze herangezogen. Seit einigen Jahren produziert zum Beispiel die Firma Luma Beef AG (Dry Aging Company) in der Schweiz Steaks und andere Gustostücke für die Spitzengastronomie, indem sie das Fleisch unter Einsatz eines Edelschimmelpilzes bis zu 56 Tage am Knochen im Luma-Verfahren reifen lässt.

Fischsud und Fischsauce

Katsuobushi ist, neben Seetang, Ausgangsprodukt des in der japanischen Küche allgegenwärtigen Fischsuds Dashi. Dazu wird geschnittener Thunfisch gekocht, geräuchert, getrocknet und anschließend mit Sporen des Schimmelpilzes Aspergillus glaucus behandelt und wieder an der Luft getrocknet. Dieser letzte Schritt wird über mehrere Monate mehrfach wiederholt und bewirkt zum einen einen verstärkten Trocknungseffekt, eine Geschmacksverstärkung durch den Ab- und Umbau von Eiweißen, zum anderen verhindert der Schimmelbelag das Eindringen von schädlichen Mikroorganismen und einen Abbau von Fett, was eine ungetrübte, klare Dashi, wichtig für die japanische Ästhetik, gewährleistet. Diese Methode der Schimmelpilzbehandlung wurde um 1770 eingeführt, nachdem ein Händler aus Tosa festgestellt hatte, dass sein während einer Seefahrt ungewollt verschimmeltes Katsuobushi viel geschmackvoller geworden war.

Die Fischsauce Garum (Liquamen) war die Standard-Gewürzsauce im antiken Rom, deren Nachfolger heute noch vereinzelt als Colatura di Alici di Cetara in Kampanien erhältlich ist. Diese Saucen wurden beziehungsweise werden durch Fermentation von Fischen gewonnen, wobei historisch kein Einsatz von Schimmelpilzen dokumentiert ist. Wohl aber ist bei der Produktion von Fischsaucen in Asien (zum Beispiel Nuoc Nam) Koji, eine Kultur aus Reis und dem Schimmelpilz Aspergillus oryzae, ein möglicher Bestandteil.

Schimmel für neue Lebensmittel

Im Nordic Food Lab in Kopenhagen wird seit einigen Jahren mit neuen Geschmäckern und Nahrungsmitteln experimentiert. Vielversprechend gestaltet sich der Einsatz von Schimmelpilzen zur Fermentation, um neue Produkte zu kreieren.

Hier als Beispiel ein Rezept für das Original-Heuschrecken-Garum:

400 g Heuschrecken im Ganzen
600 g Wachsmottenlarven
225 g Gersten-Koji
300 ml Wasser
240 g Salz

Insekten mit Koji, Wasser und Salz mixen. Gefäß abdecken und bei 40 Grad mindestens zehn Wochen fermentieren. Das entstandene Garum setzt sich am Boden ab und kann von der verbleibenden, auch exzellenten Paste, durch Dekantieren oder Sieben getrennt werden.

Diese Aufzählung beinhaltet natürlich bei weitem nicht alle durch Fermentation veredelten Lebensmittel, sondern stellt nur einen kleinen Überblick über die bekanntesten und verbreitetsten Produkte dar. Spannende Geschichten könnten über das äthiopische, aus Tef hergestellte, Injera, die peruanische Chicha und das nigerianische Ogi aus Mais, die indischen Idli und Kanji aus Reis oder aus der Kokosnuss gewonnene Bonkrek aus Java erzählt werden – vielleicht ein anderes Mal. (Walter Buzina, 5.7.2018)

Literaturhinweise

  • Bingemer, S.: Alpenküche, GU Verlag.
  • Bourdichon F. et al. Food fermentations: microorganisms with technological beneficial use. Int J Food Microbiol. 2012; 154: 87-97.
  • Hachisu NS. Preserving the Japanese Way: Traditions of Salting, Fermenting, and Pickling for the Modern Kitchen. Andrews McMeel Publishing, 2015.

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