Für einen katholischen Theologen und angesehenen Wissenschafter mit 1500 Artikeln in wissenschaftlichen Journalen und einer Vielzahl von Büchern führte Alois Musil (1868–1944) ein sehr abenteuerliches Leben, das kämpferische Auseinandersetzungen mit Beduinen, Krankheiten wie Malaria und entbehrungsreiche Ritte auf Kamelen durch die Wüste einschloss.

Im Rahmen zahlreicher Expeditionen auf dem Gebiet der heutigen Länder Syrien, Irak, Libanon, Israel und Jordanien führte er bahnbrechende Forschungen durch, in der historischen Geografie und Topografie, der Ethnografie, Kunstgeschichte und Geschichte. Durch seine Freundschaft mit Prinz Sixtus von Bourbon-Parma gelangte Musil in höchste politische Kreise der Monarchie. Aufgrund seiner tschechischen Herkunft wurde er je nach Sichtweise als "österreichischer" oder "tschechischer Lawrence" bezeichnet.

Alois Musil in beduinischer Tracht im Fotostudio Wüst in Olmütz.
Foto: ÖAW

Wüstenschloss als Sensation der Jahrhundertwende

Dieses Leben war noch nicht abzusehen, als Musil am 30. Juni 1868 als Bauernsohn im mährischen Rychtařov zur Welt kam. Zum Priester geweiht, studierte er in Olmütz zunächst Theologie. Nach seiner Promotion 1895 reiste er zur Vertiefung seiner Arabischstudien nach Jerusalem, von wo aus er schließlich seine intensive Reisetätigkeit begann. Verließ man damals die klassische Pilgerroute in das Gebiet des heutigen Jordanien, wurde das Reisen sehr entbehrlich und auch gefährlich. Nur mit bewaffneten Eskorten konnte Musil reisen.

Was ihm half, war, dass er fließend Arabisch sprach. Das ermöglichte ihm, mit den Beduinen freundschaftliche Kontakte aufzubauen. Diesen Beduinen war es auch zu verdanken, dass er auf einer dieser Reisen im Juni 1897 einen kurzen Blick in das kleine Wüstenschloss im jordanischen Qusair 'Amra werfen konnte – und mit dessen ungewöhnlich prächtigen Wandmalereien eine große Entdeckung gemacht hatte.

Qusair 'Amra von außen (aus Musils Buch "Kuseir 'Amra").
Foto: ÖAW

Islamische Malerei

Denn das Besondere an diesem kleinen Jagd- und Badeschlösschen aus umajjadischer Zeit im frühen achten Jahrhundert ist dessen reiche Ausgestaltung mit Tier-, aber auch Menschendarstellungen. Die damalige Kaiserliche Akademie der Wissenschaften in Wien war zwar von diesen spektakulären Entdeckungen zunächst nicht überzeugt, weil man figürliche Darstellungen von Menschen für mit islamischer Malerei unvereinbar hielt. Dennoch rüstete sie ihn mit Geld aus und stellte ihm den Orientmaler Alphons Mielich (1863–1929) zur Seite, um das Schlösschen – das heute zum Weltkulturerbe der Unesco gehört – umfassend zu dokumentieren.

Mielichs Zeichnungen zeigten Wirkung. Die Rückkehr der beiden nach Wien geriet zum wissenschaftlichen Triumph, und die von der Akademie publizierten Werke "Kuseir 'Amra" (zwei Bände, 1907) und "Arabia Petraea" (drei Bände, 1907/08) wurden der Grundstein der wissenschaftlichen Karriere Musils. Die Kaiserliche Akademie gründete 1902 zudem die "Nordarabische Kommission", die die Aufgabe hatte, die Reiseergebnisse Musils aufzuarbeiten. Getrübt wurde der Erfolg nur von einem Rechtsstreit mit Mielich, der Originalmalereien aus dem Schloss nach Berlin verkaufte, wo sie noch heute im Museum für Islamische Kunst zu sehen sind.

Innenansicht mit Wandmalerei aus Qusair 'Amra (aus Musils Buch "Kuseir 'Amra").
Foto: ÖAW

Mit Habsburgerprinz auf Kavalierstour durch den Orient

Der Laufbahn Musils tat das keinen Abbruch: Im Jahr 1909 wurde er Ordinarius für Biblische Hilfswissenschaft und Arabische Sprache an der Universität Wien. 1919 wechselte er an die Universität Prag, um dort das Institut für Orientalistik aufzubauen.

Seinen zahlreichen Reisen verdankte Musil auch die Bekanntschaft mit Sixtus von Bourbon-Parma, dem Bruder der späteren Kaiserin Zita. 1912 ließ er sich überreden, den jungen Prinzen auf seiner Kavalierstour, einer Art Bildungsreise für Adelige, durch den Orient zu begleiten. Die vier Monate dauernde Reise führte die kleine Reisegruppe von Damaskus über Palmyra bis nach Kufa, Babylon und Bagdad. Nachdem sie einmal einen bewaffneten Raubüberfall hatten abwehren können, wurden sie gegen Ende der Reise doch noch vollständig ausgeraubt, sodass der unter Pseudonym reisende Prinz ziemlich abgerissen in Aleppo ankam und sich bis Ende Juni in Damaskus von den Strapazen erholen musste. Aus dieser Reisebekanntschaft resultierte ein enges Verhältnis zur Kaiserfamilie, die Musil in politischen Fragen zum Orient beriet.

Gegenspieler von T. E. Lawrence im Ersten Weltkrieg

Musil war aber nicht nur Berater. Er war durchaus auch ein Mann der Praxis, wenn es um Politik im arabischen Raum ging. In zwei Missionen, 1914 und 1917, versuchte Musil im offiziellen Auftrag des Kaisers, die beduinischen Stämme untereinander zu einen. Gleichzeitig wollte er den englischen Einfluss auf die arabischen Stämme einschränken, was ihn zum direkten Gegenspieler von T. E. Lawrence machte, der dieselben arabischen Stämme zum Aufstand gegen das Osmanische Reich anzustiften versuchte.

Letztlich gelang es Musil nicht, die Selbstständigkeit der arabischen Stämme zu erhalten. Daher konzentrierte er sich schließlich auf den wirtschaftlichen Aspekt der Beziehungen mit dem Orient und trug 1916 wesentlich zur Gründung der k. k. österreichischen Orient- und Überseegesellschaft bei. Seinen beduinischen Freunden des Rwala-Stammes, mit dessen Oberhaupt Nuri Ibn Sha’lan er in tiefer Freundschaft verbunden war, setzte er 1928 mit dem Buch "The Manners and Customs of the Rwala Bedouins" ein Denkmal. Es ist eine einzigartige ethnografische Beschreibung des beduinischen Lebens, das er über viele Monate hinweg teilte. Als Musil 1944 starb, hatte er Arabien den westlichen Lesern geöffnet.

Blickt man in die Gegenwart, dann zeigen die tragischen Kriegsereignisse im Irak und in Syrien, dass Musil mit seinen akribischen topografischen Beschreibungen der Nachwelt nicht nur eine historische Reiseaufnahme hinterlassen hat. Folgt man seinen Routen mit dem Finger auf der Landkarte, so sind viele der Orte, die er beschrieb, heute nicht mehr erreichbar oder zerstört. Der Vergleich mit Lawrence – heute vor allem unsterblich aufgrund seiner Verkörperung durch den Schauspieler Peter O’Toole im Film "Lawrence of Arabia" – wird von Musils Biograf Johannes Bauer treffend beschrieben: "Vieles von dem, was Lawrence sein wollte, entspricht dem, was Musil war: ein Kenner Arabiens, ein wagemutiger Forscher, ein echter Freund der Beduinen." (Sibylle Wentker, 29.6.2018)