Bild nicht mehr verfügbar.

Der 21-jährige Satish Bhaykre wurde infolge einer Falschnachricht von einem Mob im eigenen Haus verprügelt.

Foto: Reuters

Über soziale Medien verbreitete Falschnachrichten entzweien die Gesellschaft und schüren Hass. Im Rahmen der Flüchtlingsbewegung von 2015 und dem US-Präsidentschaftswahlkampf 2016 rückte das Problem mit Hassbotschaften und "Fake News" hoch auf die netzpolitische Agenda

Das Verbreiten von Angst und Lügen hat nicht nur langfristige Folgen für den demokratischen Diskurs, sondern kann auch unmittelbar fatale Konsequenzen haben. In Indien kämpft der unter dem Dach von Facebook operierende Messengerdienst Whatsapp mit dem Phänomen. Zirkulierende Falschmeldungen haben dort bereits mehrere Menschenleben gekostet, berichtet Reuters.

Fake-Warnung vor Organ- und Kinderhändlern

Schon mehrfach haben sich alleine in diesem Jahr infolge der Verbreitung Angst schürender Meldungen Lynchmobs gebildet. Mehr als ein dutzend Menschen wurde von diesen tätlich angegriffen. Zumindest drei starben durch den Angriff der aufgebrachten Menge.

Im indischen Bundesstaat Madhya Pradesh machte eine Nachricht die Runde, die davor warnte, dass rund 500 als Bettler getarnte Personen unterwegs seien, um andere Menschen zu ermorden und ihre Organe zu verkaufen. Empfänger wurden aufgerufen, die Botschaft auch an Familienmitglieder und Freunde weiter zu leiten. In einem Dorf gerieten zwei Männer in den Verdacht, der angeblichen Organhändlerbande anzugehören. Ein Mob aus 50 bis 60 Anwohnern lief auf und verprügelte sie.

Die Nachricht war freilich frei erfunden. Die Polizei nahm infolge des Vorfalls drei Männer fest, die verdächtigt werden, die Botschaft verfasst zu haben. Erst in der Woche zuvor sorgte ein ähnlicher Text, der Angst vor Kinderhändlern schürte, dafür, dass ein unschuldiger 26-jähriger Bauarbeiter auf offener Straße von einer aufgebrachten Menschenmenge angegriffen wurde.

Brenzlige Situation im größten Markt

Für Whatsapp werden diese Entwicklungen ein zunehmendes Problem. Indien kämpft bereits mit gesellschaftlichen Spannungen, etwa zwischen der hinduistischen Mehrheitsbevölkerung und der muslimischen Minderheit oder den Folgen des offiziell abgeschafften, vielerorts aber weiterhin praktizierten Kastenwesens.

Alleine 2017 wurden bei entsprechenden Auseinandersetzungen über 100 Menschen getötet und rund 2.400 verletzt. Zwar ist unklar, wie viele der Vorfälle auf Falschnachrichten zurückgehen, jedoch haben selbige in diesem Klima ein hohes virales Potenzial.

Informationsoffensive geplant

Besonders relevant ist das Problem für Whatsapp auch, weil Indien der größte Markt für den Messenger ist. Man verweist darauf, dass das Problem im Kontext der gesamten Nutzung der App relativ klein sei. 90 Prozent aller Nachrichten würden nur zwischen zwei Personen ausgetauscht, in einer durchschnittlichen Chatgruppe befinden sich sechs Leute. Jedoch wolle man zusätzliche Bestrebungen unternehmen.

Man will besonders auf Information setzen, um Nutzer über Sicherheitsfunktionen von Whatsapp zu unterrichten und ihnen beizubringen, wie man "Fake News" erkennt. Zudem testet man derzeit die Markierung weitergeleiteter Nachrichten, was die Identifizierung des Verlaufs und ihres Ursprungs erleichtern könnte. Es gibt außerdem Gespräche zwischen der Regierung und dem Unternehmen, zu der aber beide Seiten keine Auskunft geben wollen.

Regierung zieht Zügel an

Netzpolitisch ergibt sich auch ein anderes Spannungsfeld. Die indische Regierung drängt schon länger darauf, von sozialen Netzwerken mehr Daten über Nutzer zu erhalten. Dies solle auch dazu dienen, Nutzer, die gefährliche Gerüchte in die Welt setzen, leichter zur Verantwortung ziehen zu können. Datenschützer sind allerdings besorgt. Sie sehen darin einen Vorwand, mit der sich die Regierung ein Werkzeug sichern will, um gegen Aktivisten und die politische Opposition vorzugehen.

Teilweise hat die Regierung die Zügel schon angezogen. Zahlungsdienstleister müssen Transaktionsdaten mittlerweile im Land speichern. Außerdem befindet sich ein Datenschutzgesetz in Arbeit, das auch Facebook und Co. verpflichten könnte, Daten indischer Nutzer in Indien zu speichern und behördlichen Zugriff zu erlauben. (red, 26.06.2018)