Stiftungsräte von ÖVP und FPÖ, etwa der neue Stiftungsratsvorsitzende Norbert Steger (rechts), verlangen seit Jahren verbindliche, strengere Richtlinien von ORF-Chef Alexander Wrabetz für Äußerungen von ORF-Mitarbeitern auf Social Media.

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Neue Social-Media-Regeln sollen für "ZiB 2"-Moderator Armin Wolf und andere ORF-Mitarbeiter kommen. Wolf hat auf Twitter über 400.000 Follower.

Wien – Alexander Wrabetz hat seinen Norbert Steger gelernt. Montagnachmittag im Finanzausschuss des Stiftungsrats klang Wrabetz schon ganz nach dem neuen blauen Vorsitzenden des obersten ORF-Gremiums.

Genauer versprach Wrabetz in den ORF-Nachrichten zwischen (Korrespondenten-)Bericht, Analyse und Kommentierung zu unterscheiden – eine häufige Forderung Stegers. Und der ORF-General kündigte nun aber wirklich Social-Media-Regeln für ORF-Mitarbeiter an. Die fordern Steger und vor allem der Fraktionssprecher der ÖVP-nahen Stiftungsräte, Thomas Zach, seit Jahren. ORF-General Wrabetz trifft Steger und Zach, Vorsitzender des Finanzauschusses, seit Monaten regelmäßig zum Mittagessen.

Die Stiftungsräte bekamen die neuen Social-Media-Regeln am Montag noch nicht zu sehen. Donnerstag im Plenum erwarteten sie Wrabetz’ Entwurf. Über den Text sind noch Gespräche mit Betriebsrat und Redakteursrat vorgesehen.

Dem STANDARD liegt ein Entwurf vor. Offenbar irrtümlich wurde das Dokument an einen Teil der Radiomitarbeiter versandt. Die Dateiinfos weisen einen Mitarbeiter im Büro des ORF-Generaldirektors als Autor aus, erstellt wurde es Ende voriger Woche.

"Auch im privaten Umfeld"

Diese "ORF-Social-Media-Leitlinien" seien "als Dienstanweisung von allen journalistischen und programmgestaltenden Mitarbeiter/innen des ORF zu befolgen", heißt es in dem Schreiben. Es verlangt etwa "auch im privaten Umfeld" auf Social Media den Verzicht auf "öffentliche Äußerungen und Kommentare in sozialen Medien, die als Zustimmung, Ablehnung oder Wertung von Äußerungen, Sympathie, Antipathie, Kritik und 'Polemik‘ gegenüber politischen Institutionen, deren Vertreter/innen oder Mitgliedern zu interpretieren sind".

ORF-Mitarbeitern untersagt die "Dienstanweisung" auch öffentliche Äußerungen, "die eine voreingenommene, einseitige oder parteiische Haltung zum Ausdruck bringen, die Unterstützung derartiger Aussagen und Initiativen Dritter sowie die Teilnahme an derartigen Gruppen, sofern damit die Objektivität, Unparteilichkeit und Unabhängigkeit des ORF konterkariert würde".

"Betriebsrat und Redakteursrat erläutern"

Der ORF dazu auf Anfrage: "Die angekündigten Social-Media-Guidelines des ORF liegen nun im Entwurf vor und orientieren sich an internationalen Vorbildern wie etwa jenen der 'New York Times'. Im Mittelpunkt steht die Absicherung der Unabhängigkeit, Unparteilichkeit, Objektivität und Äquidistanz des ORF."

Die Richtlinien waren laut ORF "sinngemäß auch schon im Umfeld der letzten Wahlen in Geltung" und sollen nun "im Sommer in Kraft treten. Zuvor wird es noch ein Gespräch mit dem Redakteursrat und dem Zentralbetriebsrat geben, um die Intention und Interpretation der Guidelines zu erläutern."

"Kniefall" vor ÖVP und FPÖ

Gerhard Moser, Zentralbetriebsratschef des ORF, erklärt dazu: "Erlässe dieser Art sind gegenstandslos, solange sie nicht mit dem Zentralbetriebsrat, der Belegschaftsvertretung, besprochen und verhandelt werden. Was hier vorliegt, scheint, wie ich etlichen Stimmen aus dem Haus entnehmen kann, ein Kniefall des amtierenden Generaldirektors vor den schwarz-blauen Wünschen und Diktaten gegenüber ORF-Journalisten zu sein."

Gudrun Stindl, Betriebsrätin des ORF-Radios, sagt: "Ich gehe davon aus, dass diese Richtlinien noch überarbeitet werden."

Wrabetz' per Mail versandte Anweisung im Wortlaut:

ORF Social-Media-Leitlinien
Soziale Medien spielen eine zentrale Rolle in einer zunehmend digitalisierten Gesellschaft. Die globale Vernetzung eröffnet Privatpersonen ebenso wie journalistischen Medien neue Kommunikations- und Interaktions-Möglichkeiten.
Neue Möglichkeiten bedeuten auch neue Risiken. Die private Nutzung dieser Plattformen ist als Ausdruck freier Meinungsäußerung und demokratischen Diskurses grundsätzlich begrüßenswert. Die Funktionsweise sozialer Medien bringt allerdings eine andere Art der Wahrnehmung und Zuordnung von Inhalten mit sich, die eine Unterscheidbarkeit von beruflicher und privater Sphäre für Dritte erschweren oder gar unmöglich machen kann.
ORF-Mitarbeiter/innen – ganz besonders jene, die aufgrund ihrer öffentlichkeitswirksamen Tätigkeit oder Stellung als in besonderer Weise mit dem ORF verbunden wahrgenommen werden – tragen eine besondere Verantwortung dafür, dass ihre Meinungsbekundungen in sozialen Medien keine Zweifel an der integren und rechtskonformen Aufgabenbesorgung durch sie in den Sendungen und Angeboten des ORF oder an der Glaubwürdigkeit des ORF aufkommen lassen.
Objektivität, Unparteilichkeit und Unabhängigkeit sind die verfassungsrechtlich garantierten wie geforderten Grundlagen öffentlich-rechtlichen journalistischen Arbeitens, die insbesondere im ORF-Gesetz, im Verhaltenskodex, dem ORF-Redakteurstatut oder den ORF-Programmrichtlinien umfassend und detailliert geregelt sind. Ebenso ergeben sich aus Arbeits- und Kollektivverträgen Handlungsanleitungen. All diese Regeln gelten auch für soziale Medien. Darüber hinaus hat die Redakteursvertretung mit den Social-Media-Guidelines für ORF-Journalist/innen Empfehlungen für den Umgang mit sozialen Medien ausgegeben.
Zur Sicherstellung dieser Grundsätze, Vorgaben und Empfehlungen und damit der Glaubwürdigkeit des ORF und seiner Mitarbeiter/innen ist daher auch im privaten Umfeld zu verzichten auf
öffentliche Äußerungen und Kommentare in sozialen Medien, die als Zustimmung, Ablehnung oder Wertung von Äußerungen, Sympathie, Antipathie, Kritik und "Polemik" gegenüber politischen Institutionen, deren Vertreter/innen oder Mitgliedern zu interpretieren sind.
öffentliche Äußerungen und Kommentare in sozialen Medien, die eine voreingenommene, einseitige oder parteiische Haltung zum Ausdruck bringen, die Unterstützung derartiger Aussagen und Initiativen Dritter sowie die Teilnahme an derartigen Gruppen, sofern damit die Objektivität, Unparteilichkeit und Unabhängigkeit des ORF konterkariert würde.
Die entsprechenden Meinungsbekundungen können dabei sowohl durch direkte Äußerungen erfolgen als auch indirekt durch Zeichen der Unterstützung/Ablehnung wie Likes, Dislikes, Recommends, Retweets oder Shares.
Eine konkrete Beurteilung kann jeweils nur im Einzelfall unter Abwägung aller Umstände und nach Maßgabe der erwähnten rechtlichen Vorgaben erfolgen. Im Zweifel ersuche ich darum von einer Meinungsäußerung Abstand zu nehmen.
Diese ORF Social Media-Leitlinien sind als Dienstanweisung von allen journalistischen und programmgestaltenden Mitarbeiter/innen des ORF zu befolgen und gelten für Tochtergesellschaften als Gesellschafterweisung.
Die jeweiligen redaktionellen Vorgesetzten (Chefredakteure, Hauptabteilungsleiter/innen) haben die Einhaltung der ORF Social Media-Leitlinien sicherzustellen und zu kontrollieren.
Dr. Alexander Wrabetz

Channel-Manager im Programmausschuss

Mittwoch sollen die nach dem Regierungswechsel neu von Wrabetz installierten Channel-Manager Lisa Totzauer und Alexander Hofer dem Programmausschuss ihre Pläne für ORF 1 und ORF 2 referieren. Am Donnerstag soll der Stiftungsrat den Jahresabschluss 2017 (mit tiefschwarzen Zahlen) abnicken, Thema auch: mehr Autonomie und Produktionen der Landesstudios. Regionalisierung könnte – neben mehr Möglichkeiten online und einem Vorstand für den ORF statt des Alleingeschäftsführers – Thema einer ORF-Novelle im Herbst sein. "Nichts dran", heißt es dazu im Kanzleramt. (fid, 26.6.2018)