Nick Cave gastiert mit den Bad Seeds, auf der Burg Clam. Wer während des Vortrags lacht, landet im Verlies.

Foto: wohnzimmer

Scharenweise werden sie zu ihm gelaufen kommen, und er wird darüber singen. Sein empfängliches Into My Arms taucht in der aktuellen Setlist Nick Caves beständig auf. Es ist eine jener innigen Balladen, mit denen der australische Dunkelmann ein solcher wurde, nachdem er den biestigen Zorn seiner frühen Jahre mit getragenen Songs in eine Balance rückte. Bevor sie bald darauf das eigentliche Hauptgewicht seines Werks auszumachen begannen.

Live bemüht sich der 60-Jährige mit seiner Band The Bad Seeds um eine Mischung aus Angriffigkeit und ruhigen Momenten, in denen er die Wange seinen Musen immer noch zum Kusse hinhält. Bussi, Baby, wie man heute sagt.

Pietätlose Kritik

So wird es am Donnerstag sein. Da gastieren Nick Cave and the Bad Seeds auf der Burg Clam in Oberösterreich – ein passender Rahmen für diesen Burgherren des Schattseitigen und ein notwendiger Exorzismus für die Bühne dort, die eben noch die Absätze von Nickelback zu erdulden hatte. Für viele befindet sich der in England lebende Cave in der Form seines Lebens. Andere hingegen empfinden seine letzten Alben als eher träge bis dröge, als langweilige Etüden im Einzugsgebiet des Kunstlieds und des Kunstleids. Wobei Kritik am aktuellen Album Skeleton Tree gerne als gefühl- oder pietätlos abgetan wird, schließlich verarbeitet Nick Cave darauf nicht weniger als den Tod seines Sohnes Arthur, der 2015 tödlich verunglückt war.

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Der Kanon der Kritik befindet zumindest, dass Caves Livekonzerte dieser Tage tatsächliche jene Hochämter sind, als sie schon gefeiert wurden, als der vielseitige Künstler noch mit Storchennestfrisur und unter Einfluss verbotener Substanzen mit dem Gleichgewicht kämpfte. Als er wie ein ramponierter großer schwarzer Vogel mit den Mythen des US-amerikanischen Südens rang.

Intensiv statt virtuos

Da erschien ihm König Elvis in Tupelo ebenso wie der Todesengel auf dem Mercy Seat, bevor ein Stromstoß das Licht für immer löscht – welch ein grausamer Anachronismus. Mit solchen Songs und Themen hat Nick Cave ab den frühen 1980ern weltweit sein Publikum verführt und vergrößert.

Dabei blieb er einigen Punk-Idealen treu. Nicht Virtuosität, sondern Wirkung zählen, nicht richtig spielen ist wichtig, sondern die Intensität des Vortrags. Der mag nach all den Jahrzehnten auf einer gewissen Routine gebettet und abgesichert sein.

An guten Abenden entzünden sich Cave und seine Bösen Samen aber immer noch aneinander. Auf eine Art, die keinen Vergleich kennt. In diesem Sinne: Möge sich der Weg am Donnerstag einmal mehr lohnen. (Karl Fluch, 27.6.2018)