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Die Pläne zur Kompetenzverschiebung im Bereich der Kinder- und Jugendhilfe stoßen auf Widerstand unter Praktikern.

Foto: dpa/Patrick Pleul

Wien – Der Bund soll künftig nicht mehr für die Rahmengesetzgebung im Bereich der Kinder- und Jugendhilfe zuständig sein. So sieht es die von Justizminister Josef Moser (ÖVP) geplante "Entflechtung der Kompetenzverteilung", im Zuge derer Zuständigkeiten von Bund und Ländern neu geregelt werden, vor.

Das Vorhaben ruft nun immer mehr Kritiker auf den Plan. Auf Initiative der Kinder- und Jugendanwaltschaft versucht ein Bündnis, dem unter anderem die zuständige Kommission der Volksanwaltschaft, Familienrichter, Sozialarbeiter, die Kinderschutzzentren sowie die Liga für Kinder- und Jugendgesundheit angehören, gegen die Pläne mobilzumachen.

Große Unterschiede

Schon jetzt seien die Unterschiede zwischen den einzelnen Bundesländern trotz einheitlicher Mindeststandards enorm, kritisieren die Experten. "Der Bund will keine Verantwortung mehr für Maßnahmen im Bereich Kinderschutz übernehmen", sagt Hubert Löffler, Geschäftsführer des Dachverbands der österreichischen Kinder- und Jugendhilfeeinrichtungen.

Erst 2013 habe sich der Bund nach bekanntgewordenen Kindestötungsfällen dazu durchringen können, Lücken im Bereich des Kinderschutzes zu schließen. Noch vor den Ergebnissen der Gesetzesevaluierung müsse "dieses Gesetz nach nur fünf Jahren sterben", sagt Löffler. Gebe es gar keine bundesweit einheitlichen Mindeststandards, könne es zu einem "Jugendhilfe-Tourismus" zwischen den einzelnen Bundesländern kommen.

Kinderschutzzentren sehen Widerspruch

Die Rahmengesetzgebung solle im Bereich der Kinder- und Jugendhilfe nicht nur beim Bund belassen, sondern sogar deutlich ausgebaut werden, fordert Martina Wolf, Geschäftsführerin der österreichischen Kinderschutzzentren.

Der Bundesverband der Kinderschutzzentren ist in der aktuell laufenden Strafrechtsarbeitsgruppe ("Strafrechts-Taskforce") der Bundesregierung eingebunden – konkret in der Untergruppe zum Thema Opferschutz.

In den Bestrebungen, einerseits im Rahmen dieser Arbeitsgruppe bundesweit bessere Lösungen für Kinder zu finden, aber andererseits die Bundeskompetenz in der Kinder- und Jugendhilfe aufzugeben, sieht Wolf einen "strukturellen Widerspruch".

Prüfung der Auswirkungen

Nicht nur Praktiker stehen den Plänen skeptisch gegenüber. In einem Brief an die Kinder- und Jugendhilfeeinrichtungen, der dem STANDARD vorliegt, stellt Familienministerin Juliane Bogner-Strauß (ÖVP) klar: "Ich sehe Kinderschutz als gesamtgesellschaftliche Aufgabe an."

Der anstehenden "Strukturbereinigung" stehe man zwar grundsätzlich positiv gegenüber, im Bereich der Kinder- und Jugendhilfe sehe man aber "die Übertragung der Gesetzgebung und Vollziehung in die alleinige Zuständigkeit der Länder kritisch." Der Schutz von Kindern soll weiterhin bundesweit einheitlich gewährleistet sein, heißt es außerdem.

Gespräche mit dem Justizministerium habe es bereits gegeben, sagt ein Sprecher der Ministerin gegenüber dem STANDARD. Etwaige Auswirkungen sollen von Mitarbeitern des Familien- und Jugendministeriums während der Begutachtungsphase eingehend geprüft werden.

Erst im April feierte man im Jugend- und Familienministerium den nach jahrzehntelangem Tauziehen mühsam erreichten Beschluss von acht Bundesländern, im Bereich des Jugendschutzes künftig gemeinsame Sache machen zu wollen, als "historisch". Jahrelang waren Jugendminister mit ihrem Wunsch, die Vorschriften in diesem Bereich bundesweit zu vereinheitlichen, an der Länderkompetenz gescheitert. (Vanessa Gaigg, 26.6.2018)