Das Restaurant im Dachgeschoß des Steffl-Kaufhauses versucht mit einem Kreativkoch den Neustart.

Foto: Gerhard Wasserbauer

Brot mit Flusskrebsschwänzen

Foto: Gerhard Wasserbauer

Roman Wurzer galt vor ein paar Jahren als kommendes Talent, das die Gourmetszene der Hauptstadt mit wilden Kreationen und hochgradig Instagram-tauglicher Tellerarchitektur aufzumischen versuchte. Zuletzt war er im Hotel The Ring beschäftigt, wo die Frühstücksraum-Anmutung des Restaurants offenbar mit dezidiert verspielter Küche konterkariert werden sollte. Dafür setzte Wurzer stark auf transformierte Zutaten (Cremes, Pürees, Gels ...) – eine schwierige Übung, manchmal auch für den Gast.

Vor ein paar Wochen ist der Mann am Dach des Steffl gelandet. Das Restaurant Sky hatte trotz toller Aussicht und mehrfacher, zum Teil sehr prominent besetzter Anläufe, sich im Nobelsegment zu etablieren, lange ein Imageproblem. Das neue Konzept sieht zwar auch ein "Kreativmenü" vor, die Küche fährt ansonsten aber eine breit angelegte Linie mit Gerichten, auf die sich im Zweifel wohl die meisten einigen können: Pasta, Steaks, Burger und Sandwiches, dazu ein bisserl Wiener Küche für Touristen und jenen gewichtigen Teil der Bevölkerung, für dessen Gedeihen eine kontinuierliche Schnitzelzufuhr offenbar Bedingung ist. Das klingt erst einmal sehr fad, Wurzer hat aber dafür gesorgt, dass sich die Speisekarte dennoch animierend liest.

Mehr als zufriedenstellende Weinauswahl

Die Terrasse vor dem steil aufragenden Stephansdom ist ein unverändert spektakulärer Ort, aber auch von innen ist der Blick auf Kirchturm und -dach dank großer Fensterflächen beeindruckend. Der Service wirkt zuvorkommend und bemüht, die Weinauswahl ist mehr als zufriedenstellend.

Sandwiches kosten um die 13 Euro und sehen richtig spektakulär aus: zum Beispiel jenes Brot mit Flusskrebsschwänzen, die (siehe Bild) auf – sehr süß abgeschmeckter – Senfgurken-Gemüsemayonnaise arrangiert und mit steil aufragenden, leider laschen Reischips dekoriert sind. Die Krebsschwänze sind Tiefkühlware, im Biss saftig, aber weitestgehend geschmacklos: Protein als Trägermasse für die Aromen der Mayonnaise. Das Brot mit Beef Tartare, gehacktem, hartem Ei und Zwiebelmarmelade sieht hübsch aus, auch hier ist das Schwarzbrot der Weinviertler Bäckerei Öfferl sehr gut – wieder ist Süße (in diesem Fall jene der großzügig aufgetragenen Zwiebelmarmelade) die alles überlagernde Geschmacksempfindung.

Süßspeisen

Richtiggehend klebrig wird es bei Wassermelonen-Gazpacho mit Hummer und Avocado-Ziegenfrischkäseröllchen aus dem Kreativmenü: die Suppe eine (dank Gelierzucker?) kaum noch flüssige, sirupös süße Kreation, in der ein sehr saftiges, fast rohes Stück Hummer eher ratlos wirkt – auch, weil die Avocadoroulade außer Fett offenbar nichts zur Abstimmung des Gerichts beitragen soll.

Bei den hausgemachten Fleckerln mit karamellisiertem Spitzkraut ist das "Siaßlerte" dann gut aufgehoben: Die seidig zarten, unregelmäßig geschnittenen Nudeln noch beinahe bissfest, das Kraut sehr fein, mit gutem Essig gesäuert und exakt abgeschmeckt, ein tadelloser Klassiker der Wiener Küche.

Hummerburger punktet mit einer ordentlichen Portion vom Krustentier, der Brioche-Bun ist saftig und frisch – in Kombination mit der abermals sehr süßen Trüffelmayo samt Cole Slaw und den, oha, Süßkartoffelchips geht es aber wieder recht pickig zu – schade! Ein Dessert könnte man sich danach eigentlich sparen, wenn da nicht dieser fein karamellisierte Kaiserschmarren wäre, außen knusprig und innen flaumig, der mitsamt einem fein säuerlichen Beerenröster das vielleicht gelungenste Gericht darstellt. (Severin Corti, 29.6.2018)

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