Das Außenthermometer steigt stetig nach oben. Die ersten heißen Junitage kündigen schon den Hochsommer an. Das ist der Zeitpunkt, an dem wieder die alljährlichen archäologischen Grabungsarbeiten im Hallstätter Hochtal beginnen. Von Anfang Juli bis Mitte August steht hier das Ausgrabungsteam rund um Anton Kern, Direktor der Prähistorischen Abteilung des Naturhistorischen Museums, bereit, im Areal des Hallstattzeitlichen Leichenfeldes Forschung zu betreiben. Dazu gehören auch wir, Julia Klammer und Hans Rudorfer.

Arbeiten, wo andere Urlaub machen: unser Grabungszelt.
Foto: Andreas W. Rausch/NHM

Kleiner Schnitt, weiter Blick

Von 2009 bis 2014 konnten auf einer kleinen Fläche, liebevoll "Langmoosbach-Süd" genannt, sieben Gräber freigelegt werden, darunter fünf Körper- und zwei Brandbestattungen. Die Toten wurden (traditionell) mit zahlreichen Beigaben beerdigt, was an großen Trinkgeschirrsätzen aus Bronze und Keramik, Statuswaffen mit Repräsentationssymbolik, Schmuck in Form von Bernstein- und Glasperlen, Trachtbestandteilen wie Schmuckgürtel und Fibeln verdeutlicht wird. Sogar ein Bärenfell wurde einem der Toten mitgegeben.

Die Gräber datieren in den jüngeren Abschnitt der Hallstattzeit und lassen anhand ihrer Lage und Entfernung zu den älteren erahnen, wie groß der circa 400 Jahre lang genutzte prähistorische Friedhof einst gewesen sein muss.

Freiliegende Gräber.
Foto: Ralf Totschnig/NHM

Seit 2014 konnten im Grabungsschnitt "Langmoosbach-Süd" keine weiteren Bestattungen mehr festgestellt werden. Unter den beschriebenen Gräbern endet allerdings nicht die Geschichte der prähistorischen Menschen. Es offenbaren sich noch weitaus ältere Strukturen, nämlich aus der bronzezeitlichen Ära des Salzbergs (die Bronzezeit in Österreich war circa 2200 bis 800 v. Chr.). Verpackt unter einer dicken Lettenschicht – als Letten bezeichnet einen zumeist grauen, in feuchtem Zustand zähen, schmierig-fettigen Schieferton – konnten sich zahlreiche organische, darunter nicht nur archäologische, sondern auch zoologische und botanische Reste aus der jener Zeit erhalten.

Ein Holzblockbau der Bronzezeit

Bei dem 2013 erstmals entdeckten Befund handelt es sich um einen circa 3.000 Jahre alten Blockbau der Spätbronzezeit, der aktuell noch nicht vollständig ausgegraben ist. Schnell war uns allerdings klar, dass es sich bei diesem Befund um eine Neuentdeckung handeln musste, denn der Blockbau offenbarte einzigartige Konstruktionsmerkmale, die bis heute an keinem der bekannten Objekte in Hallstatt festgestellt werden konnten.

Perspektivische Ansicht des Holzblockbaus.
Modell: Crazy Eye/NHM

Eine dieser Besonderheiten stellen seine nach außen hin versetzten Holzlagen dar, die zu einer schrägen Wandform führen. Trapezförmige und nach innen offene Kerben sind ein weiteres Spezifikum, das uns aufgrund der fehlenden Vergleiche Rätsel aufgibt. Die Kerben sind dabei vertikal wie auch horizontal linienhaft aneinander ausgerichtet und auch in jedem Rundling eingebracht. Welchen Nutzen diese schrägen Wände mit den unzähligen, aber strukturiert angeordneten Kerben erfüllten, wissen wir noch nicht. Die Geheimnisse um die Funktion und den Zweck des Baus sollen aber im Zuge der heurigen Kampagne gelüftet werden.

Detail der Kerben.
Foto: Hans Rudorfer/NHM

Einzigartige Funde

Organische Funde wie Hölzer eines Blockbaus stellen als archäologisches Fundgut eine wahre Rarität dar, denn nur unter wenigen Bedingungen können organische Substanzen über Jahrtausende hinweg bewahrt werden. Dank des Lettens – des Sediments, das die Hölzer umgibt – konnten sich die Rundlinge des Holzbaus hervorragend erhalten. Vor allem in den tieferen Lagen weisen sie eine verblüffend feste Struktur auf.

Doch nicht nur Holz, sondern auch weitere botanische Reste wie Samen oder Blätter und zoologische Fragmente wie die Rückenpanzer von Käfern (Chitin) haben sich im Letten erhalten. Das zähe und dichte Material hat neben seinen hervorragenden konservatorischen Eigenschaften allerdings auch Nachteile, denn aufgrund seiner Beschaffenheit lässt es sich nur sehr schlecht von den Funden lösen. Darunter leiden vor allem weiche und zarte Reste, die beim physischen wie auch chemischen Trennverfahren in Mitleidenschaft gezogen werden. Der "Fluch und Segen des Lettens", der uns einerseits reiches Fundgut beschert, andererseits uns nur Teile davon sicher bergen und konservieren lässt, schwebt also über uns.

Käfer und Samen im Letten.
Foto: Daniel Brandner/NHM

Vorhaben 2018

Im heurigen Sommer wollen wir diesem einzigartigen Befund seine Geheimnisse weiter entlocken und dem bronzezeitlichen Objekt im wahrsten Sinne des Wortes "auf den Grund gehen".

Ob wir es tatsächlich schaffen werden, welche Rätsel gelüftet werden und welche uns womöglich zu heben noch auferlegt geblieben sind, davon können sich interessierte Besucher am 18. und 19. August im Hallstätter Hochtal bei dem alljährlichen Öffentlichkeitswochenende "Archäologie am Berg" überzeugen. Mit dieser Veranstaltung schließt traditionell die Ausgrabungssaison obertage, doch läutet sie zugleich den Start der archäologischen Arbeiten in den Tiefen des Salzbergs ein.

Wer es nicht schafft, uns vor Ort zu besuchen, dem bietet dieses Jahr auch Servus TV die Möglichkeit, sich über unsere Arbeiten im Hochtal zu informieren. Denn eine heuer produzierter "Terra Mater"-Folge, die bereits im Herbst (Ende Oktober, Anfang November) ausgestrahlt werden soll, widmet sich der langjährigen archäologischen Forschung von Hallstatt. Es bleibt also spannend, "denn sie ahnten ja nicht, was ihnen bevorstand!" (Julia Klammer, Hans Rudorfer, 28.6.2018)