Der umstrittene Einsatz einer Tiroler Sondereinheit hat nun ein gerichtliches Nachspiel, das Fragen aufwirft.

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Schwaz – Die Anklage lautet Beihilfe zum Sozialbetrug und kann bis zu sechs Monate Freiheits- oder 360 Tagsätze Geldstrafe nach sich ziehen. Am 20. Juli muss sich Frau S., eine 62-jährige Pensionistin aus Weer, vor dem Bezirksgericht Schwaz dafür verantworten, einem Asylberechtigten und seinen beiden Töchtern kostenlos Unterkunft gewährt zu haben. Die drei gehören zu einer siebenköpfigen syrischen Familie, die als anerkannte Flüchtlinge in Tirol leben, aber keine für sie alle passende Wohnung finden konnten.

S., die sich seit Jahren in ihrer Gemeinde für Flüchtlinge engagiert, bot daher an, dass Vater und Töchter kostenlos bei ihr im Haus einziehen können, um so eine ordentliche Meldeadresse zu erhalten. Praktisch verbrachten die drei aber so viel Zeit wie möglich bei der Mutter und den Geschwistern.

Pilotversuch der Polizei

Das rief die fremdenpolizeiliche Sonderermittlungsgruppe (SEG) gegen Sozialbetrug auf den Plan. Dieses seit 2017 laufende Pilotprojekt wurde von Landeshauptmann Günther Platter und dem damaligen Innenminister Wolfgang Sobotka (beide ÖVP) erdacht. Basierend auf dem Paragrafen 119 des Fremdenrechtsgesetzes wird wegen unrechtmäßiger Inanspruchnahme von Sozialleistungen allein gegen Ausländer ermittelt.

Am 24. Jänner fuhren drei Polizeiwägen dieser SEG mit insgesamt sechs Beamten vor dem Haus von Frau S. auf. Die Polizisten seien "hineingestürmt" und hätten dies allein mit der wiederholt forsch dargebrachten Frage "Wo sind die Asylanten?" begründet – der STANDARD berichtete.

Ob dieses "Überfalls", wie S. den Einsatz nennt, hat sie sich bei der Polizei beschwert, aber keine Antwort erhalten. Was die Frau derart erzürnte, dass sie sich im Februar an die Öffentlichkeit wandte. Es passierte wieder nichts, bis nun die Vorladung vom Gericht kam. S. wird vorgeworfen, die drei Flüchtlinge nicht ordnungsgemäß bei der Gemeinde abgemeldet zu haben. "Ich habe alles wie verlangt gemacht, sogar alle Gemeindeabgaben für 2018 habe ich für die drei bezahlt."

Betrugsvorwurf gegen Familie

Worin der Sozialbetrug bestehen soll, ist ihr unklar: "Ich habe eigens keine Miete verlangt, um dem Staat Geld zu sparen." Doch der Vorwurf zielt auf die Familie ab, die ebenfalls angeklagt ist. Wegen der unterschiedlichen Meldeadressen hätten die Syrer zu viel Mindestsicherung bezogen. Dabei konnte die siebenköpfige Familie gar nicht in einer Wohnung leben. Dass sie zu viel Geld vom Amt erhalten haben, war zum Zeitpunkt des Polizeieinsatzes offenbar weder der Familie noch der zuständigen Bezirkshauptmannschaft Schwaz klar, die nach eigener Auskunft in dem Fall niemals Sozialbetrug vermutet oder angezeigt hat. Den zu viel bezogenen Betrag zahlt die Familie bereits in Raten zurück.

Trotzdem wird es am 20. Juli zu einem gerichtlichen Nachspiel kommen. Juristische Folgen könnte aber auch der von S. kritisierte Polizeieinsatz in ihrem Haus haben. Denn mittlerweile prüft die Volksanwaltschaft, ob das Vorgehen der Exekutive rechtens war.(Steffen Arora, 27.6.2018)