Das Arsinoitherium war der bekannteste Vertreter der Embrithopoda.
Illustration: Heinrich Harder

Paris – Von der "Insel Afrika" sprechen Forscher um Emmanuel Gheerbrant vom französischen Centre national de la recherche scientifique in der aktuellen Ausgabe von "Current Biology". Sie verweisen damit auf die lange Zeit der Isolation, die der afrikanische Kontinent zwischen seiner Loslösung von Gondwana und der Verbindung mit Eurasien durchlebte.

In dieser Phase entwickelte sich auf der "Insel" ähnlich wie in Südamerika und Australien eine ganz eigene Säugetierwelt. Zur Gruppe der Afrotheria gehören heute unter anderem Elefanten, Seekühe und Erdferkel. Andere Vertreter dieser Gruppe sind schon längst wieder ausgestorben – darunter auch die Embrithopoda, die zu den ersten Säugetieren gehörten, die beträchtliche Ausmaße erreichten.

Die ersten Riesen

Auf den ersten Blick hätten Embrithopoda Nashörnern geähnelt – ihre paarweise angeordneten Hörner bestanden allerdings nicht aus Keratin, sondern aus Knochen. Der bekannteste Vertreter dieser Tiere, das etwa 40 Millionen Jahre alte Arsinoitherium, konnte bis zu zweieinhalb Tonnen schwer werden. Die zeitgleich mit ihm lebenden Urahnen der Elefanten hatten maximal ein Zehntel an Masse.

In der Fundstätte Ouled Abdoun in Marokko haben Gheerbrant und seine Kollegen nun Zähne von bisher unbekannten und deutlich älteren Embrithopoda-Arten freigelegt. Die beiden Tiere lebten vor etwa 55 Millionen Jahren. Als Urahnen der späteren Riesen hatten sie allerdings noch nicht deren Ausmaße. Die kleinere Art, Stylolophus minor, war nur etwa so groß wie ein Schaf – für die Ära 11 Millionen Jahre nach dem Asteroideneinschlag war das aber schon recht beachtlich.

Die Verteilung der Arsinoitherium-Verwandtschaft, soweit bekannt.
Illustration: Gheerbrant et al.

Dass die Fossilien in Marokko gefunden wurden, werten die Forscher als endgültigen Beleg, dass die Embrithopoda tatsächlich von der "Insel Afrika" stammen. Die bislang ältesten Fossilien wurden nämlich in der Türkei gefunden. Dort sind die großen Pflanzenfresser aber erst vor 48 Millionen aufgetaucht – wohl fast wortwörtlich: Laut Gheerbrant müssen sie über das Tethys-Meer geschwommen sein.

Die letzten Vertreter dieser Gruppe lebten, so weit man weiß, vor etwa 24 Millionen Jahren: Dann verbanden sich Afrika und Eurasien, und von der großen Landmasse im Nordosten strömten jene Tiergruppen herbei, die später auch in Südamerika und heute mit menschlicher Hilfe in Australien und anderen lange Zeit isolierten Landmassen die Ökosysteme umkrempeln. Von den heutigen "typisch afrikanischen" Großtieren ist nur der Elefant tatsächlich ein Einheimischer. Alle anderen – ob Giraffen, Löwen, Büffel, Nashörner oder Flusspferde – sind die Nachfahren von Einwanderern. (jdo, 1. 7. 2018)