Buchautor und Internet-Kritiker Andrew Keen, hier bei einem Vortrag im Rahmen der Österreichischen Medientage 2015 in Wien.

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Wien – "Von der Digitalisierung profitiert weder die Gesellschaft, noch die Demokratie", konstatierte der britisch-amerikanische Autor Andrew Keen in seinem Vortrag zum Auftakt der Zeitungsmatinée des Verbandes Österreichischer Zeitungen (VÖZ). "Wir Konsumenten müssen endlich agieren, wir müssen aufwachen", sagte Keen, der weltweit zu den einflussreichsten Kritikern der Digitalisierung und des Internets zählt.

Für eine menschlichere digitale Welt

Das Internet sei längst kein Ort der Freiheit mehr, es vernichte Arbeitsplätze, unterbinde den Wettbewerb und fördere Intoleranz. "Ungleichheit, Arbeitslosigkeit, Überwachung und soziale Zerwürfnisse – angesichts der zahlreichen Probleme der digitalen Revolution müssen wir die menschliche Handlungsfähigkeit schleunigst wiedererlangen."

Regulierung, Innovation, Verbrauchermacht, Bürgerbeteiligung und Bildung seien die Schlüsselfelder, um die Digitalisierung positiv zu gestalten und Keens Reparaturvorschläge für eine menschlichere digitale Welt. Dass es der Menschheit nach der industriellen Revolution bereits einmal gelungen sei, den frühen Kapitalismus erfolgreich zu zähmen, stimmt Keen zuversichtlich: "Auch jetzt gilt es, den drastischsten Verwerfungen der digitalen Transformation gemeinsam entgegenzuwirken." Das Ziel müsse die Vereinbarkeit von Mensch und Maschine sein.

Big Data und die gesellschaftlichen Folgen

"Von der Macht der Rhetorik zur Rhetorik der Macht", so leitete Viktor Mayer-Schönberger nach Andrew Keen auf seine Rede über. Der Big-Data-Experte beschäftigte sich mit den Konsequenzen der technologischen Transformation: "Wir müssen die Dynamiken des digitalen Umbruchs verstehen und die notwendigen Rahmenbedingungen schaffen, damit die digitale Veränderung Markt und Demokratie befördert, nicht zerstört", sagte er. Längst funktionieren die Märkte nicht mehr über den Preis, sondern über Daten.

Amazon, Google, Facebook und Co, "das sind nicht Unternehmen, das sind datenreiche Märkte und sie sind unglaublich erfolgreich." Gelinge es in Zukunft nicht, diese Machtkonzentration zu brechen, seien Marktwirtschaft und Demokratie in Gefahr. Mayer-Schönberger Lösungsansatz: eine "progressive Datenteilungspflicht", durch welche "die Amazons dieser Welt eine Anzahl der Daten anderen Mitbewerbern zur Verfügung stellen müssen." Dabei käme es auf Diversität und Solidarität an – nicht auf Protektionismus, Aktionismus und Nationalismus, "Vielfalt ist die Lösung".

Jelinek: "Bereits erste positive Effekte der DSGVO"

Andrea Jelinek, die Vorsitzende des Europäischen Datenschutzausschusses und Leiterin der Österreichischen Datenschutzbehörde, erörterte "Das Grundrecht auf Datenschutz". Mit der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) habe die Europäische Union ihre Gestaltungschance in einer globalisierten und digitalisierten Welt genützt. "Das Inkrafttreten der DSGVO am 25. Mai 2018 war sicherlich nicht der Endpunkt – sondern vielmehr der Beginn dieser Entwicklung." Das allgemein gestiegene Bewusstsein für Datenschutz sei bereits einer der ersten positiven Effekte der DSGVO.

Redaktion der Zukunft

Abschließend sprach Digitalexpertin und Medienmanagerin Anita Zielina über "Die Redaktion der Zukunft" – konkret darüber, in welche Skills und Mitarbeiter Medienunternehmen künftig investieren müssen, um die Disruption der Medienwelt erfolgreich meistern zu können und konkurrenzfähig zu bleiben. Von Storytelling bis Audience Management und von Produktmanagement über Social Media – neue Rollen in Redaktionen seien essenziell, um digital innovativ zu bleiben. Es gehe nun darum, als Arbeitgeber entsprechende Weiterbildungsmöglichkeiten zu schaffen. Mitarbeiter, die dann nicht bereit seien, sich den geänderten Rahmenbedingungen anzupassen "sind in einem Medienunternehmen im Jahr 2018 falsch aufgehoben", so Zielina.

Im Anschluss an die Zeitungsmatinée fand die 65. Generalversammlung statt, in der auch ein neuer Präsident gewählt wurde. Auf "Kurier"- und "Mediaprint"-Geschäftsführer Thomas Kralinger folgte Styria-Vorstandschef Markus Mair als neuer Präsident des Verbands Österreichischer Zeitungen. (red, 28.6.2018)