Deutschland hat die Gruppe verlassen – das ist derzeit ein Whatsapp-Heuler. Und auf Facebook werden dieser Tage tatsächlich Neujahrswünsche verschickt. Frohes 2018 – wobei der Zweier durch eine südkoreanische Flagge ersetzt ist und der Nuller durch eine deutsche. Das nimmt Bezug auf das 2:0 Südkoreas gegen Deutschland, mit dem sich der Titelverteidiger von der Fußball-WM in Russland verabschiedet hat. Das Copyright auf den Schmäh hat der deutsche Fußballstar Toni Kroos, der zu Neujahr 2017 Ähnliches postete, nur dass da die brasilianische Flagge anstelle des Einsers daherkam und die deutsche anstelle des Siebeners. Dies gemahnte an das 7:1, das die Deutschen auf dem Weg zum WM-Titel 2014 im Halbfinale gegen Brasilien gefeiert hatten.

2014 hatte die Seleção, 2018 hat "die Mannschaft" den Schaden und den Spott. Was die Deutschen jetzt auch haben, sind unzählige Analysen über die Ursachen und noch mehr Prophezeiungen zu möglichen Folgen des Scheiterns. Auf diesem Spielfeld marschieren Boulevard und Feuilleton nicht selten im Gleichschritt, da wie dort werden Vergleiche nur so an den Haaren herbeigezogen und scharenweise Teufel an die Wand gemalt. Mit dem möglichen Ende der Ära Joachim Löw soll auch das Ende der Ära Angela Merkel gekommen sein, tönt es. "Falsche Personalentscheidungen getroffen", "am absteigenden Ast", "Krise", "keine Einheit" – zwischen CDU und DFB soll es ja ach so viele Parallelen geben. Man kommt beim Bullshit-Bingo mit dem Kreuzerlmachen nicht mehr nach.

Deutschland ist nicht ausgeschieden, weil Mesut Özil, übrigens der kreativste deutsche Kicker, und Ilkay Gündogan dem türkischen Präsidenten die Ehre gaben. Ausgeschieden ist Deutschland, weil das Personal, das Löw zur Verfügung stand, bei weitem nicht so gut ist wie jenes von 2014, weil es deutlich weniger Leistungsträger und Verantwortungsübernehmer gibt und weil just diese nicht in Form kamen. Mag sein, dass das mit der langen Saison zu tun hat, die nicht nur Kroos in den Knochen steckt, sondern vielen Leistungsträgern großer Klubs. Wahrscheinlich sind auch in der unmittelbaren WM-Vorbereitung Fehler passiert, die fehlende Spritzigkeit fast aller deutschen Kicker deutet darauf hin. Testspiele wie das 1:2 gegen Österreich und das 2:1 gegen Saudi-Arabien haben weder die Moral noch das Selbstvertrauen gestärkt.

Die Stimmung in Deutschland ist schlecht, und das deutsche Aus hat die Stimmung nicht gehoben. Bingo. Dass aber die deutsche Regierung und in der Folge Europa auseinanderbrechen wird, weil elf Südkoreaner elf Deutschen in der russischen Stadt Kasan zwei Tore geschossen haben? Gemach, gemach. Die Kirche wird im Dorf und das Kreuz wird in der bayerischen Amtsstube bleiben. Es ist nur Fußball. Oder halt, aus deutscher Sicht: Es war nur Fußball. Manchmal muss man tief fallen, um wieder hoch hinauszukommen. Vielleicht tanzen das in Russland gerade die Brasilianer vor. Bingo. Und auf ein gutes neues Jahr! (Fritz Neumann, 28.6.2018)