Staatssekretär Bostjan Šefic verweist darauf, dass es praktisch keine illegalen Grenzübertritte an der Grenze zu Österreich gebe.

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STANDARD: Am Dienstag übte die österreichische Polizei an der slowenischen Grenze, wie es sein könnte, wenn man Migranten nach Slowenien zurückdrängt. Was denken Sie über diese Polizeiübung, und gab es dabei eine Kooperation zwischen Slowenien und Österreich?

Šefic: Wenn man auf die Balkanroute schaut, so gibt es keinen ernsthaften Grund zu denken, dass es zu einer ähnlichen Migrationswelle kommt wie 2015 oder 2016 unter der Annahme, dass das EU-Türkei-Abkommen in Kraft ist. Wir sehen einen Anstieg von Migration, aber das ist ein leichter Anstieg. Andererseits ist es das souveräne Recht jedes Staates, sich auf Migrationsherausforderungen vorzubereiten.

Slowenien sieht die Situation aber nicht so, dass ein Szenario, wie es von unseren Kollegen in Österreich ausgearbeitet wurde, notwendig wäre – vor allem nicht, wenn es um die Grenze zwischen Slowenien und Österreich geht. 2018 haben nur 15 Personen diese Grenze illegal überquert, was praktisch gar nichts ist. Wir sehen Slowenien als einen sehr guten Verteidiger der Schengen-Außengrenze, und deshalb gibt es keinen Grund, an einer solchen Übung teilzunehmen. Die Position Sloweniens wurde im Brief der Innenministerin Vesna Györkös Znidar erläutert, und ich habe das mehrmals gegenüber Minister Herbert Kickl persönlich erwähnt: dass wir keinen Grund sehen, weshalb eine solche Übung notwendig wäre.

STANDARD: Hat Österreich Slowenien eingeladen teilzunehmen?

Šefic: Die Idee der Österreicher war, dass wir als Beobachter in dieser Übung kooperieren, und ein Teil der Übung sollte auf slowenischem Territorium durchgeführt werden, aber wir hatten dazu eine negative Meinung, und deshalb haben wir uns entschlossen, das nicht zu unterstützen. Aber wenn wir über eine allgemeine Übung sprechen, in der sich die Polizei und das Militär auf ein Szenario für die Unterstützung bei der Verteidigung der EU-Außengrenze innerhalb der Frontex vorbereiten, dann wäre das eine andere Sache. In einem solchen Kontext wären wir zur Zusammenarbeit bereit. Insgesamt ist aber in vielen Bereichen die Kooperation mit Österreich – auch auf der politischen Ebene – wirklich eng und gut. Wir tauschen uns aus. Es ist unser Wunsch, dass diese gute Zusammenarbeit künftig weitergeht.

STANDARD: In Slowenien haben in den letzten Monaten 1300 Migranten um Asyl angesucht. Die meisten bleiben aber gar nicht im Asylverfahren. Weiß Slowenien, wo diese Menschen sind?

Šefic: 90 bis 95 Prozent der Migranten sagen, wenn sie von der Polizei gestoppt werden, dass sie um Asyl ansuchen wollen. Wenn sie im Asylzentrum angelangt sind, verlassen sie es oft nach kurzer Zeit wieder. Das ist ein klares Anzeichen, dass dahinter eine organisierte Absicht zur illegalen Migration steckt und diese im Einklang mit Strukturen der organisierten Kriminalität steht. Denn diese Migranten haben klare Instruktionen, wie sie sich verhalten sollen und was sie sagen sollen, wenn sie gestoppt werden. Und dahinter steckt der Versuch, dass diese Leute von Slowenien weiter in ein anderes Land gehen. Die größte Zahl jener, die das Asylzentrum willkürlich verlassen, finden wir hier in Slowenien, wo sie untergetaucht sind, und dann werden sie nach Kroatien zurückgebracht. Eine geringere Anzahl dieser Gruppe versucht, in westeuropäische Länder zu gelangen. Sie wollen vor allem Richtung Frankreich und in den Norden Europas und versuchen verschiedene Routen.

STANDARD: Der deutsche Innenminister Horst Seehofer schlägt vor, dass ein Land bereits Migranten zurückschicken darf, wenn sie in einem anderen Staat registriert wurden. Wie sehen Sie das?

Šefic: Wenn es um die jüngsten Vorschläge des deutschen Innenministers Seehofer geht, so wurden wir von ihnen noch nicht in Kenntnis gesetzt, aber sofern wir sie verstehen, ist das nicht Dublin. Denn das Dublin-Verfahren ist sehr klar und in Kraft. Es gibt Diskussionen in der EU, wie man die Asylgesetze umfassend ändert. Wenn es um das Dublin-Verfahren geht, muss noch viel gearbeitet werden, und es wird eine beträchtliche Herausforderung, bis man Einigkeit erlangt. Nach meiner persönlichen Meinung werden wir diese Woche beim EU-Gipfel keine endgültige Entscheidung treffen. Dazu braucht es weitere Anstrengungen und eine tolerante Diskussion. Aber wenn es um die von Seehofer vorgeschlagenen automatischen Lösungen geht, so glaube ich nicht, dass diese angemessen sind. Die Ideen sollten aber nicht gleich zurückgewiesen, sondern studiert werden.

STANDARD: Was macht Slowenien, wenn Seehofer wirklich mit diesen Rückführungen beginnt?

Šefic: Ich hoffe ernsthaft, dass es nicht zu solchen unilateralen Maßnahmen kommt. Slowenien wird solche automatischen Entscheidungen nicht akzeptieren. Die Regeln sind für alle klar, und sie sollten befolgt werden. Weil Slowenien aber nicht das erste EU-Land ist, in das die Migranten gelangen, sehen wir derartige Vorschläge nicht an uns gerichtet. Aber wenn es notwendig ist, werden wir Maßnahmen ergreifen. Es wäre zum Vorteil von Deutschland und von allen anderen EU-Staaten, wenn man keine unilateralen Aktionen macht. Was auch immer für Handlungen gesetzt werden, so müssen die Staaten sich darauf geeinigt haben, sonst gibt es negative Auswirkungen und Konsequenzen, die sich kein Land wünscht. Slowenien wird immer konstruktiv bleiben.

STANDARD: Sie haben gesagt, dass heuer nur 15 Personen die slowenisch-österreichischen Grenze illegal überquerten. Wurden diese 15 Personen von den österreichischen Behörden nach Slowenien zurückgeschickt?

Šefic: Ja. Die Situation ist an dieser Grenze ist sehr gut. Die Tatsache, dass Slowenien die Schengen-Außengrenze verteidigt, ist auch die beste Garantie für Österreich. Deshalb ist eine Kontrolle an dieser Grenze auch nicht notwendig, weil die Zahl der illegalen Übertritte vernachlässigbar gering ist. Aber es ist trotzdem sehr wichtig, dass wir uns auf die EU-Außengrenzen konzentrieren, und die, die für uns am verletzlichsten ist, ist Kroatiens EU-Außengrenze mit Bosnien-Herzegowina. Aber was wir jetzt sehen, ist, dass diese Grenze bereits viel besser verteidigt wird als in der Vergangenheit, und das wird auch durch die Zahl der Migranten bestätigt, die an die slowenische Grenze kommen.

STANDARD: Kann Slowenien nur dann Migranten zurück nach Kroatien schicken, wenn in einem Verfahren festgestellt wird, dass sie bereits in Kroatien ein Asylverfahren laufen haben?

Šefic: Ja – und jene, die aufgrund der bilateralen Abkommen zurückgeschickt werden. Man muss zwischen diesen Gruppen unterscheiden: Es gibt die Asylsuchenden und jene, die von der Polizei registriert wurden, aber nicht um Asyl ansuchten, und die illegal in Slowenien aufgefunden wurden.

STANDARD: Funktionieren diese Rückführungen nach Kroatien?

Šefic: Ja, definitiv. Das bilaterale Abkommen wird umgesetzt. 2018 wurden bisher 885 Personen nach Kroatien zurückgeschoben. Kroatien nimmt die an.

STANDARD: Gibt es solche bilateralen Abkommen auch mit anderen Nachbarn wie Italien und Ungarn?

Šefic: Ja, mit den Nachbarländern.

STANDARD: Im Jahr 2015 und 2016 kamen auch deshalb so viele Migranten Richtung Mitteleuropa, weil der Korridor offen war, insbesondere die Grenze zwischen Griechenland und Mazedonien, und weil die Staaten auf der Route alle dabei halfen, diese Leute Richtung Norden zu bringen. Das ist seit März 2016 nicht mehr der Fall – im Gegenteil, alle Staaten versuchen das zu verhindern. Kann deshalb überhaupt noch so ein Szenario wie 2015 entstehen?

Šefic: Ich stimme völlig zu, die Situation zurzeit ist signifikant anders als 2015, und deshalb sind wir in Slowenien zu der Einschätzung gelangt, dass so eine Migrationswelle, wie wir sie damals erlebt haben, ganz einfach nicht erwartet werden kann. Die Situation in den EU-Staaten und den Balkanstaaten ist anders, weil die Lage jetzt unter Kontrolle ist, und wir haben verstanden, dass wir nur mit einer gemeinsamen Kooperation die Situation managen können. Damals, 2015, hatten die Staaten das nicht verstanden. Wir wissen: Wenn wir gemeinsam Vorgehensweisen, unsere Vereinbarungen und die Gesetze umsetzen und wenn wir den Ländern helfen, die eine größere Last zu tragen haben, dann haben wir eine Formel für ein effektives Management. Natürlich kann sich die Lage verschlimmern, aber wir sind auf diese Szenarien vorbereitet. (Adelheid Wölfl, 28.6.2018)