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Wie gerecht es an Schulen zugeht, untersuchte eine deutsche Studie.

Foto: dpa-Zentralbild/Patrick Pleul

Wer kann was? Warum entwickeln sich junge Menschen unterschiedlich? Wie gerecht geht es in Schulen zu? Der deutsche Bildungswissenschafter Jörg Siewert von der Universität Siegen ist diesen Fragen nachgegangen. Drei Jahre lang forschte er und sein Team in insgesamt fünf Gesamtschulen in Deutschland. Sie begleiteten 750 Schülerinnen und Schüler von der 5. bis zur 7. Klasse und beobachteten ihre Leistungsentwicklung. Sie fanden heraus, dass die Art der Aufgabenstellung eine große Rolle spielt, aber auch die soziale Herkunft der Eltern.

Frage des Geldes

Der Ausgangspunkt für die Forschung war eine Studie aus den USA. Dort ist man sich mittlerweile sicher, dass sich Kinder vor allem während der Sommerferien herkunftsspezifisch auseinanderentwickeln: Wohlhabende Eltern schicken ihre Kinder in den dreimonatigen Ferien oft in Freizeit-Camps, zum Beispiel Weltall-, Mathematik- oder Spanisch-Camps. Finanziell schlechter gestellte Eltern können sich das meist nicht leisten. Um zu untersuchen, ob das in Deutschland auch so ist, führten die Forscherinnen und Forscher der Uni Siegen jeweils am Anfang und am Ende der Sommerferien Tests durch. Ein Ergebnis: In Deutschland gibt es diesen Ferien-Effekt nicht.

Vielmehr entwickeln sich die Kinder während der Schulzeit unterschiedlich. Einer der Gründe könnte im Unterricht liegen – möglicherweise sogar unbewusst. Jörg Siewert hat in seinen Tests herausgefunden: Ob ein Schüler eine Aufgabe versteht oder nicht, hängt häufig von der Art der Aufgabenstellung ab. "Viele Lehrer möchten vor allem in den Naturwissenschaften den Alltagsbezug herstellen, damit die Schüler den Nutzen für ihr eigenes Leben verstehen", sagt Siewert. "Das ist ein Trend in den Schulen, der prinzipiell gut und richtig ist. Genau der kann aber problematisch sein."

Gleiche Chancen für alle?

Die Bildungsgerechtigkeits-Studie zeigt: Kindern aus bildungsfernen Familien fallen Transferleistungen vom Alltag in das fachliche Denken und Arbeiten der Schule statistisch gesehen schwerer als Kindern aus bildungsnahen Familien. Siewert: "Es hat in diesem Fall nichts mit mathematischer Intelligenz zu tun, ob ein Kind Erfolg hat. Vielmehr geht es darum, den Code des Schulsystems zu verstehen."

Dass Kinder aus bildungsfernen Familien diese Codes nicht so gut verstehen wie Kinder aus bildungsnahen Familien, hängt häufig mit den Eltern zusammen. "Bildungsnahe Eltern mit einer hohen Schulbildung verstehen Schule als System recht gut. Sie treten bei Elternsprechtagen entsprechend selbstbewusst auf oder verstehen, wie wichtig Hausaufgaben sind", sagt der Wissenschaftler. Bildungsferne Eltern hätten oftmals eine distanzierte Haltung gegenüber der Schule, weil sie selbst die Schule aus ihrer eigenen Vergangenheit eher mit Misserfolgen assoziieren.

Der Bildungsforscher hat nicht nur die SchülerInnen drei Jahre lang begleitet. Er hat auch die Eltern zu ihrem Bildungsweg und ihrem Leben befragt. Mit dem Ergebnis: Der Bildungserfolg eines Kindes hänge in Deutschland stark von der sozialen Herkunft der eigenen Familie ab. Die Mechanismen seien sehr schwer zu durchschauen, vieles geschehe unbewusst und ungewollt. Ähnliche Effekte gelten wahrscheinlich nicht nur im Umkreis von Siegen, wo die Daten erhoben wurden, sondern auch außerhalb der untersuchten Region. (red/idw, 29.6.2018)