Die WM könnte dazu verleiten: Ein zusätzliches Bier pro Tag schlägt sich im Jahresschnitt ordentlich auf die Hüften.

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In Österreich sind 3,4 Millionen Menschen übergewichtig (32 Prozent) oder adipös (14 Prozent). Die Ursache dafür ist, dass die Österreicher zu viel, und das Falsche essen. Ein zu hoher Anteil an gesättigten Fettsäuren, Transfetten, Zucker und Salz und eine zu geringer an Obst, Gemüse und Vollkornprodukten steht auf dem durchschnittlichen Speiseplan.

"Gesunde Ernährung ist kein Mythos", sagt der die Präsident des Akademischen Instituts für Ernährungsmedizin (ÖAIE) Kurt Widhalm. Übergewicht und Adipositas seien die bedrohlichsten Formen aller ernährungsbedingten Krankheiten.

De Energiebilanz bestimmt, ob man normal oder übergewichtig ist, sagt der Ernährungswissenschafter und Biochemiker Clemens Röhrl. "Der Mensch hat über Jahrtausende in einem Mangelzustand gelebt", so der Experte, daher sei er darauf konditioniert, Fett zu speichern, anstatt es auszuscheiden. "Es liegt also auf der Hand, dass wir in Zeiten des Nahrungsüberschusses ein Problem haben".

Große Auswirkungen

Alleine ein Krügel Bier pro Tag zusätzlich, das man sich etwa während der Fußball-WM angewöhnen könnte, bedeute 8,8 Kilogramm mehr Fett pro Jahr, erläuterte Röhrl die "großen Auswirkungen von kleinen Modifikationen". Aber diese gelte auch im Positiven, denn das eine Bier zu streichen, hätte natürlich langfristig den gegenteiligen Effekt.

Die möglichen Folgen der Adipositas sind Atherosklerose, die Verfettung von Organen ("Fettleber"), Diabetes durch Überlastung der Bauchspeicheldrüse, Darmkrebs, Brustkrebs und Prostatakrebs: "Insgesamt hat die Ernährung einen großen Anteil an diesen Krankheiten, im Fachjargon Non Communicable Diseases (NCDs) genannt. Sie machen in der EU 77 Prozent aller Krankheiten und 86 Prozent der frühzeitigen Mortalität aus."

"Es ist dramatisch", mit diesen Worten beschreibt Markus Pock, Gesundheitsökonom vom Institut für Höhere Studien (IHS) die ökonomische Bedeutung von Übergewicht und Adipositas. Seriöse Zahlen gebe es zwar keine, aber alleine die medizinischen Kosten der Diabetes mellitus würden laut einer Johanneum Research Studie aus dem Jahr 2015 in Österreich rund 1,5 Milliarden Euro pro Jahr ausmachen – das sind fünf Prozent der Gesundheitsgesamtausgaben.

Lebensstil ändern

Die Symptome von Übergewicht können dank des medizinischen Fortschritts gut behandelt werden, schildert Gabriele Müller-Rosam, Internistin und Ernährungsmedizinerin, aus der Praxis. Um den Lebensstil nachhaltig zu ändern, bräuchten Patienten jedoch auch zusätzlich ein Motivationstraining, was durch Krankenkassen derzeit nicht gedeckt sei.

"Man bräuchte Diätassistenten und psychologische Betreuung – und das auf lebenslange Sicht", fordert sie, denn "der Patient muss geführt werden". Aber auch die Nahrungsmittelindustrie mit dem Motto "Hauptsache viel und billig" gehöre in die Pflicht genommen. Eine Werbeverbot für Energydrinks ist nur eine Forderung der Internistin: "Da könnte rasch viel getan werden." (red, 29.6.2018)