Doug Bartek, Paradeexemplar eines US-Farmers, fragt sich, wie lang der Weg durch die Agrarhölle dauert – auf seinen Präsidenten lässt er dennoch nichts kommen.

Foto: Frank Herrmann

Omaha – Es ist eigentlich ganz einfach mit der Geografie unter dem weiten Himmel im Osten Nebraskas. Vor einem liegt Dorn Country, hinter einem auch, zur Linken wie zur Rechten, meilenweit nichts als Dorn Country. Nicht dass es von Amts wegen korrekt wäre, aber der Name trifft den Kern, zumindest ist das die Meinung von Nathan Dorn.

Der steht im bequemen Kapuzenpulli vor seinem Pick-up, lässt die Blicke schweifen und sagt mit eher leisem, eher selbstverständlichem Besitzerstolz: "All das Land, das Sie hier sehen, gehört einem Dorn." Mal einem Onkel, mal einem Cousin, mal seinem Vater Leon, jedenfalls Großfamilienbesitz. "Landwirt in vierter Einwandergeneration", so hat sich der 35-Jährige vorgestellt, der gleich vom Urgroßvater erzählt, dem ersten Dorn, der sich aus dem Rheinland in die Neue Welt begeben und in der Prärie westlich vom Missouri River begonnen hat, Äcker umzupflügen.

Früher drehte sich hier alles um Mais und Rinder, mittlerweile haben Sojabohnen dem Mais den Rang abgelaufen. Das liegt vor allem an China, an "Chinas nicht zu stillendem Hunger nach eiweißreichem Tierfutter", wie Nathan Dorn es auf einen prägnanten Satz bringt. Jede vierte aus Nebraska exportierte Tonne Sojaschrot ist für das asiatische Riesenland bestimmt, nach der aktuellsten Statistik sind das Exporte im Wert von 14 Milliarden Dollar pro Jahr.

Welt ok – vor Trump

Die Chinesen suchten verlässliche Sojalieferanten, sie fanden sie in den Farmern des Mittleren Westens, in Nebraska, Iowa oder Kansas, während die Farmer das beruhigende Gefühl hatten, in einer Wachstumsregion rechtzeitig Fuß gefasst zu haben. Eine Win-win-Situation. "Die Welt war in Ordnung", sagt Nathan Dorn. "Bis Donald Trump kam."

Seit der Mann im Weißen Haus dem großen Konkurrenten der USA mit Handelsbarrieren droht und Peking Vergeltung ankündigt, liegen die Nerven blank in Nebraska. Nach dem amerikanischen Nationalfeiertag am 4. Juli sollen chinesische Waren im Wert von 50 Milliarden Dollar mit 25 Prozent Zoll belegt werden. Zusätzlich möchte Trump Medienberichten zufolge aus der Welthandelsorganisation (WTO) aussteigen – diese sei nur geschaffen worden, um die USA über den Tisch zu ziehen.

Trump's Hochschaubahn

Peking will mit Gegenzöllen reagieren, was unter anderem Agrarimporte aus den Vereinigten Staaten um ein Viertel verteuern würde. Angesichts Trump'scher Achterbahnfahrten ist theoretisch noch alles denkbar, sogar ein Rückzieher in letzter Minute. Doch was für einen Schlag ins Kontor allein schon die Kulisse eines drohenden Handelskriegs bedeutet, davon haben sie in Nebraska bereits einen Vorgeschmack bekommen.

"Der Markt kennt keine Gnade", sagt Nathan Dorn, zieht ein Smartphone aus der Hosentasche und wischt mit dem Finger übers Display, bis dort Preiskurven aufleuchten. Zum 1. Juni konnte man ein Bushel (etwa 27 Kilogramm) Sojabohnen an der Terminbörse in Chicago für neun Dollar und 81 Cent verkaufen. Drei Wochen später bekam man dafür noch acht Dollar und 46 Cent. Das ideale Wetter dieses Frühjahrs mag daran nicht ganz unschuldig sein. Überall sehr sattes Grün, die Ernte dürfte prächtig ausfallen, was ein Überangebot erwarten lässt und auf die Preise drückt. Doch das Entscheidende, weiß Nathan Dorn, ist das Schwingen der Zollkeule. "Das haben wir gebraucht wie eine Schlinge um den Hals. Nein, Donald Trump handelt nicht in meinem Namen."

Krisenmanagement

Im November 2016 war Nebraska noch eindeutig Trump Country, da haben sie den Immobilienunternehmer mit 59 Prozent der Stimmen zum Staatschef gewählt. Es ist nicht so, dass die Sympathien bereits verflogen wären. Man merkt es schon, wenn man auf der Autobahn von Omaha nach Lincoln fährt, von der Geschäftsmetropole des Staats in die Hauptstadt. An Scheunen hängen Bettlaken, auf denen in signalroten Großbuchstaben der Name Trump steht.

Nathan Dorn saß neulich mit anderen Bauern zusammen, um über eine Art Krisenmanagement zu beraten. Insbesondere die Älteren, erzählt er, hätten es gar nicht so falsch empfunden, wie der Präsident Zölle als Druckmittel einsetze. Notfalls, hätten sie den Jüngeren Mut gemacht, müsse man eben zwei, drei magere Jahre in Kauf nehmen, danach kämen die Chinesen schon wieder angekrochen. Echte Alternativen gebe es schließlich nicht, vielleicht Argentinien, vielleicht Brasilien, doch letztlich gehe es nicht ohne Amerika, das werde auch die asiatische Kundschaft bald kapieren. "Make them hungry", zitiert Dorn ein Motto der Trump-Freunde.

Kritische Prärie

Sollen die anderen erst wieder Hunger nach amerikanischem Mais, nach amerikanischem Soja verspüren, der Rest erledige sich dann ganz von selbst. Es klingt nach harten Bandagen, nach Kraftprobe und Nervenpoker, nach Donald Trump. Nathan Dorn sieht das anders. Das Vertrauen, mühsam aufgebaut, werde zwangsläufig leiden, orakelt er. Und Vertrauen sei nun mal das Wichtigste im Business. Gehe es verloren, könne es dauern, bis man es wiedererlange. Und das alles nur, weil ein Kraftmeier dem Rest der Welt seine Muskeln zeigen wolle, statt mit Augenmaß zu verhandeln, wie es sich unter bewährten Geschäftspartnern gehört. "Er benimmt sich wie ein Schulhoftyrann", sagt Dorn über Trump.

Interessant ist, wie gründlich sich die Prärie-Perspektive von jener des Rostgürtels der alten Industrie unterscheidet. Die Dauerklage des Präsidenten, wonach die Globalisierung auf Kosten der USA gehe, trifft auf die Kornkammern des Landes eben nicht zu. Die Farmer zwischen dem Mississippi und den Rocky Mountains sehen sich als Gewinner der Globalisierung, von Abschottung halten sie ebenso wenig wie von Vabanquespielen mit China. Auch die Funktionäre des Nebraska Soybean Board reisen regelmäßig in die Volksrepublik, um Kontakte zu pflegen. Terry Branstad, jahrelang Gouverneur des Nachbarstaats Iowa, ist heute Botschafter in Peking. Kein Zufall, sondern von der Agrarlobby geschickt eingefädelt. Auch Doug Bartek hat auf seinem Anwesen neulich zum ersten Mal chinesische Gäste empfangen, um ihnen Vertrauen in seine Anbaumethoden einzuflößen.

Weg durch die Hölle

Bartek, 1,90 m groß, ein Schrank von einem Mann, hat Trump 2016 gewählt, und trotz mancher Irritationen hält er ihm bis heute die Treue. "Zugegeben, er könnte taktvoller auftreten, er müsste nicht immer gleich Gift und Galle spucken", bemängelt Bartek, um voller Nachsicht hinzuzufügen, dass dies nun mal der Stil dieses Donald Trump sei. So what? Und vielleicht werde das ganze Poltern ja von Erfolg gekrönt, gibt er sich optimistisch. Ein Polterer sei ihm jedenfalls lieber als einer, der nichts tue. Wenigstens lasse dieser Präsident Worten Taten folgen, das unterscheide ihn von seinen Vorgängern, die zu schnell erklärt hätten, ihnen seien bei diesem und jenem die Hände gebunden.

"Die Reise geht in die richtige Richtung. Zwischendurch kann es holprig werden, aber wir kommen schon ans Ziel." So trumpistisch das klingen mag, Bartek ist ein fröhlicher Mensch, ironiebegabt, kein Eiferer. Ein Freund sarkastischen Humors. Nach einer Weile fragt er: "Sagen Sie mir, wie lang ist der Weg durch die Hölle?" (Frank Herrmann, 1.7.2018)