Beschwört den Unternehmergeist und sieht die Verantwortung für 7400 Mitarbeiter weltweit samt Familien nicht als Last: der Vorstandsvorsitzende des Technologiekonzerns Miba, F. Peter Mitterbauer.

Foto: Hermann Wakolbinger

Knapp 10.000 Einwohner zählt die Stadtgemeinde Laakirchen. Unweit der Kirche liegt die Unternehmenszentrale der Miba, des größten Arbeitgebers und Steuerzahlers im Umkreis. Miba ist die Abkürzung für Mitterbauer. Seniorchef Peter Mitterbauer, langjähriger Präsident der Industriellenvereinigung, hat vor fünf Jahren den Vorstandsvorsitz an seinen Sohn abgegeben, der ebenfalls Peter heißt. Der Senior sitzt im Aufsichtsrat. Sein Schreibtisch steht exakt dort, wo er geboren wurde.

STANDARD: Sie heißen wie Ihr Vater Peter, der zweite Vorname Franz ist der ihres Großvaters. Ist es da nicht geradezu zwingend, dass man die Familientradition fortsetzt und in das Unternehmen einsteigt?

Mitterbauer: Genau genommen heiße ich Franz Peter. Erzählungen zufolge hat mein Großvater, als ich noch ein Baby war, immer Franz zu mir gesagt, meine Mutter Peter. Sie konnten sich nicht entscheiden. Als meine Großmutter gehört hat, dass meine Mutter mich immer Peter nennt, hat sie auch Peter zu mir gesagt. Der Großvater hat irgendwann aufgegeben, und so wurde ich der Peter.

STANDARD: Haben Sie Ihren Großvater noch gekannt?

Mitterbauer: Dunkel. Als er gestorben ist, war ich sieben. Im Religionsunterricht mussten wir Bilder malen. Er hat mir 50 Groschen gegeben, manchmal einen Schilling, je nach Benotung. Daran kann ich mich erinnern.

STANDARD: Wollten Sie aus innerster Überzeugung in die Firma?

Mitterbauer: Eigentlich schon, es war ein logischer Schritt. Ich habe nie einen Zwang empfunden. Aber es war immer unausgesprochen eine Möglichkeit. Mich hat Wirtschaft interessiert. Aber Wirtschaft allein schien mir zu wenig, ich wollte auch von Technik etwas verstehen. So habe ich Wirtschaftsingenieurwesen-Maschinenbau an der TU Wien studiert.

STANDARD: In der Oberstufe oder früher hatten Sie nie einen speziellen Berufswunsch wie Mediziner, Weltraumforscher oder so?

Mitterbauer: Nein, das hat mich nicht interessiert. Ich wollte ins Geschäftsleben einsteigen und etwas Technikaffines machen. Ganz früher ja, da wollte ich Pilot werden. Mit 18 war das aber schon lange kein Thema mehr. Für mich war klar: Wenn ich ins Unternehmen gehe, will ich vorher ein paar Jahre anderswo arbeiten. Das habe ich dann fünf Jahre lang gemacht, eine Superzeit. Man kommt in sich gefestigter und auch ein bisschen abgeklärter ins eigene Unternehmen zurück.

STANDARD: Haben Sie hinterher auch nie gehadert, bei Miba eingestiegen zu sein?

Mitterbauer: Nein, nie.

STANDARD: Und die Verantwortung für 7400 Mitarbeiter weltweit, 2500 davon in Österreich, plus Familien, das ist doch eine Last, oder?

Mitterbauer: Man kann es so und so sehen. Ich empfinde es nicht als Last. Mir macht die Arbeit mehr Spaß, als wenn ich unter einer gefühlten Last an schweren Rucksäcken in die Knie gehen würde.

STANDARD: Haben Sie das Unternehmer-Gen geerbt, oder lässt sich Unternehmersein lernen?

Mitterbauer: (Überlegt) Wahrscheinlich ist es eine Kombination von beidem. Man trägt sicher etwas in sich in dem Sinn, dass man etwas unternehmen will. Das eine oder andere kann man sich aneignen. Ich habe keine Vorbilder, denen ich folge, schaue mir aber gerne etwas von anderen ab. Oder versuche zu vermeiden, was mich an anderen stört.

STANDARD: Viele Firmenübernahmen, speziell bei Familienunternehmen, scheitern, weil der Vater oder die Mutter nicht loslassen können. Wie war das in Ihrem Fall?

Mitterbauer: Es ist sehr gut gelaufen. Am 1. Juli vor fünf Jahren haben wir den Generationswechsel vollzogen. Mein Vater hat zu mir gesagt: Wenn du ready bist, überlegen wir, wie wir das machen. Das war ungefähr ein halbes, drei viertel Jahr davor. Ihm war wichtig, im Vorfeld mit den Aufsichtsräten und mit dem restlichen Vorstand sicherzustellen, dass das auch im Interesse des Unternehmens ist. Wir haben nichts unausgesprochen gelassen, mein Vater und ich. Ein weiterer Grund, warum es immer noch so gut funktioniert, ist, dass mein Vater eine extrem disziplinierte Person ist. Wenn er sich etwas vornimmt und möchte, dass es erfolgreich ist, dann hilft ihm dabei seine Disziplin extrem.

STANDARD: Sind Sie diszipliniert?

Mitterbauer: Diszipliniert und konsequent. Das war ich schon in meiner Mittelschulzeit und während des Studiums. Ich habe mich öfters in die Rolle meines Vaters versetzt, er sich umgekehrt in meine. Diese Empathie hat auch geholfen, den Generationswechsel gut über die Bühne zu bringen.

STANDARD: Ihr Großvater hat das Unternehmen 1927 gegründet, er hat von seinem Lehrherrn eine Schlosserei übernommen. Ihr Vater hat den Börsengang durchgeführt und Miba internationalisiert. Was haben Sie vor?

Mitterbauer: Ich will das Unternehmen weiter erfolgreich in die Zukunft führen.

STANDARD: Das sagen doch alle.

Mittebauer: Es klingt pathetisch, aber es ist so. Ich will die Chancen, die wir haben, nutzen, um auf den Märkten erfolgreich zu sein und zu den bestehenden Kunden neue dazuzugewinnen.

STANDARD: Was sind die Miba-Stärken?

Mitterbauer: Einerseits der ausgeprägte Unternehmergeist unserer Mitarbeiter oder, wie man auf Englisch sagt, die Entrepreneurship. Wenn wir es schaffen, dass jeder Mitarbeiter von uns sich als Unternehmer fühlt und so tut, als ob ihm die Firma gehören würde, haben wir gewonnen. Das Zweite ist Innovation. Das steckt in unseren Genen.

STANDARD: Heute, Samstag, findet in Wien eine Großdemonstration gegen die Arbeitszeitpläne der Regierung statt. Verstehen Sie die Aufregung rundherum?

Mitterbauer: Eigentlich nicht. Teilweise wurde sehr emotional an der Wahrheit vorbeiargumentiert. Man sollte wieder auf den Boden der Realität zurückkommen.

STANDARD: Die Regierung ist legitimiert, das so zu machen. Aber war es auch klug, so vorzugehen?

Mitterbauer: Das Thema Arbeitszeitflexibilisierung ist seit Jahren auf der Agenda, und seit Jahren haben die Sozialpartner versucht, einen Kompromiss zu finden. Das ist nicht gelungen. Dass die Regierung, was sie übrigens angekündigt hat, dann entscheiden wird, darf niemand überraschen.

STANDARD: Aber ausgerechnet am Tag der Inthronisierung des neuen Gewerkschaftschefs Wolfgang Katzian damit rauszugehen – das kann man als Provokation werten.

Mitterbauer: Wenn man das so verstehen möchte, kann man es so werten. Jetzt ist es aber so, wie es ist, wir müssen zusehen, dass wir das einigermaßen emotionslos über die Runden bringen. Denn am Ende soll es ja dem Standort Österreich helfen und damit den Menschen, die hier leben und arbeiten.

STANDARD: Können Sie mit Work- Life-Balance etwas anfangen?

Mitterbauer: Arbeit und Freizeit verschwimmen immer mehr. Wenn Arbeit als etwas Bereicherndes, Interessantes empfunden wird, muss das nicht notwendigerweise etwas Belastendes sein. Wenn Leute am Wochenende bewusst nicht erreichbar sein wollen, um abschalten zu können, sollte man das akzeptieren. Aber genauso gibt es andere, die wollen auch in ihrer Freizeit über Firmenrelevantes am Laufenden gehalten werden. Auch das muss okay sein.

STANDARD: Was heißt Unternehmer sein in einem Umfeld, das zunehmend protektionistisch zu werden scheint?

Mitterbauer: Dass man dagegen auftreten muss. Protektionismus schwächt am Ende alle und wirkt sich insbesondere auf eine kleine, offene und exportabhängige Volkswirtschaft wie Österreich negativ aus. Es war und ist der Freihandel, von dem die meisten Menschen in der Vergangenheit profitiert haben. Das schafft Wohlstand und Arbeitsplätze, das Prinzip Grenzen zerstört sie.

STANDARD: Man hat den Eindruck, in Europa gibt es derzeit kein wichtigeres Thema als Migration?

Mitterbauer: Die Ängste der Bevölkerung müssen beachtet, sollten aber nicht geschürt werden. Die Menschen haben sich eine inhaltlich sinnvolle Antwort verdient. Darüber hinaus sollten wir klären, was in Europa sinnvollerweise zentral zu machen ist und was besser in den Ländern entschieden wird. Heute ist die Wahrnehmung so, dass Brüssel insgesamt zu viel entscheidet, was eigentlich dezentral entschieden werden könnte. So wird mitunter doppelt gemoppelt. Das kann zusätzlich Bürokratie erzeugen. Eine klare Aufgabenverteilung zwischen EU und Nationalstaaten soll definiert werden.

STANDARD: Außenpolitik, Verteidigungspolitik zentral ...?

Mitterbauer: ... klar, bis hin zum Thema Flüchtlinge. Italien wurde da viel zu lange alleingelassen, mit der Folge, dass sich in der Bevölkerung einiges aufgestaut hat. Es gibt Länder mit Außengrenzen, die den Druck besonders spüren, und Binnenländer, die nicht unmittelbar betroffen sind. In dieser Frage müssen wir zusammenhalten, über Ländergrenzen hinweg.

STANDARD: In der Warmlaufphase für den Vorstandsvorsitz bei Miba haben Sie unter anderem bei Audi gearbeitet. Was denken Sie angesichts laufender Ermittlungen gegen Ex-VW-Chef Winterkorn oder der Tatsache, dass über Audi-Chef Stadler Untersuchungshaft verhängt wurde?

Mitterbauer: Ich hoffe, dass alles auf den Tisch kommt und aufgearbeitet wird, sodass dann auch wirklich ein Schlussstrich gezogen werden kann. Und ich hoffe, dass die Regeln klar genug sind, dass so etwas nach dem jetzigen reinigenden Gewitter nicht mehr passieren kann. (Günther Strobl, 1.7.2018)