Beim Forum Informationsfreiheit stapeln sich nun die Akten: Aktuelle Gerichtsurteile zwingen Ämter dazu, Dokumente an Journalisten zu übermitteln.

Foto: Getty Images/iStockphoto

Frage: Ist das Amtsgeheimnis jetzt abgeschafft?

Antwort: Nein. Die Amtsverschwiegenheit gilt weiterhin – genauso wie das Auskunftsrecht. Die beiden werden wie bisher gegeneinander abgewogen. Mit den aktuellen Urteilen hat sich das Gewicht aber zugunsten der Auskunftspflicht verschoben: Staatliche Stellen müssen bestimmten Antragstellern nun nicht mehr nur sagen, was in Dokumenten steht, sondern auch die Akte selbst übermitteln.

Frage: Das Forum Informationsfreiheit (FOI) hat zwei Verfahren gewonnen. Worum ging es dabei?

Antwort: Im ersten Fall um die Privatstiftung des ehemaligen niederösterreichischen Landeshauptmanns Erwin Pröll (ÖVP): Der Journalist und FOI-Aktivist Markus Hametner zog bis vor das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich, um an Beschlüsse der Landesregierung zu gelangen. Und zwar an jene Beschlüsse über Förderungen der gemeinnützigen Privatstiftung Prölls über insgesamt 1,05 Millionen Euro. Hametner hat bereits ein Paket mit Ausdrucken der Regierungsbeschlüsse erhalten.

Frage: Und der zweite Fall?

Antwort: Der betrifft die Stadt Wien. Sie hat 2016 anonyme Vorschläge von Mitarbeitern gesammelt, wo gespart werden könnte. Hametner wollte überprüfen, welche Teile der Liste umgesetzt wurden und welche nicht. Die Stadt Wien verweigerte die Herausgabe der Liste. Der Verwaltungsgerichtshof urteilte, dass berechtigtes öffentliches Interesse daran bestand und die Stadt die Punkte herausgeben muss. Und: Das Amt darf sich nicht pauschal darauf ausreden, dass die Beantwortung einer Anfrage zu viel Aufwand bedeute, sondern muss genau erklären, welche Arbeiten dafür notwendig wären.

Frage: Wie argumentiert das Gericht?

Antwort: Das Urteil stützt sich auf eine Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR), die gesellschaftlichen Watchdogs (Wachhunden), also Journalisten, Bloggern aber auch NGOs und Personen mit großer Social-Media-Reichweite, eine besondere Stellung einräumt. Das Recht auf Verweigerung der Auskunft sei dann besonders eng auszulegen, wenn die Informationen im öffentlichen Interesse liegen und "dem Auskunftswerber eine Rolle als 'Watchdog' im Sinne der Rechtsprechung des EGMR zukommt".

Frage: Was ist, wenn eine Akte sensible Informationen enthält?

Antwort: Laut Verwaltungsgerichtshof sind sensible Informationen nach wie vor zurückzuhalten oder können geschwärzt übermittelt werden – wenn es etwa um Persönlichkeitsschutz, Kontaktdaten oder Geschäftsgeheimnisse geht. Die übrigen Teile des Dokuments sind aber herauszugeben. FOI-Generalsekretär Mathias Huter nennt ein mögliches Beispiel: "Ein Journalist beantragt den Wortlaut eines von einer Behörde vergebenen Auftrags in Höhe von mehreren Millionen Euro. Wenn in diesem Vertrag geheim zu haltende Informationen enthalten sind, etwa Kontaktinformationen von Personen oder Geschäftsgeheimnisse, so ist das ab sofort kein Grund für die Geheimhaltung des gesamten Vertrags."

Frage: Was bedeutet das für Journalisten und Blogger?

Antwort: Im Sinne der Transparenz etwas Gutes: Recherchen gegenüber nicht auskunftsfreudigen Politikern und Behörden werden erleichtert, da Journalisten künftig einfacher an Dokumente und Informationen der Verwaltung kommen. Vor allem bei längerfristigen Recherchen ist das ein großer Vorteil. Nach den Auskunftspflichtgesetzen von Bund und Ländern beträgt die Antwortfrist für Behörden in Österreich acht Wochen. Wird die Auskunft verweigert, können Antragsteller einen Bescheid einfordern, warum das der Fall war – und damit dann beispielsweise vor Gericht gehen, um die Rechtmäßigkeit prüfen zu lassen. Die Plattform "Frag den Staat" bietet Hilfe bei Anfragen. Sie erlaubt, die Korrespondenz mit einer Behörde vertraulich oder öffentlich über das Portal abzuwickeln. Bei Anfragen an EU-Stellen, die Dokumenteneinsicht binnen 15 Arbeitstagen zu gewähren haben, steht "Ask The EU" zur Verfügung.

Frage: Heißt das, ich kann jetzt von jedem Amt bestimmte Dokumente verlangen?

Antwort: Wenn Sie ein Watchdog sind: ja. Stellen etwa Journalisten ein Auskunftsbegehren an eine Behörde, muss diese den Zugang zu Dokumenten erteilen, wenn dies "zur zweckmäßigen Erteilung einer Auskunft" geboten sei, sagen Mathias Huter und Markus Hametner vom FOI. Sie nennen auch ein mögliches Beispiel: "Ein Journalist möchte detaillierte Auskunft zu den Schlussfolgerungen und Ergebnissen einer von einem Ministerium erstellten Studie. Sollten keine Geheimhaltungsgründe vorliegen, hat das Ministerium in vielen Fällen wohl die Studie zu übermitteln – insbesondere, wenn der Arbeitsaufwand für die Behörde dadurch möglichst gering ist." (Sebastian Fellner, Oliver Mark, 4.7.2018)