Ab Mittwoch stehen Mitglieder und Sympathisanten der rechtsextremen Identitären in Graz vor Gericht. Einer der Anklagepunkte ist für viele Juristen politisch brisantes Recht.

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Unter dem Paragrafen 278 findet sich seit 25 Jahren eine sehr umstrittene Materie im Strafgesetzbuch. Im Volksmund unter "Mafiaparagraf" subsumiert geht es bei den Paragrafen 278, 278a, 278b, 278c, 278d, 278e und 278f aber um sehr unterschiedliche Straftatbestände mit ebenso stark variierenden Strafrahmen.

Ab Mittwoch stehen in Graz insgesamt 17 Personen, nämlich zehn Mitglieder und sieben aktive Sympathisanten der rechtsextremen Identitären Bewegung Österreich (IBÖ), vor Gericht: einige wegen des Vorwurfs der Sachbeschädigung, einer wegen Nötigung. Alle 17 zwischen 22 und 35 Jahre alten Angeklagten, die aus der Steiermark, Kärnten und Oberösterreich kommen, müssen sich auch nach §278 und wegen Verhetzung verantworten.

Kriminelle Vereinigung

Laut Gesetzestext gilt als kriminelle Vereinigung ein "auf längere Zeit angelegter Zusammenschluss von mehr als zwei Personen". Diese Personen planen etwa "ein oder mehrere Verbrechen, andere erhebliche Gewalttaten gegen Leib und Leben, nicht nur geringfügige Sachbeschädigungen, Diebstähle oder Betrügereien" und zudem einige andere Vergehen wie jenes der Verhetzung (§283).

"Wenn eine Gruppe mehrmals auf Dächer steigt und auch andernorts auf Transparenten behauptet 'Islam tötet', kann man schon von einer Verhetzung gegenüber einer ganzen Gruppe von Menschen sprechen", sagt die Anwältin Susanna Ecker, die selbst nicht in das Verfahren involviert ist. Wie viele andere Juristen, etwa der SPÖ-Justizsprecher Hannes Jarolim oder der Anwalt des Tierschützers Martin Balluch, Stefan Traxler – der STANDARD berichtete -, hat die Menschenrechtsexpertin Ecker aber ein grundsätzliches Problem mit dem Paragrafen 278. "Er ist eigentlich ein Ausdruck der Hilflosigkeit des Gesetzgebers", so Ecker, "dafür, dass man an das Strafrecht eigentlich den Anspruch hat, möglichst präzise zu sein, sind sowohl Paragraf 278 als auch 278a, zu schwammig."

Kriminelle Organisation

Ersterer, nach dem sich jetzt 17 Angeklagten in Graz wegen Aktionen, die sie etwa auf dem Dach der steirischen Grünen in Graz oder an der Uni Klagenfurt durchführten, verantworten müssen, wird mit einer Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren bestraft. Er wurde 2017 dahingehend reformiert, dass man den Menschenhandel herausnahm. Der bekannte Tierschützerprozess, an dessen Ende 2012 Tierrechtsaktivist Balluch und seine Mitstreiter zwar freigesprochen, aber finanziell ruiniert waren, wurde nicht nach demselben Paragrafen verhandelt, sondern nach §278a, also der "kriminellen Organisation". Der Unterschied: Hier geht der Gesetzgeber von einer "unternehmensähnlichen Verbindung einer größeren Zahl von Personen" aus, "die auf die wiederkehrende und geplante Begehung schwerwiegender strafbarer Handlungen" ausgerichtet ist. Hier finden sich auch Tatbestände, die mit den Tierschützern gar nichts zu tun hatten. Etwa die Schlepperei oder strafbare Handlungen "mit Kampfmitteln, Kernmaterial und radioaktiven Stoffen", aber auch angestrebte Bereicherung und der Versuch, andere zu korrumpieren und einzuschüchtern. Das Strafmaß ist bis zu fünf Jahre.

Ecker hält sowohl §278 als auch §278a für "juristisch spannend, aber politisch sehr brisant". Man wollte die Identitären, "erwischen", sagt sie und der Staatsanwalt hat mit diesem Paragrafen mehr Möglichkeiten, etwa für Hausdurchsuchungen. Aber man muss genau schauen, worauf man ihn künftig noch anwenden wird. Auf das Demonstrationsrecht etwa muss man gut aufpassen", so Ecker.

Tatbestand Terrorismus

Erst ab §278b kommt mit der "Terroristischen Vereinigung" der Begriff Terrorismus bzw. dessen Finanzierung ins Spiel. Hier drohen Haftstrafen von bis zu 15 Jahren. Im Paragrafen 278c werden verschiedene terroristische Straftaten zusammengefasst, auf die bis zu 20 Jahre stehen. §278c deckt sich teils mit §282a, der "Aufforderung zu terroristischen Straftaten" sowie deren Gutheißung. Die Terrorismusfinanzierung und die Ausbildung zum Terroristen werden schließlich unter §278d und e behandelt. (Colette M. Schmidt, 4.7.2018)