Der Auftritt von Bundeskanzler Sebastian Kurz im EU-Parlament und die Debatte zum österreichischen EU-Vorsitz brachte drei wesentliche Erkenntnisse.

Erstens, und das war doch überraschend: Die Regierungsbeteiligung der FPÖ wird auf der europäischen Ebene inzwischen offensichtlich als ein viel geringeres Problem angesehen, als viele hierzulande annehmen. Der Name FPÖ wurde nicht einmal in den Mund genommen. Hätte der grüne Mandatar Michel Reimon nicht angemerkt, dass der Kanzler mit einer "rechtsextremen Partei" koaliere, wäre direkte Kritik an den EU-skeptischen Freiheitlichen praktisch ausgeblieben. Man hat mit Viktor Orbán und Matteo Salvini nun ganz andere Probleme. Man glaubt Kurz.

Zweitens: Die Parlamentarier haben sich mit dem Kanzler einen kritischen, aber in der Sache überaus gepflegten Austausch geliefert. Kurz war etwas kühl, aber er hat bei den Fraktionen mit seiner ruhigen Art Eindruck gemacht. In Straßburg sah man einen ÖVP-Chef, der ein Bekenntnis zu Europa und seinen Werten ablegte, wie er das in Österreich so klar nicht tut. "Ohne Wenn und Aber" gälten die Werte der EU, für seine Generation der Anfang 30-Jährigen sei das gemeinsame Europa eine absolute Selbstverständlichkeit.

Drittens: Das Migrationsthema überragt alle anderen Themen bei weitem. Kurz müsste da beruhigen, weicher werden, für humanitäre Politik eine Lanze brechen, nicht nur für Sicherheitsbedenken. (Thomas Mayer, 3.7.2018)