"Please allow me to introduce myself, I’m a man of wealth and taste" – so stellt sich der Teufel anno 1968 im Rolling-Stones-Song "Sympathy for the Devil" vor, welche man dem Mann mit Geld und Stil nur allzu gern angedeihen lässt:

The Rolling Stones

Das war nicht immer so – wir erinnern uns an den letzten Teufelsblogbeitrag, wo der Teufel der mittelalterlichen Kirche und Ikonographie doch reichlich haarig war und sein Gesicht dort trug, wo heute der Hosenboden sitzt. Wann also wird aus dem schrecklichen zotteligen Herrscher der Hölle, der Sünder gerne einmal mittendurch beißt und ihnen feuriges Blei in den Mund gießt, der smarte, stilvolle Bösewicht? Und warum?

Der schöne, verzweifelte Teufel

Es ist nicht zuletzt eine Frage der Perspektive – nicht umsonst spricht uns im eingangs zitierten Song der Teufel höchstpersönlich an. Die offizielle christliche Theologie sieht den Teufel bis heute als "absolutes Böses" und be- und verurteilt das ihm seit spätantiken Apokryphen zugeschriebene Handeln, sprich die Rebellion gegen Gott und die Verführung Evas im Paradies aus der Perspektive des menschlichen Moralisten. Man kann freilich auch die Frage stellen, was ihn denn zu einer solchen wenig aussichtsreichen Tat und dauerhafter Unbelehrbarkeit getrieben hat.

Als markanter Punkt in diesem Perspektivenwechsel ist John Milton mit seinem episches Gedicht "Paradise Lost" aus 1667 zu nennen. Satan, Hauptfigur des in zwölf Bücher unterteilten Gedichts, tritt hier erstmals als charismatische, ambivalente Gestalt auf, der trotz ihres fragwürdigen Handelns wenn schon nicht die Sympathie, so doch die Faszination der Leser gilt. Fasziniert sind auch bis heute Künstler aller Art, ihnen verdankt Miltons Satan seine ikonische Verbreitung, allen voran William Blake und Gustav Doré. Satan ist hier, von seinen Flügeln abgesehen, ein schöner Mann, der sich in jugendlich-rebellischer Pose verzweifelt die Locken rauft:

"The Fall of Satan" von Gustave Doré in Miltons "Paradise Lost".
Foto: Public Domain

Was diese grundlegende Imagekorrektur des Teufels ermöglicht, sind auch die historischen Umstände: Spätestens mit dem Absolutismus wird Hochmut und Eitelkeit ganz offiziell salonfähig und mit der Aufklärung die Rebellion des kritischen Geistes gegen religiöse Herrschaft geradezu zur Bürgerpflicht. Freilich, zum strahlenden Posterboy der Vernunft war der Teufel dann doch zu unmoralisch, allzu viel Libertinage war auch den aufgeklärten Moralisten nicht geheuer.

Der wahre Nothelfer?

Dafür wird der Teufel unter vielen Namen zum neuen Liebling der Literatur. Das gar nicht so neue Motiv des Teufelspaktes, das noch in der frühen Neuzeit Hexen unterstellt wurde und in folkloristischer Form in zahlreichen Sagen und Märchen begegnet, wurde zum Ausgangspunkt des vielleicht bekanntesten Werkes der deutschsprachigen Literatur. Unter dem Namen Mephisto kennen den Teufel bis heute alle Schüler und wer genauer hineinliest, entdeckt bei Goethe bereits den amoralischen man of some wealth and taste mit Hang zum Destruktiven, der die Sympathie des von einer Sinnkrise befallenen Universalgelehrten weckt.

Der Teufel hat sogar seine Sparte der Literatur(wissenschaft): Die sogenannte "schwarze Romantik" kreist um den Teufel und ihm verwandte Gestalten, in ihrer dunkel schillernden Mitte die berühmten Litaneien Satans des französischen opiumaffinen Dichters Charles Baudelaire:

Der Ausgewiesnen Stab und des Erfinders Licht,
Erhenkter Trost und Schutz, Verbrechers Zuversicht,
           Satan, erbarm dich mein in meiner tiefen Not!

Aller Verstossnen Freund und liebender Berater,
Die einst in finstrem Zorn aus Eden stiess der Vater,
           Satan, erbarm dich mein in meiner tiefen Not!

Die in klingendem Versmaß servierte, bitterböse Pointe vom Teufel als wahrem Nothelfer in der irdischen Misere, die Gott wie seine politischen und kirchlichen Stellvertreter gleichermaßen zu verantworten haben, und in der Satan fast schon als düsterer Heiliger des gesellschaftlichen Prekariats erscheint, veranschaulicht eindrücklich, welchen Weg der Teufel seit seiner Zeit als hässlicher Höllenfürst und Handlanger klerikaler Pastoralmacht zurückgelegt hat.

"Satan schüttet die Plagen über Hiob aus" von William Blake (1821).
Foto: Public Domain

Kindsopfer, schwarze Messen, Sexorgien

Bei Baudelaire ist die Verehrung Satans in unfrommen Litaneien ironische Parodie, es gibt aber auch solche die es ernst meinen. Oder zumindest so tun. Der Satanismus war für besorgte Eltern und Erziehungsberechtigte in den 1970er und 80er-Jahren das, was heute Salafismus und IS sind. Schwarze Kleidung sowie eine Vorliebe für Friedhöfe und düstere Rockmusik (oft ohne Differenzierung) galten als bedenkliche Indizien, dass sich die Kinder dem Teufel verschrieben hatten. Religionsgeschichtlich betrachtet ist beim Satanismus zwischen mehreren Formen zu unterscheiden: Bis in die frühe Neuzeit hinein gibt es die "selbstverständliche" Annahme vom Teufel als bösen Vertragspartner, wie er in den Ketzer- und Hexenprozessen imaginiert wurde und seine literarische Ausgestaltung in diversen Sagen und Erzählungen vom Teufelspakt fand. Hierzu zählen auch noch die jüngst in der Serie "Versailles" zu TV-Ehren gekommenen Schwarzen Messen inklusive Kindsopfer im Umfeld des französischen Sonnenkönigs Ludwig XIV.

Ab dem 18. Jahrhundert wird Satan dann zur Chiffre für ein amoralisches Programm gegen kirchliche wie staatliche Ordnungsvorstellungen, die der Kant-Schüler Johann Benjamin Erhard in seiner Apologie des Teufels (1795) in sieben "satanischen Lebensregeln" zusammenfasst. Satan steht hier wie schon bei Kant für konsequenten und skrupellosen Egoismus, der eben jede metaphysische oder religiöse Dimension wie Blasphemie oder Anbetung letztlich verneint und schwarze Messen nur als Provokation jeder moralischen Konvention sieht. Wie derartiges zumindest in der Imagination aussieht, lässt sich bei Marquis de Sade in "Justine" nachlesen. Der Satanismus des 20. Jahrhunderts kennt eine Vielzahl sehr unterschiedlicher Teufelsbilder – von der bloßen Metapher und Ideen eines vom Christentum befreiten Übermenschen (angelehnt an Nietzsche) über gnostisch angehauchte Weltdeutungen mit Satan als Erlöserfigur bis zu praktisch orientierten Formen von Gewalt- und Sexorgien eines Charles Manson in den 1960er-Jahren, mit dem man "endlich einen Satanisten hatte, der sich wirklich so benahm, wie dies die amerikanische Moral Majority von einem Satanisten erwartete." (Schmidt, 146).

Der Teufel als Frau, der Teufel mit Bauch

Ob der Teufel sich Satanisten als Anhänger wünscht, muss wohl unbeantwortet bleiben. Dass er auch weit über diesen Kreis hinaus sein Publikum findet und längst nicht nur in der Hölle oder dunklen Kellern mit Kerzenbeleuchtung gern gesehen wird, zeigt seine wandlungsfähige Präsenz im Kino.

Er kann im Horrorfilm ganz in alter Manier mit grässlicher Fratze Angst und Schrecken verbreiten und gut katholisch von einem Menschen Besitz ergreifen (dazu unten) wie in "Der Exorzist" (1973) oder biblisch den Antichristen zeugen ("Rosemary’s Baby" (1968), "The Omen" (1976)), er kann aber auch, ganz im Sinn der Rolling Stones, als smarter Verführer Böses tun, wie etwa in "Angel Heart" (1987). In der Tradition von Miltons Satan sind ihm existenzphilosophische Anwandlungen nicht fremd, wie in "The Devils Advocate" (1997) oder "Lucifer" (TV-Serie, 2016-).

BestMovieClips

Oder er bringt uns zum Lachen: "Bedazzled" (2000) beziehungsweise das englische Original aus 1967, "Little Nicky" (2000) oder im TV-Format "Reaper" (2007-2009) zeigen nicht nur, dass der Böse vielleicht kein Erbarmen mit unseren Sünden, aber wenigstens Humor hat und dass er – anders als der christliche Gott – geradezu beispielhaft Gender Diversity pflegt: als Frau, als junger Mann mit komplexer Familienaufstellung, als in die Jahre gekommener Mann mit Bauchansatz.

Der Teufel in Gestalt von Liz Hurley in "Bedazzled" aka. "Teuflisch".
Foto: 20th Century Fox

Und der "richtige" Teufel – die Verkörperung des Bösen schlechthin als Bestandteil christlicher Glaubenslehre? Zumindest in Europa ist die christliche Theologie reformierter wie katholischer Provenienz sehr zurückhaltend geworden mit Aussagen über den Bösen. Ja, manche Vertreter propagieren sogar den "Abschied vom Teufel" (Herbert Haag 1969). Offiziell gibt es ihn freilich gemäß katholischer Lehre bis heute und jene, die ihn bekämpfen, haben sogar ihre eigene Organisation: Die Associazione Internazionale Esorcisti (abegkürzt AIE) mit Sitz in Rom. Ob deren Mitglieder wirklich so arbeiten wie John Malkovich in einem Werbefilm der Firma Pirelli, muss angesichts mangelnder eigener Werbefilme der AIE offen bleiben.

Der Teufel im Detail – Fazit

Und zum Schluss noch eine kurze Zusammenfassung der drei Teufelsblogbeiträge:

- Der Teufel war ursprünglich im Alten Testament ein Engel mit Namen Satan. In sogenannten apokryphen, also außerbiblischen, Texten entsteht die Geschichte von seiner Rebellion und seinem Sturz. Seitdem ist er in der christlichen Tradition Herrscher der Hölle und verführt die Menschen zum Bösen. Seine zwei bekanntesten Namen bedeuten "Durcheinanderbringer" (Teufel von griechischen Diabolos) und "Widersacher" (Satan).

- Als Dämonen werden einerseits mit Satan gestürzte Engel, andererseits auch alle aus christlicher Sicht "heidnischen" Götter bezeichnet, oft tauchen sie auch einfach als "die Teufel" auf.

- Nach einer Hochblüte der Teufelsvorstellungen im Mittelalter und der frühen Neuzeit verliert der Teufel im Zuge der Aufklärung und Säkularisierung zunehmend an Bedeutung, auch bei vielen (aber nicht allen) Vertretern der christlichen Religion. Dafür ist er gern gesehener Hauptdarsteller in Literatur, bildender Kunst, Musik und Film.

Empirisch belegt ist er zumindest in zwei Fällen: Er steckt im Detail. Und ist als Fehlerteufel für alle fehlenden Teufelsbilder, - bücher, -filme in diesem Artikel verantwortlich. (Theresia Heimerl, 18.7.2018)

Literaturhinweise

  • Mario Praz, Liebe, Tod und Teufel. Die schwarze Romantik, München: Hanser 1960. Im Original: La carne, la morte e il diavolo nella letteratura romantica, Florenz 1930.
  • Joachim Schmidt, Satanismus. Mythos und Wirklichkeit, Marburg: Diagonal 1992.
  • Kelly J. Wyman, Satan in the Movies, in:  William L. Blizek (Hg.), The Continuum Companion to Religion an Film, London 2009.
  • Gustave Dorè, Dorès Illustrations for “paradise” lost, New York 1993.
  • Stephen c. Behrendt, The Moment of Explosion, Blake and the Illustration of Milton, Lincoln 1983.

Die weiteren Teufelsbeiträge